Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, 12. Januar 1840.
Alexandria, 16 Dec. Der Pascha fängt wieder an seine Langmüthigkeit, seine Ehrfurcht für den Sultan herauszukehren; so sagte er neulich am Bairamsfeste, daß sein Sohn Ibrahim den Einwohnern von Koniah und Diarbekir Waffen und Munition abgeschlagen, obgleich sie ihn dringend darum gebeten hätten, um ohne sein weiteres Zuthun die Truppen und die Paschas des Sultans zu verjagen und sich ihm zu unterwerfen. Ich glaube, daß kein wahres Wort an der Sache ist, und daß Mehemed Ali die vereinigten Mächte nur glauben machen will, es hinge nur von ihm ab, sein Reich so weit als er nur wolle, auszudehnen. Er sieht mit Ungeduld einer Entscheidung entgegen, scheint aber entschlossen nochmals den Waffen sein Glück zu überlassen, sollten die ihm zu machenden Bedingungen die Abtretung irgend eine der jetzt von ihm besetzten Provinzen zur Grundlage haben. Er ist überzeugt, daß immer eine oder die andere der großen Mächte sich jeder ernstlichen Unternehmung gegen Aegypten widersetzen werde, so daß er also auf Beistand zählen könne. - Dieser Tage soll hier eine radicale Aenderung des Quarantänesystems stattfinden. Die Consuln, die bis jetzt die Direction dieser Anstalt hatten, sollen abgedankt, und an ihre Stelle von Boghos Bey ein Conseil von sechs Kaufleuten ernannt werden. Die Consuln waren Boghos Bey zu unabhängig. Es ist zu fürchten, daß dieß zu neuen Unannehmlichkeiten führen werde, denn da die Consuln bei Einführung der Quarantäne die auf ausländische Schiffe zu legenden Abgaben nur unter der Bedingung bewilligt haben, daß, um Mißbräuche zu verhüten, ihnen die Leitung der Quarantäneanstalt übertragen bleibe, so wäre wohl möglich, daß bei erster Gelegenheit sie ihren Administrirten verböten, jene Abgaben zu bezahlen. Diese sind durch keine Capitulation stipulirt, und Europa hat nichts Gutes mehr von einer slavischen Quarantäne-Direction zu erwarten, denn was jetzt hier noch von Kaufleuten bleibt, ist ganz und gar von Boghos Bey abhängig, Consuln die zugleich Kaufleute, mit einbegeriffen. - Auf Ansuchen der London-Royal-Society hat der Pascha nicht nur die Erlaubniß gegeben eine Sternwarte in diesem Lande zu bauen, sondern sich auch anheischig gemacht alle Ausgaben zu tragen, indem er die Gesellschaft gebeten für seine Rechnung eine Auswahl der besten Instrumente zu treffen. Die Direction dieser Sternwarte wird wohl Hrn. Lambert, einem Mann von vielen Kenntnissen im Dienste des Pascha's, übertragen werden. - Mit letztem Paketboote sind hier angekommen: Hr. Hodges, zum hiesigen englischen Generalconsul an die Stelle des Obristen Campbell ernannt, und Baron v. Kollart, österreichischer Gesandtschaftssecretär in Berlin, der bereits gestern dem Pascha durch Hrn. Laurin, österreichischen Consul, vorgestellt worden. - Morgen oder übermorgen erwartet man die ostindische Post. - Mit vorgestrigem Dampfboote sind 68 Reisende hier angekommen; einige besuchen Aegypten, einige Syrien, die meisten sind nach Ostindien bestimmt. Man unterläßt nichts, diesen letzteren die Durchreise so angenehm als möglich zu machen. Hr. Waghorn übernimmt gegen eine billige Provision sie und ihr Gepäck bis Suez, liefert ihnen Alles, was sie gebrauchen zur Wasser- und Landreise; Boote von Pferden gezogen bringen sie auf dem Canal nach dem Nil, wo sie sich auf großen Barken nach Kairo einschiffen. Auf Dromedaren oder auf Sesseln von Esel getragen, durchziehen sie die Wüste nach Suez, und kommen zur rechten Zeit daselbst an, um mit den Dampfbooten nach Bombay abzugehen. - Die Wasserfahrt auf dem Nil nach Kairo ist noch etwas unangenehm, bald werden aber Dampfboote die