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Allgemeine Zeitung. Nr. 3. Augsburg, 3. Januar 1840.

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Wolfgang Menzel

Europa im Jahr 1840

von Wolfgang Menzel.

(Fortsetzung.)

Preußen stützt sich, wie im 6ten Abschnitt bemerkt wird, vorzüglich auf deutsche Volksthümlichkeit, sollte sich als Erbe Schwedens eigentlich an den Protestantismus anlehnen, findet nun aber in den kirchlichen Wirren seine Schwäche, setzt in seinem Landwehrsystem und seiner Gemeineverwaltung den Aufbau einer Reichsverfassung voraus, und findet seine Hauptstärke in den geschichtlichen Erinnerungen und im Zollverein. Es ist der geharnischte Ritter des Nordens, der Verfechter der deutschen Cultur, welcher von Leipzig bis Hamburg so viele Stämme verschiedenen Herkommens zu Deutschen gemacht hat. Wir heben abermals einzelne Sätze aus:

"Es ist sonderbar, daß Brandenburg in Bezug auf seine östlichen Nachbarn nie die Politik Oesterreichs befolgt hat, obgleich sie so nahe lag. Wie viel günstiger würde seine Lage seyn, wenn das erlauchte Haus Hohenzollern sich die beiden Reiche Polen und Litthauen auf dieselbe Weise verbunden hätte, wie Haus Habsburg die beiden Reiche Böhmen und Ungarn, und wenn es zugleich Livland, Kurland und Esthland die Aufmerksamkeit geschenkt hätte, die Haus Habsburg jederzeit der Lombardei und der dalmatischen Küste widmete. Die Verhältnisse sind sich sehr ähnlich; man wird versucht, zu wünschen, daß es auch die Politik möchte gewesen seyn. Allein Brandenburg erbte das System des deutschen Ordens, der bekanntlich nicht heirathen durfte, und somit wurden hier Krieg, Eroberung, Bekehrung, Assimilation des fremden Elements dem Habsburgischen System - Erheirathen und Bestehenlassen der verschiedenen Nationalitäten - vorgezogen und mußte den Umständen nach vielleicht auch vorgezogen werden; Preußen hat davon wenigstens den Vortheil, daß es die deutsche Nationalität nun mit größerer Freiheit geltend machen kann.

"Nun ist zwar Preußen weit entfernt, die deutsche Nationalität allein zu repräsentiren, und es hat vielleicht zu wenig auf die Bildung des antipreußischen Gegensatzes im übrigen Deuschland geachtet; allein wer sieht nicht ein, daß eine große Zeit der Gefahr, der gemeinsamen Noth die Reibung und Eifersüchtelei einer langen Friedensepoche vergessen machen würde?

"Dagegen ist die Macht des Glaubens keine Stütze für Preußen. Dieß ist sonderbar und allerdings bedenklich. Preußen ist der natürliche Erbe der Reformation, der erste Beschützer des Protestantismus auf dem Festland. Es hat diese bedeutungsvolle Rolle übernommen, als Sachsen sie aus Unfähigkeit und verkehrter Familienpolitik aufgab. Es wurde zugleich der Beschützer des Calvinismus, als Holland in Schwäche versank. Daß es in dieser neuen Stellung die beiden großen reformirten Parteien durch die Union verband, war natürlich und lag in den Verhältnissen. Der persönliche Wille Sr. Maj. des Königs war hier identisch mit einem welthistorischen Gesetz. Die Strenge gegen einige alte Lutheraner hätte vielleicht gemildert werden dürfen, doch ist dieß vom großen geschichtlichen Standpunkt aus Nebensache. Individuen haben dabei gelitten, das Ganze hat dabei gewonnen. - Während aber Preußen der protestantischen Völkermasse mehr äußere Einheit gegeben hat, ist es weniger aufmerksam darauf gewesen, auch ihre innere Einheit zu fördern. Eine Uniformirung der Gedanken und Gefühle meinen wir damit nicht. Sie würde innerhalb einer gebildeten Bevölkerung des Zweckes verfehlen und widerstreitet überdieß dem protestantischen Princip der freien Forschung. Allein der einen oder andern Erscheinung im freien Gebiete des Glaubens und Denkens hätte sich die Regierung ihrerseits vielleicht weniger annehmen, die Sache lieber sich selbst überlassen sollen....