Barken ersetzen; der Pascha hat bereits einigen englischen Kaufleuten ein Privilegium dafür ertheilt. - Wer seine Zeit in London recht wählt, kann darauf rechnen, über Marseille den 40sten Tag in Bombay anzulangen. Alexandria, 17 Dec. Der Ramazan ist glücklich und ziemlich ruhig abgelaufen. In Syrien nehmen die Unruhen einen immer ernstern Charakter an; die Steuern können nur mit bewaffneter Hand erhoben werden. Ibrahim Pascha wollte die drei in Damaskus stationirenden Regimenter nach Marasch verlegen, mußte aber von seinem Vorhaben abgehen; denn kaum hatte das Militär das Weichbild der Stadt verlassen, als wilde Horden ihr Unwesen zu treiben begannen, und die Besatzung daher zurückkehren mußte, um die Ruhe wieder herzustellen und die Ordnung zu erhalten. - Der Schah von Persien schickt an Mehemed Ali eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken. Dieselbe ist bereits in Beyrut eingetroffen, und wird in Bälde hier erwartet. - Die vereinte ägyptisch-türkische Flotte ist in vier Linien im Hafen aufgestellt; die erste Linie bilden 1 ägyptische und 3 türkische Briggs, 1 türkische und 3 ägyptische Corvetten; die zweite: 5 türkische und 7 ägyptische Linienschiffe und 1 ägyptische Fregatte; die dritte: 5 türkische und 4 ägyptische Linienschiffe, 1 türkische und 1 ägyptische Fregatte; die vierte: 11 türkische und 3 ägyptische Fregatten. Außerhalb der Linie stehen 2 ägyptische Kutter und drei Dampfschiffe. Im Ganzen zählt die ägyptische Flotte 20, die türkische 24 Kriegsschiffe. Außerdem hat Aegypten im Arsenale 2 Briggs und 1 Corvette, und an der syrischen Küste 1 Corvette und 3 Briggs. Alexandria, 23 Dec. Ich theile Ihnen nachstehend das Wichtigste aus den gestern aus Bombay angekommenen Blättern und Briefen mit. Die Nachrichten aus China werden in England Sensation machen. Hier haben wir nur wenig Neues, Politisches gar nichts. Die türkische Flotte bleibt ruhig im Hafen. Aus Syrien nichts Besonderes. Der Pascha benutzt die Zeit, um seine Schulden abzutragen. Die Lieferanten sind beinahe saldirt, seine hiesigen Beamten, Matrosen und Soldaten haben auch Geld erhalten; nur in Syrien und dem Hedschas schuldet er noch viel, indessen hat er bedeutende Ernten von Reis und Baumwolle, die in einigen Monaten disponibel seyn werden. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß wenn einmal Mehemed Ali sich eines Theils seiner ungeheuern Kriegsmacht entledigen kann, seine Finanzen sich bald wieder in einem guten Zustande befinden werden. - Dieser Tage kam mit einem türkischen Dampfboot Kiamil Pascha von Konstantinopel hier an; er überbringt den Hattischerif; derselbe ist indessen bis jetzt noch nicht verlesen worden, und wird es wohl auch nicht werden; es wäre zu lächerlich in diesem Lande. Man sagt, daß Kiamil Pascha nicht allein Ueberbringer des Hattischerif sey, sondern daß er noch andere Aufträge für den Pascha habe; dieß sind jedoch bloße Vermuthungen. Man glaubt, daß er dieser Tage Kairo besuchen werde. Ostindien und Afghanistan. Bombay, 26 Nov. (Mit der neuesten Alexandrinischen Post angekommen.) Die englischen Truppen, die nach Bengalen und Bombay zurückkehren, setzen ihren Marsch fort. Es
Alexandria, 16 Dec. Der Pascha fängt wieder an seine Langmüthigkeit, seine Ehrfurcht für den Sultan herauszukehren; so sagte er neulich am Bairamsfeste, daß sein Sohn Ibrahim den Einwohnern von Koniah und Diarbekir Waffen und Munition abgeschlagen, obgleich sie ihn dringend darum gebeten hätten, um ohne sein weiteres Zuthun die Truppen und die Paschas des Sultans zu verjagen und sich ihm zu unterwerfen. Ich glaube, daß kein wahres Wort an der Sache ist, und daß Mehemed Ali die vereinigten Mächte nur glauben machen will, es hinge nur von ihm ab, sein Reich so weit als er nur wolle, auszudehnen. Er sieht mit Ungeduld einer Entscheidung entgegen, scheint aber entschlossen nochmals den Waffen sein Glück zu überlassen, sollten die ihm zu machenden Bedingungen die Abtretung irgend eine der jetzt von ihm besetzten Provinzen zur Grundlage haben. Er ist überzeugt, daß immer eine oder die andere der großen Mächte sich jeder ernstlichen Unternehmung gegen Aegypten widersetzen werde, so daß er also auf Beistand zählen könne. – Dieser Tage soll hier eine radicale Aenderung des Quarantänesystems stattfinden. Die Consuln, die bis jetzt die Direction dieser Anstalt hatten, sollen abgedankt, und an ihre Stelle von Boghos Bey ein Conseil von sechs Kaufleuten ernannt werden. Die Consuln waren Boghos Bey zu unabhängig. Es ist zu fürchten, daß dieß zu neuen Unannehmlichkeiten führen werde, denn da die Consuln bei Einführung der Quarantäne die auf ausländische Schiffe zu legenden Abgaben nur unter der Bedingung bewilligt haben, daß, um Mißbräuche zu verhüten, ihnen die Leitung der Quarantäneanstalt übertragen bleibe, so wäre wohl möglich, daß bei erster Gelegenheit sie ihren Administrirten verböten, jene Abgaben zu bezahlen. Diese sind durch keine Capitulation stipulirt, und Europa hat nichts Gutes mehr von einer slavischen Quarantäne-Direction zu erwarten, denn was jetzt hier noch von Kaufleuten bleibt, ist ganz und gar von Boghos Bey abhängig, Consuln die zugleich Kaufleute, mit einbegeriffen. – Auf Ansuchen der London-Royal-Society hat der Pascha nicht nur die Erlaubniß gegeben eine Sternwarte in diesem Lande zu bauen, sondern sich auch anheischig gemacht alle Ausgaben zu tragen, indem er die Gesellschaft gebeten für seine Rechnung eine Auswahl der besten Instrumente zu treffen. Die Direction dieser Sternwarte wird wohl Hrn. Lambert, einem Mann von vielen Kenntnissen im Dienste des Pascha's, übertragen werden. – Mit letztem Paketboote sind hier angekommen: Hr. Hodges, zum hiesigen englischen Generalconsul an die Stelle des Obristen Campbell ernannt, und Baron v. Kollart, österreichischer Gesandtschaftssecretär in Berlin, der bereits gestern dem Pascha durch Hrn. Laurin, österreichischen Consul, vorgestellt worden. – Morgen oder übermorgen erwartet man die ostindische Post. – Mit vorgestrigem Dampfboote sind 68 Reisende hier angekommen; einige besuchen Aegypten, einige Syrien, die meisten sind nach Ostindien bestimmt. Man unterläßt nichts, diesen letzteren die Durchreise so angenehm als möglich zu machen. Hr. Waghorn übernimmt gegen eine billige Provision sie und ihr Gepäck bis Suez, liefert ihnen Alles, was sie gebrauchen zur Wasser- und Landreise; Boote von Pferden gezogen bringen sie auf dem Canal nach dem Nil, wo sie sich auf großen Barken nach Kairo einschiffen. Auf Dromedaren oder auf Sesseln von Esel getragen, durchziehen sie die Wüste nach Suez, und kommen zur rechten Zeit daselbst an, um mit den Dampfbooten nach Bombay abzugehen. – Die Wasserfahrt auf dem Nil nach Kairo ist noch etwas unangenehm, bald werden aber Dampfboote die Barken ersetzen; der Pascha hat bereits einigen englischen Kaufleuten ein Privilegium dafür ertheilt. – Wer seine Zeit in London recht wählt, kann darauf rechnen, über Marseille den 40sten Tag in Bombay anzulangen. Alexandria, 17 Dec. Der Ramazan ist glücklich und ziemlich ruhig abgelaufen. In Syrien nehmen die Unruhen einen immer ernstern Charakter an; die Steuern können nur mit bewaffneter Hand erhoben werden. Ibrahim Pascha wollte die drei in Damaskus stationirenden Regimenter nach Marasch verlegen, mußte aber von seinem Vorhaben abgehen; denn kaum hatte das Militär