"Das politische Princip dürfte eben so wenig zu den Machtquellen Preußens zu rechnen seyn. Es steht auf der Seite dieses Princips erst in dritter Linie und hat weniger Vortheil davon als Oesterreich, noch weit weniger als Rußland. Von außen erweckt es sich dadurch offenbar keine Freunde, die nicht noch innigere Freunde Oesterreichs oder Rußlands wären, wohl aber nährt es dadurch gerade da Antipathien, wo es der Sympathien am meisten bedarf und wo sie ihm auch in jeder andern Beziehung gerne entgegenkommen. Es mag zu den Paradoxien gehören, die man in der vorliegenden Schrift zu finden glauben wird (obgleich es keine sind), wenn wir die Vermuthung äußern, Preußen würde als constitutioneller Staat, an der Spitze aller deutschen constitutionellen Staaten, denselben nicht bloß durch Interessen, sondern auch durch das Princip verbunden, eine ungleich festere und mächtigere Stellung einnehmen, als die ist, die es unter den absolutistischen Staaten neben Rußland und Oesterreich erst in dritter Linie einnimmt. Indeß wollen wir diesen für jetzt gewiß müßigen Gedanken nicht weiter verfolgen und nur darauf aufmerksam machen, daß das Landwehrsystem und die Gemeindeverwaltung in Preußen Institute sind, die entweder für alle Zukunft einen von der allgemeinen Liebe des Volks getragenen Regenten oder den Aufbau einer Reichsverfassung voraussetzen.

"Die Macht der materiellen Interessen ist, wie die der Nationalität, Preußens festeste und sicherste Stütze. Die Gründung des Zollvereins und das glorreiche Jahr 1813 sind die Glanzpunkte in der langen und denkwürdigen Regierung des Königs. Beide haben bewiesen, was Preußen mit Deutschland, was Deutschland mit Preußen ist und vermag. In beiden so einfachen, Jedermann verständlichen Ereignissen ist der Codex der Lehren für die Zukunft enthalten.

"Schmerzlich fällt es auf, daß das System, welches der Zollverein begründete, da es eigentlich schon in der deutschen Bundesacte verheißen war, nicht früher angenommen, nicht besser vorbereitet wurde. Wie viel ist durch die Abtretung Ostfrieslands an Hannover versäumt worden! Man hat sich um die Nordseeufer gebracht, die man jetzt um so hohen Preis suchen muß. Indeß soll man nicht rückwärts blicken, um Stoff zu nutzlosen Vorwürfen zu sammeln, sondern um sich Erfahrungen zu Nutze zu machen, und wohl uns, daß die Aussicht in die Zukunft besser ist! Auch darf man auf den Anschluß Hannovers an den Zollverein endlich mehr als bisher hoffen....

"Die Allianz Preußens mit Rußland ist immer von Zeit zu Zeit durch eine Preußen feindliche und schädliche Allianz Rußlands mit andern Mächten unterbrochen worden. Zuerst alliirte sich Preußen mit Rußland gegen Schweden, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Rußland gewann dadurch Livland, bald darauf Kurland; Preußen hatte nur geringen Vortheil davon. Kaum aber hatte sich die russische Macht in Livland festgesetzt, so suchte sie alsobald weiter vorzugreifen und sich auch des Königreichs Preußen zu bemächtigen. Die frühere

Wolfgang Menzel

Europa im Jahr 1840

von Wolfgang Menzel.

(Fortsetzung.)

Preußen stützt sich, wie im 6ten Abschnitt bemerkt wird, vorzüglich auf deutsche Volksthümlichkeit, sollte sich als Erbe Schwedens eigentlich an den Protestantismus anlehnen, findet nun aber in den kirchlichen Wirren seine Schwäche, setzt in seinem Landwehrsystem und seiner Gemeineverwaltung den Aufbau einer Reichsverfassung voraus, und findet seine Hauptstärke in den geschichtlichen Erinnerungen und im Zollverein. Es ist der geharnischte Ritter des Nordens, der Verfechter der deutschen Cultur, welcher von Leipzig bis Hamburg so viele Stämme verschiedenen Herkommens zu Deutschen gemacht hat. Wir heben abermals einzelne Sätze aus:

„Es ist sonderbar, daß Brandenburg in Bezug auf seine östlichen Nachbarn nie die Politik Oesterreichs befolgt hat, obgleich sie so nahe lag. Wie viel günstiger würde seine Lage seyn, wenn das erlauchte Haus Hohenzollern sich die beiden Reiche Polen und Litthauen auf dieselbe Weise verbunden hätte, wie Haus Habsburg die beiden Reiche Böhmen und Ungarn, und wenn es zugleich Livland, Kurland und Esthland die Aufmerksamkeit geschenkt hätte, die Haus Habsburg jederzeit der Lombardei und der dalmatischen Küste widmete. Die Verhältnisse sind sich sehr ähnlich; man wird versucht, zu wünschen, daß es auch die Politik möchte gewesen seyn. Allein Brandenburg erbte das System des deutschen Ordens, der bekanntlich nicht heirathen durfte, und somit wurden hier Krieg, Eroberung, Bekehrung, Assimilation des fremden Elements dem Habsburgischen System – Erheirathen und Bestehenlassen der verschiedenen Nationalitäten – vorgezogen und mußte den Umständen nach vielleicht auch vorgezogen werden; Preußen hat davon wenigstens den Vortheil, daß es die deutsche Nationalität nun mit größerer Freiheit geltend machen kann.