das Weichbild der Stadt verlassen, als wilde Horden ihr Unwesen zu treiben begannen, und die Besatzung daher zurückkehren mußte, um die Ruhe wieder herzustellen und die Ordnung zu erhalten. – Der Schah von Persien schickt an Mehemed Ali eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken. Dieselbe ist bereits in Beyrut eingetroffen, und wird in Bälde hier erwartet. – Die vereinte ägyptisch-türkische Flotte ist in vier Linien im Hafen aufgestellt; die erste Linie bilden 1 ägyptische und 3 türkische Briggs, 1 türkische und 3 ägyptische Corvetten; die zweite: 5 türkische und 7 ägyptische Linienschiffe und 1 ägyptische Fregatte; die dritte: 5 türkische und 4 ägyptische Linienschiffe, 1 türkische und 1 ägyptische Fregatte; die vierte: 11 türkische und 3 ägyptische Fregatten. Außerhalb der Linie stehen 2 ägyptische Kutter und drei Dampfschiffe. Im Ganzen zählt die ägyptische Flotte 20, die türkische 24 Kriegsschiffe. Außerdem hat Aegypten im Arsenale 2 Briggs und 1 Corvette, und an der syrischen Küste 1 Corvette und 3 Briggs. Alexandria, 23 Dec. Ich theile Ihnen nachstehend das Wichtigste aus den gestern aus Bombay angekommenen Blättern und Briefen mit. Die Nachrichten aus China werden in England Sensation machen. Hier haben wir nur wenig Neues, Politisches gar nichts. Die türkische Flotte bleibt ruhig im Hafen. Aus Syrien nichts Besonderes. Der Pascha benutzt die Zeit, um seine Schulden abzutragen. Die Lieferanten sind beinahe saldirt, seine hiesigen Beamten, Matrosen und Soldaten haben auch Geld erhalten; nur in Syrien und dem Hedschas schuldet er noch viel, indessen hat er bedeutende Ernten von Reis und Baumwolle, die in einigen Monaten disponibel seyn werden. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß wenn einmal Mehemed Ali sich eines Theils seiner ungeheuern Kriegsmacht entledigen kann, seine Finanzen sich bald wieder in einem guten Zustande befinden werden. – Dieser Tage kam mit einem türkischen Dampfboot Kiamil Pascha von Konstantinopel hier an; er überbringt den Hattischerif; derselbe ist indessen bis jetzt noch nicht verlesen worden, und wird es wohl auch nicht werden; es wäre zu lächerlich in diesem Lande. Man sagt, daß Kiamil Pascha nicht allein Ueberbringer des Hattischerif sey, sondern daß er noch andere Aufträge für den Pascha habe; dieß sind jedoch bloße Vermuthungen. Man glaubt, daß er dieser Tage Kairo besuchen werde. Ostindien und Afghanistan. Bombay, 26 Nov. (Mit der neuesten Alexandrinischen Post angekommen.) Die englischen Truppen, die nach Bengalen und Bombay zurückkehren, setzen ihren Marsch fort. Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0095"/><lb/> mich im Vertrauen, daß Befehl eingegangen, unverzüglich eine neue Truppenaushebung vorzunehmen. Man bedachte aber, daß diese Maaßregel das Land entvölkern und der Verwaltung große Verluste bringen würde, da viele Abgabenrückstände in diesem Fall nicht bezahlt werden könnten. Die Regierung hat daher die Ausführung auf den Ramadan verschoben; Beweise hiefür sind die Befehle des Pascha's, durch welche er täglich seine Beamten ermahnt, alle Abgaben bis zum ersten Tag des Ramadan einzutreiben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>***</byline> <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 16 Dec.</dateline> <p> Der Pascha fängt wieder an seine Langmüthigkeit, seine Ehrfurcht für den Sultan herauszukehren; so sagte er neulich am Bairamsfeste, daß sein Sohn Ibrahim den Einwohnern von Koniah und Diarbekir Waffen und Munition abgeschlagen, obgleich sie ihn dringend darum gebeten hätten, um ohne sein weiteres Zuthun die Truppen und die Paschas des Sultans zu verjagen und sich ihm zu unterwerfen. Ich glaube, daß kein wahres Wort an der Sache ist, und daß Mehemed Ali die vereinigten Mächte nur glauben machen will, es hinge nur von ihm ab, sein Reich so weit als er nur wolle, auszudehnen. Er sieht mit Ungeduld einer Entscheidung entgegen, scheint aber entschlossen nochmals den Waffen sein Glück zu überlassen, sollten die ihm zu machenden Bedingungen die Abtretung irgend eine der jetzt von ihm besetzten Provinzen zur Grundlage haben. Er ist überzeugt, daß immer eine oder die andere der großen Mächte sich jeder ernstlichen Unternehmung gegen Aegypten widersetzen werde, so daß er also auf Beistand zählen könne. – Dieser Tage soll hier eine radicale Aenderung des Quarantänesystems stattfinden. Die Consuln, die bis jetzt die Direction dieser Anstalt hatten, sollen abgedankt, und an ihre Stelle von Boghos Bey ein Conseil von sechs Kaufleuten ernannt werden. Die Consuln waren Boghos Bey zu unabhängig. Es ist zu fürchten, daß dieß zu neuen Unannehmlichkeiten führen werde, denn da die Consuln bei Einführung der Quarantäne die auf ausländische Schiffe zu legenden Abgaben nur unter der Bedingung bewilligt haben, daß, um Mißbräuche zu verhüten, ihnen die Leitung der Quarantäneanstalt übertragen bleibe, so wäre wohl möglich, daß bei erster Gelegenheit sie ihren Administrirten verböten, jene Abgaben zu bezahlen. Diese sind durch keine Capitulation stipulirt, und Europa hat nichts Gutes mehr von einer slavischen Quarantäne-Direction zu erwarten, denn was jetzt hier noch von Kaufleuten bleibt, ist ganz und gar von Boghos Bey abhängig, Consuln die zugleich Kaufleute, mit einbegeriffen. – Auf Ansuchen der London-Royal-Society hat der Pascha nicht nur die Erlaubniß gegeben eine Sternwarte in diesem Lande zu bauen, sondern sich auch anheischig gemacht alle Ausgaben zu tragen, indem er die Gesellschaft gebeten für seine Rechnung eine Auswahl der besten Instrumente zu treffen. Die Direction dieser Sternwarte wird wohl Hrn. Lambert, einem Mann von vielen Kenntnissen im Dienste des Pascha's, übertragen werden. – Mit letztem Paketboote sind hier angekommen: Hr. Hodges, zum hiesigen englischen Generalconsul an die Stelle des Obristen Campbell ernannt, und Baron v. Kollart, österreichischer Gesandtschaftssecretär in Berlin, der bereits gestern dem Pascha durch Hrn. Laurin, österreichischen Consul, vorgestellt worden. – Morgen oder übermorgen erwartet man die ostindische Post. – Mit vorgestrigem Dampfboote sind 68 Reisende hier angekommen; einige besuchen Aegypten, einige Syrien, die meisten sind nach Ostindien bestimmt. Man unterläßt nichts, diesen letzteren die Durchreise so angenehm als möglich zu machen. Hr. Waghorn übernimmt gegen eine billige Provision sie und ihr Gepäck bis Suez, liefert ihnen Alles, was sie gebrauchen zur Wasser- und Landreise; Boote von Pferden gezogen bringen sie auf dem Canal nach dem Nil, wo sie sich auf großen Barken nach Kairo einschiffen. Auf Dromedaren oder auf Sesseln von Esel getragen, durchziehen sie die Wüste nach Suez, und kommen zur rechten Zeit daselbst an, um mit den Dampfbooten nach Bombay abzugehen. – Die Wasserfahrt auf dem Nil nach Kairo ist noch etwas unangenehm, bald werden aber Dampfboote die Barken ersetzen; der Pascha hat bereits einigen englischen Kaufleuten ein Privilegium dafür ertheilt. – Wer seine Zeit in London recht wählt, kann darauf rechnen, über Marseille den 40sten Tag in Bombay anzulangen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>*</byline> <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 17 Dec.