„Nun ist zwar Preußen weit entfernt, die deutsche Nationalität allein zu repräsentiren, und es hat vielleicht zu wenig auf die Bildung des antipreußischen Gegensatzes im übrigen Deuschland geachtet; allein wer sieht nicht ein, daß eine große Zeit der Gefahr, der gemeinsamen Noth die Reibung und Eifersüchtelei einer langen Friedensepoche vergessen machen würde?

„Dagegen ist die Macht des Glaubens keine Stütze für Preußen. Dieß ist sonderbar und allerdings bedenklich. Preußen ist der natürliche Erbe der Reformation, der erste Beschützer des Protestantismus auf dem Festland. Es hat diese bedeutungsvolle Rolle übernommen, als Sachsen sie aus Unfähigkeit und verkehrter Familienpolitik aufgab. Es wurde zugleich der Beschützer des Calvinismus, als Holland in Schwäche versank. Daß es in dieser neuen Stellung die beiden großen reformirten Parteien durch die Union verband, war natürlich und lag in den Verhältnissen. Der persönliche Wille Sr. Maj. des Königs war hier identisch mit einem welthistorischen Gesetz. Die Strenge gegen einige alte Lutheraner hätte vielleicht gemildert werden dürfen, doch ist dieß vom großen geschichtlichen Standpunkt aus Nebensache. Individuen haben dabei gelitten, das Ganze hat dabei gewonnen. – Während aber Preußen der protestantischen Völkermasse mehr äußere Einheit gegeben hat, ist es weniger aufmerksam darauf gewesen, auch ihre innere Einheit zu fördern. Eine Uniformirung der Gedanken und Gefühle meinen wir damit nicht. Sie würde innerhalb einer gebildeten Bevölkerung des Zweckes verfehlen und widerstreitet überdieß dem protestantischen Princip der freien Forschung. Allein der einen oder andern Erscheinung im freien Gebiete des Glaubens und Denkens hätte sich die Regierung ihrerseits vielleicht weniger annehmen, die Sache lieber sich selbst überlassen sollen....

„Das politische Princip dürfte eben so wenig zu den Machtquellen Preußens zu rechnen seyn. Es steht auf der Seite dieses Princips erst in dritter Linie und hat weniger Vortheil davon als Oesterreich, noch weit weniger als Rußland. Von außen erweckt es sich dadurch offenbar keine Freunde, die nicht noch innigere Freunde Oesterreichs oder Rußlands wären, wohl aber nährt es dadurch gerade da Antipathien, wo es der Sympathien am meisten bedarf und wo sie ihm auch in jeder andern Beziehung gerne entgegenkommen. Es mag zu den Paradoxien gehören, die man in der vorliegenden Schrift zu finden glauben wird (obgleich es keine sind), wenn wir die Vermuthung äußern, Preußen würde als constitutioneller Staat, an der Spitze aller deutschen constitutionellen Staaten, denselben nicht bloß durch Interessen, sondern auch durch das Princip verbunden, eine ungleich festere und mächtigere Stellung einnehmen, als die ist, die es unter den absolutistischen Staaten neben Rußland und Oesterreich erst in dritter Linie einnimmt. Indeß wollen wir diesen für jetzt gewiß müßigen Gedanken nicht weiter verfolgen und nur darauf aufmerksam machen, daß das Landwehrsystem und die Gemeindeverwaltung in Preußen Institute sind, die entweder für alle Zukunft einen von der allgemeinen Liebe des Volks getragenen Regenten oder den Aufbau einer Reichsverfassung voraussetzen.

„Die Macht der materiellen Interessen ist, wie die der Nationalität, Preußens festeste und sicherste Stütze. Die Gründung des Zollvereins und das glorreiche Jahr 1813 sind die Glanzpunkte in der langen und denkwürdigen Regierung des Königs. Beide haben bewiesen, was Preußen mit Deutschland, was Deutschland mit Preußen ist und vermag. In beiden so einfachen, Jedermann verständlichen Ereignissen ist der Codex der Lehren für die Zukunft enthalten.