</dateline> <p> Der Ramazan ist glücklich und ziemlich ruhig abgelaufen. In Syrien nehmen die Unruhen einen immer ernstern Charakter an; die Steuern können nur mit bewaffneter Hand erhoben werden. Ibrahim Pascha wollte die drei in Damaskus stationirenden Regimenter nach Marasch verlegen, mußte aber von seinem Vorhaben abgehen; denn kaum hatte das Militär das Weichbild der Stadt verlassen, als wilde Horden ihr Unwesen zu treiben begannen, und die Besatzung daher zurückkehren mußte, um die Ruhe wieder herzustellen und die Ordnung zu erhalten. – Der Schah von Persien schickt an Mehemed Ali eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken. Dieselbe ist bereits in Beyrut eingetroffen, und wird in Bälde hier erwartet. – Die vereinte ägyptisch-türkische Flotte ist in vier Linien im Hafen aufgestellt; die erste Linie bilden 1 ägyptische und 3 türkische Briggs, 1 türkische und 3 ägyptische Corvetten; die zweite: 5 türkische und 7 ägyptische Linienschiffe und 1 ägyptische Fregatte; die dritte: 5 türkische und 4 ägyptische Linienschiffe, 1 türkische und 1 ägyptische Fregatte; die vierte: 11 türkische und 3 ägyptische Fregatten. Außerhalb der Linie stehen 2 ägyptische Kutter und drei Dampfschiffe. Im Ganzen zählt die ägyptische Flotte 20, die türkische 24 Kriegsschiffe. Außerdem hat Aegypten im Arsenale 2 Briggs und 1 Corvette, und an der syrischen Küste 1 Corvette und 3 Briggs.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>***</byline> <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 23 Dec.</dateline> <p> Ich theile Ihnen nachstehend das Wichtigste aus den gestern aus Bombay angekommenen Blättern und Briefen mit. Die Nachrichten aus China werden in England Sensation machen. Hier haben wir nur wenig Neues, Politisches gar nichts. Die türkische Flotte bleibt ruhig im Hafen. Aus Syrien nichts Besonderes. Der Pascha benutzt die Zeit, um seine Schulden abzutragen. Die Lieferanten sind beinahe saldirt, seine hiesigen Beamten, Matrosen und Soldaten haben auch Geld erhalten; nur in Syrien und dem Hedschas schuldet er noch viel, indessen hat er bedeutende Ernten von Reis und Baumwolle, die in einigen Monaten disponibel seyn werden. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß wenn einmal Mehemed Ali sich eines Theils seiner ungeheuern Kriegsmacht entledigen kann, seine Finanzen sich bald wieder in einem guten Zustande befinden werden. – Dieser Tage kam mit einem türkischen Dampfboot Kiamil Pascha von Konstantinopel hier an; er überbringt den Hattischerif; derselbe ist indessen bis jetzt noch nicht verlesen worden, und wird es wohl auch nicht werden; es wäre zu lächerlich in diesem Lande. Man sagt, daß Kiamil Pascha nicht allein Ueberbringer des Hattischerif sey, sondern daß er noch andere Aufträge für den Pascha habe; dieß sind jedoch bloße Vermuthungen. Man glaubt, daß er dieser Tage Kairo besuchen werde.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Ostindien und Afghanistan.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>*</byline> <dateline><hi rendition="#b">Bombay,</hi> 26 Nov.</dateline> <p> (Mit der neuesten Alexandrinischen Post angekommen.) Die englischen Truppen, die nach Bengalen und Bombay zurückkehren, setzen ihren Marsch fort. Es<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095/0007]
mich im Vertrauen, daß Befehl eingegangen, unverzüglich eine neue Truppenaushebung vorzunehmen. Man bedachte aber, daß diese Maaßregel das Land entvölkern und der Verwaltung große Verluste bringen würde, da viele Abgabenrückstände in diesem Fall nicht bezahlt werden könnten. Die Regierung hat daher die Ausführung auf den Ramadan verschoben; Beweise hiefür sind die Befehle des Pascha's, durch welche er täglich seine Beamten ermahnt, alle Abgaben bis zum ersten Tag des Ramadan einzutreiben.
*** Alexandria, 16 Dec. Der Pascha fängt wieder an seine Langmüthigkeit, seine Ehrfurcht für den Sultan herauszukehren; so sagte er neulich am Bairamsfeste, daß sein Sohn Ibrahim den Einwohnern von Koniah und Diarbekir Waffen und Munition abgeschlagen, obgleich sie ihn dringend darum gebeten hätten, um ohne sein weiteres Zuthun die Truppen und die Paschas des Sultans zu verjagen und sich ihm zu unterwerfen. Ich glaube, daß kein wahres Wort an der Sache ist, und daß Mehemed Ali die vereinigten Mächte nur glauben machen will, es hinge nur von ihm ab, sein Reich so weit als er nur wolle, auszudehnen. Er sieht mit Ungeduld einer Entscheidung entgegen, scheint aber entschlossen nochmals den Waffen sein Glück zu überlassen, sollten die ihm zu machenden Bedingungen die Abtretung irgend eine der jetzt von ihm besetzten Provinzen zur Grundlage haben. Er ist überzeugt, daß immer eine oder die andere der großen Mächte sich jeder ernstlichen Unternehmung gegen Aegypten widersetzen werde, so daß er also auf Beistand zählen könne. – Dieser Tage soll hier eine radicale Aenderung des Quarantänesystems stattfinden. Die Consuln, die bis jetzt die Direction dieser Anstalt hatten, sollen abgedankt, und an ihre Stelle von Boghos Bey ein Conseil von sechs Kaufleuten ernannt werden. Die Consuln waren Boghos Bey zu unabhängig. Es ist zu fürchten, daß dieß zu neuen Unannehmlichkeiten führen werde, denn da die Consuln bei Einführung der Quarantäne die auf ausländische Schiffe zu legenden Abgaben nur unter der Bedingung bewilligt haben, daß, um Mißbräuche zu verhüten, ihnen die Leitung der Quarantäneanstalt übertragen bleibe, so wäre wohl möglich, daß bei erster Gelegenheit sie ihren Administrirten verböten, jene Abgaben zu bezahlen. Diese sind durch keine Capitulation stipulirt, und Europa hat nichts Gutes mehr von einer slavischen Quarantäne-Direction zu erwarten, denn was jetzt hier noch von Kaufleuten bleibt, ist ganz und gar von Boghos Bey abhängig, Consuln die zugleich Kaufleute, mit einbegeriffen. – Auf Ansuchen der London-Royal-Society hat der Pascha nicht nur die Erlaubniß gegeben eine Sternwarte in diesem Lande zu bauen, sondern sich auch anheischig gemacht alle Ausgaben zu tragen, indem er die Gesellschaft gebeten für seine Rechnung eine Auswahl der besten Instrumente zu treffen. Die Direction dieser Sternwarte wird wohl Hrn. Lambert, einem Mann von vielen Kenntnissen im Dienste des Pascha's, übertragen werden. – Mit letztem Paketboote sind hier angekommen: Hr. Hodges, zum hiesigen englischen Generalconsul an die Stelle des Obristen Campbell ernannt, und Baron v. Kollart, österreichischer Gesandtschaftssecretär in Berlin, der bereits gestern dem Pascha durch Hrn. Laurin, österreichischen Consul, vorgestellt worden. – Morgen oder übermorgen erwartet man die ostindische Post. – Mit vorgestrigem Dampfboote sind 68 Reisende hier angekommen; einige besuchen Aegypten, einige Syrien, die meisten sind nach Ostindien bestimmt. Man unterläßt nichts, diesen letzteren die Durchreise so angenehm als möglich zu machen. Hr. Waghorn übernimmt gegen eine billige Provision sie und ihr Gepäck bis Suez, liefert ihnen Alles, was sie gebrauchen zur Wasser- und Landreise; Boote von Pferden gezogen bringen sie auf dem Canal nach dem Nil, wo sie sich auf großen Barken nach Kairo einschiffen. Auf Dromedaren oder auf Sesseln von Esel getragen, durchziehen sie die Wüste nach Suez, und kommen zur rechten Zeit daselbst an, um mit den Dampfbooten nach Bombay abzugehen. – Die Wasserfahrt auf dem Nil nach Kairo ist noch etwas unangenehm, bald werden aber Dampfboote die Barken ersetzen; der Pascha hat bereits einigen englischen Kaufleuten ein Privilegium dafür ertheilt. – Wer seine Zeit in London recht wählt, kann darauf rechnen, über Marseille den 40sten Tag in Bombay anzulangen.