„Schmerzlich fällt es auf, daß das System, welches der Zollverein begründete, da es eigentlich schon in der deutschen Bundesacte verheißen war, nicht früher angenommen, nicht besser vorbereitet wurde. Wie viel ist durch die Abtretung Ostfrieslands an Hannover versäumt worden! Man hat sich um die Nordseeufer gebracht, die man jetzt um so hohen Preis suchen muß. Indeß soll man nicht rückwärts blicken, um Stoff zu nutzlosen Vorwürfen zu sammeln, sondern um sich Erfahrungen zu Nutze zu machen, und wohl uns, daß die Aussicht in die Zukunft besser ist! Auch darf man auf den Anschluß Hannovers an den Zollverein endlich mehr als bisher hoffen....

„Die Allianz Preußens mit Rußland ist immer von Zeit zu Zeit durch eine Preußen feindliche und schädliche Allianz Rußlands mit andern Mächten unterbrochen worden. Zuerst alliirte sich Preußen mit Rußland gegen Schweden, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Rußland gewann dadurch Livland, bald darauf Kurland; Preußen hatte nur geringen Vortheil davon. Kaum aber hatte sich die russische Macht in Livland festgesetzt, so suchte sie alsobald weiter vorzugreifen und sich auch des Königreichs Preußen zu bemächtigen. Die frühere

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[0017/0009] Wolfgang Menzel Europa im Jahr 1840 von Wolfgang Menzel. (Fortsetzung.) Preußen stützt sich, wie im 6ten Abschnitt bemerkt wird, vorzüglich auf deutsche Volksthümlichkeit, sollte sich als Erbe Schwedens eigentlich an den Protestantismus anlehnen, findet nun aber in den kirchlichen Wirren seine Schwäche, setzt in seinem Landwehrsystem und seiner Gemeineverwaltung den Aufbau einer Reichsverfassung voraus, und findet seine Hauptstärke in den geschichtlichen Erinnerungen und im Zollverein. Es ist der geharnischte Ritter des Nordens, der Verfechter der deutschen Cultur, welcher von Leipzig bis Hamburg so viele Stämme verschiedenen Herkommens zu Deutschen gemacht hat. Wir heben abermals einzelne Sätze aus: „Es ist sonderbar, daß Brandenburg in Bezug auf seine östlichen Nachbarn nie die Politik Oesterreichs befolgt hat, obgleich sie so nahe lag. Wie viel günstiger würde seine Lage seyn, wenn das erlauchte Haus Hohenzollern sich die beiden Reiche Polen und Litthauen auf dieselbe Weise verbunden hätte, wie Haus Habsburg die beiden Reiche Böhmen und Ungarn, und wenn es zugleich Livland, Kurland und Esthland die Aufmerksamkeit geschenkt hätte, die Haus Habsburg jederzeit der Lombardei und der dalmatischen Küste widmete. Die Verhältnisse sind sich sehr ähnlich; man wird versucht, zu wünschen, daß es auch die Politik möchte gewesen seyn. Allein Brandenburg erbte das System des deutschen Ordens, der bekanntlich nicht heirathen durfte, und somit wurden hier Krieg, Eroberung, Bekehrung, Assimilation des fremden Elements dem Habsburgischen System – Erheirathen und Bestehenlassen der verschiedenen Nationalitäten – vorgezogen und mußte den Umständen nach vielleicht auch vorgezogen werden; Preußen hat davon wenigstens den Vortheil, daß es die deutsche Nationalität nun mit größerer Freiheit geltend machen kann. „Nun ist zwar Preußen weit entfernt, die deutsche Nationalität allein zu repräsentiren, und es hat vielleicht zu wenig auf die Bildung des antipreußischen Gegensatzes im übrigen Deuschland geachtet; allein wer sieht nicht ein, daß eine große Zeit der Gefahr, der gemeinsamen Noth die Reibung und Eifersüchtelei einer langen Friedensepoche vergessen machen würde? „Dagegen ist die Macht des Glaubens keine Stütze für Preußen. Dieß ist sonderbar und allerdings bedenklich. Preußen ist der natürliche Erbe der Reformation, der erste Beschützer des Protestantismus auf dem Festland. Es hat diese bedeutungsvolle Rolle übernommen, als Sachsen sie aus Unfähigkeit und verkehrter Familienpolitik aufgab. Es wurde zugleich der Beschützer des Calvinismus, als Holland in Schwäche versank. Daß es in dieser neuen Stellung die beiden großen reformirten Parteien durch die Union verband, war natürlich und lag in den Verhältnissen. Der persönliche Wille Sr. Maj. des Königs war hier identisch mit einem welthistorischen Gesetz. Die Strenge gegen einige alte Lutheraner hätte vielleicht gemildert werden dürfen, doch ist dieß vom großen geschichtlichen Standpunkt aus Nebensache. Individuen haben dabei gelitten, das Ganze hat dabei gewonnen. – Während aber Preußen der protestantischen Völkermasse mehr äußere Einheit gegeben hat, ist es weniger aufmerksam darauf gewesen, auch ihre innere Einheit zu fördern. Eine Uniformirung der Gedanken und Gefühle meinen wir damit nicht. Sie würde innerhalb einer gebildeten Bevölkerung des Zweckes verfehlen und widerstreitet überdieß dem protestantischen Princip der freien Forschung. Allein der einen oder andern Erscheinung im freien Gebiete des Glaubens und Denkens hätte sich die Regierung ihrerseits vielleicht weniger annehmen, die Sache lieber sich selbst überlassen sollen.... „Das politische Princip dürfte eben so wenig zu den Machtquellen Preußens zu rechnen seyn. Es steht auf der Seite dieses Princips erst in dritter Linie und hat weniger Vortheil davon als Oesterreich, noch weit weniger als Rußland. Von außen erweckt es sich dadurch offenbar keine Freunde, die nicht noch innigere Freunde Oesterreichs oder Rußlands wären, wohl aber nährt es dadurch gerade da Antipathien, wo es der Sympathien am meisten bedarf und wo sie ihm auch in jeder andern Beziehung gerne entgegenkommen. Es mag zu den Paradoxien gehören, die man in der vorliegenden Schrift zu finden glauben wird (obgleich es keine sind), wenn wir die Vermuthung äußern, Preußen würde als constitutioneller Staat, an der Spitze aller deutschen constitutionellen Staaten, denselben nicht bloß durch Interessen, sondern auch durch das Princip verbunden, eine ungleich festere und mächtigere Stellung einnehmen, als die ist, die es unter den absolutistischen Staaten neben Rußland und Oesterreich erst in dritter Linie einnimmt. Indeß wollen wir diesen für jetzt gewiß müßigen Gedanken nicht weiter verfolgen und nur darauf aufmerksam machen, daß das Landwehrsystem und die Gemeindeverwaltung in Preußen Institute sind, die entweder für alle Zukunft einen von der allgemeinen Liebe des Volks getragenen Regenten oder den Aufbau einer Reichsverfassung voraussetzen. „Die Macht der materiellen Interessen ist, wie die der Nationalität, Preußens festeste und sicherste Stütze. Die Gründung des Zollvereins und das glorreiche Jahr 1813 sind die Glanzpunkte in der langen und denkwürdigen Regierung des Königs. Beide haben bewiesen, was Preußen mit Deutschland, was Deutschland mit Preußen ist und vermag. In beiden so einfachen, Jedermann verständlichen Ereignissen ist der Codex der Lehren für die Zukunft enthalten. „Schmerzlich fällt es auf, daß das System, welches der Zollverein begründete, da es eigentlich schon in der deutschen Bundesacte verheißen war, nicht früher angenommen, nicht besser vorbereitet wurde. Wie viel ist durch die Abtretung Ostfrieslands an Hannover versäumt worden! Man hat sich um die Nordseeufer gebracht, die man jetzt um so hohen Preis suchen muß. Indeß soll man nicht rückwärts blicken, um Stoff zu nutzlosen Vorwürfen zu sammeln, sondern um sich Erfahrungen zu Nutze zu machen, und wohl uns, daß die Aussicht in die Zukunft besser ist! Auch darf man auf den Anschluß Hannovers an den Zollverein endlich mehr als bisher hoffen.... „Die Allianz Preußens mit Rußland ist immer von Zeit zu Zeit durch eine Preußen feindliche und schädliche Allianz Rußlands mit andern Mächten unterbrochen worden. Zuerst alliirte sich Preußen mit Rußland gegen Schweden, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Rußland gewann dadurch Livland, bald darauf Kurland; Preußen hatte nur geringen Vortheil davon. Kaum aber hatte sich die russische Macht in Livland festgesetzt, so suchte sie alsobald weiter vorzugreifen und sich auch des Königreichs Preußen zu bemächtigen. Die frühere

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 3. Augsburg, 3. Januar 1840, S. 0017. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_003_18400103/9>, abgerufen am 13.10.2024.