* Alexandria, 17 Dec. Der Ramazan ist glücklich und ziemlich ruhig abgelaufen. In Syrien nehmen die Unruhen einen immer ernstern Charakter an; die Steuern können nur mit bewaffneter Hand erhoben werden. Ibrahim Pascha wollte die drei in Damaskus stationirenden Regimenter nach Marasch verlegen, mußte aber von seinem Vorhaben abgehen; denn kaum hatte das Militär das Weichbild der Stadt verlassen, als wilde Horden ihr Unwesen zu treiben begannen, und die Besatzung daher zurückkehren mußte, um die Ruhe wieder herzustellen und die Ordnung zu erhalten. – Der Schah von Persien schickt an Mehemed Ali eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken. Dieselbe ist bereits in Beyrut eingetroffen, und wird in Bälde hier erwartet. – Die vereinte ägyptisch-türkische Flotte ist in vier Linien im Hafen aufgestellt; die erste Linie bilden 1 ägyptische und 3 türkische Briggs, 1 türkische und 3 ägyptische Corvetten; die zweite: 5 türkische und 7 ägyptische Linienschiffe und 1 ägyptische Fregatte; die dritte: 5 türkische und 4 ägyptische Linienschiffe, 1 türkische und 1 ägyptische Fregatte; die vierte: 11 türkische und 3 ägyptische Fregatten. Außerhalb der Linie stehen 2 ägyptische Kutter und drei Dampfschiffe. Im Ganzen zählt die ägyptische Flotte 20, die türkische 24 Kriegsschiffe. Außerdem hat Aegypten im Arsenale 2 Briggs und 1 Corvette, und an der syrischen Küste 1 Corvette und 3 Briggs.
*** Alexandria, 23 Dec. Ich theile Ihnen nachstehend das Wichtigste aus den gestern aus Bombay angekommenen Blättern und Briefen mit. Die Nachrichten aus China werden in England Sensation machen. Hier haben wir nur wenig Neues, Politisches gar nichts. Die türkische Flotte bleibt ruhig im Hafen. Aus Syrien nichts Besonderes. Der Pascha benutzt die Zeit, um seine Schulden abzutragen. Die Lieferanten sind beinahe saldirt, seine hiesigen Beamten, Matrosen und Soldaten haben auch Geld erhalten; nur in Syrien und dem Hedschas schuldet er noch viel, indessen hat er bedeutende Ernten von Reis und Baumwolle, die in einigen Monaten disponibel seyn werden. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß wenn einmal Mehemed Ali sich eines Theils seiner ungeheuern Kriegsmacht entledigen kann, seine Finanzen sich bald wieder in einem guten Zustande befinden werden. – Dieser Tage kam mit einem türkischen Dampfboot Kiamil Pascha von Konstantinopel hier an; er überbringt den Hattischerif; derselbe ist indessen bis jetzt noch nicht verlesen worden, und wird es wohl auch nicht werden; es wäre zu lächerlich in diesem Lande. Man sagt, daß Kiamil Pascha nicht allein Ueberbringer des Hattischerif sey, sondern daß er noch andere Aufträge für den Pascha habe; dieß sind jedoch bloße Vermuthungen. Man glaubt, daß er dieser Tage Kairo besuchen werde.
Ostindien und Afghanistan.
* Bombay, 26 Nov. (Mit der neuesten Alexandrinischen Post angekommen.) Die englischen Truppen, die nach Bengalen und Bombay zurückkehren, setzen ihren Marsch fort. Es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |