Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

bis zum Abend in fester Ordnung sich hielt; denn die Knechte und Mägde, durch das Beispiel der Kinder belehrt, waren ebenfalls voll Gehorsam und Pflichterfüllung, und wer aus dem Rautenkranze sich anders wohin verdingte, konnte bei gutem Lobe zehn Dienste in einer Stunde haben. Nie hörte man einen Zank im Hause, willfährig geschah die Handreichung von Einem zum Andern, der Pflichtenkreis eines Jeden war fest abgemessen, es konnte Niemand aus seiner Bahn abirren; auch wenn noch so viel Gäste da waren, bemerkte man nie eine Hast, nie aber auch war Unthätigkeit.

Fränz hätte wohl kein besseres Haus finden können, um die Wirthschaftlichkeit im größeren Maßstabe zu erlernen, und so erschien es ihr auch Anfangs; der gediegene Halt und die stetige Ordnung des Hauses nöthigte ihr da eine hohe Achtung und willfährige Unterordnung ab; ja sie griff um so freudiger zu, wenn sie daran dachte, wie daheim bei den wenigen Menschen Alles so kunterbunt durcheinander ging, daß man oft nicht wußte, wann Mittag und wann Abend ist. Nach und nach fühlte sich aber Fränz wiederum beängstigt und gefesselt von dieser Hausordnung; spät schlafen gehen und früh aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und nie eine Lustbarkeit, ja kaum vor die Thüre kommen, dazu war sie nicht nach der Stadt gegangen; sie lebte ja hier fast wie eine Magd. Sie versuchte es, die Töchter und die Mägde zur Widerspenstigkeit aufzuhetzen, aber sie fand kein Gehör, und die Rautenwirthin hatte ein scharfes Auge auf sie. Fränz hatte dem Sohne des Sternenwirths von G. bald zu wissen gethan, daß sie hier sei; er kam auch mehrmals in der Dämmerung, wenn im Erbprinzen abgespeis't war, aber mit Schrecken und Ingrimm sah Fränz, daß er fast nur Augen für die älteste Tochter der Rautenwirthin hatte und sich oft stundenlang zu der Mutter setzte, die großen Gefallen an ihm zu haben schien. Nun behandelte ihn Fränz mit auffälliger Mißachtung, und sie verstand es bald mit dem ältesten Haussohn, dem Metzger, einen kleinen Liebeshandel anzuzetteln.

bis zum Abend in fester Ordnung sich hielt; denn die Knechte und Mägde, durch das Beispiel der Kinder belehrt, waren ebenfalls voll Gehorsam und Pflichterfüllung, und wer aus dem Rautenkranze sich anders wohin verdingte, konnte bei gutem Lobe zehn Dienste in einer Stunde haben. Nie hörte man einen Zank im Hause, willfährig geschah die Handreichung von Einem zum Andern, der Pflichtenkreis eines Jeden war fest abgemessen, es konnte Niemand aus seiner Bahn abirren; auch wenn noch so viel Gäste da waren, bemerkte man nie eine Hast, nie aber auch war Unthätigkeit.

Fränz hätte wohl kein besseres Haus finden können, um die Wirthschaftlichkeit im größeren Maßstabe zu erlernen, und so erschien es ihr auch Anfangs; der gediegene Halt und die stetige Ordnung des Hauses nöthigte ihr da eine hohe Achtung und willfährige Unterordnung ab; ja sie griff um so freudiger zu, wenn sie daran dachte, wie daheim bei den wenigen Menschen Alles so kunterbunt durcheinander ging, daß man oft nicht wußte, wann Mittag und wann Abend ist. Nach und nach fühlte sich aber Fränz wiederum beängstigt und gefesselt von dieser Hausordnung; spät schlafen gehen und früh aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und nie eine Lustbarkeit, ja kaum vor die Thüre kommen, dazu war sie nicht nach der Stadt gegangen; sie lebte ja hier fast wie eine Magd. Sie versuchte es, die Töchter und die Mägde zur Widerspenstigkeit aufzuhetzen, aber sie fand kein Gehör, und die Rautenwirthin hatte ein scharfes Auge auf sie. Fränz hatte dem Sohne des Sternenwirths von G. bald zu wissen gethan, daß sie hier sei; er kam auch mehrmals in der Dämmerung, wenn im Erbprinzen abgespeis't war, aber mit Schrecken und Ingrimm sah Fränz, daß er fast nur Augen für die älteste Tochter der Rautenwirthin hatte und sich oft stundenlang zu der Mutter setzte, die großen Gefallen an ihm zu haben schien. Nun behandelte ihn Fränz mit auffälliger Mißachtung, und sie verstand es bald mit dem ältesten Haussohn, dem Metzger, einen kleinen Liebeshandel anzuzetteln.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="14">
        <p><pb facs="#f0097"/>
bis zum Abend in fester Ordnung sich hielt; denn die                Knechte und Mägde, durch das Beispiel der Kinder belehrt, waren ebenfalls voll                Gehorsam und Pflichterfüllung, und wer aus dem Rautenkranze sich anders wohin                verdingte, konnte bei gutem Lobe zehn Dienste in einer Stunde haben. Nie hörte man                einen Zank im Hause, willfährig geschah die Handreichung von Einem zum Andern, der                Pflichtenkreis eines Jeden war fest abgemessen, es konnte Niemand aus seiner Bahn                abirren; auch wenn noch so viel Gäste da waren, bemerkte man nie eine Hast, nie aber                auch war Unthätigkeit.</p><lb/>
        <p>Fränz hätte wohl kein besseres Haus finden können, um die Wirthschaftlichkeit im                größeren Maßstabe zu erlernen, und so erschien es ihr auch Anfangs; der gediegene                Halt und die stetige Ordnung des Hauses nöthigte ihr da eine hohe Achtung und                willfährige Unterordnung ab; ja sie griff um so freudiger zu, wenn sie daran dachte,                wie daheim bei den wenigen Menschen Alles so kunterbunt durcheinander ging, daß man                oft nicht wußte, wann Mittag und wann Abend ist. Nach und nach fühlte sich aber Fränz                wiederum beängstigt und gefesselt von dieser Hausordnung; spät schlafen gehen und                früh aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und nie eine Lustbarkeit, ja kaum vor die                Thüre kommen, dazu war sie nicht nach der Stadt gegangen; sie lebte ja hier fast wie                eine Magd. Sie versuchte es, die Töchter und die Mägde zur Widerspenstigkeit                aufzuhetzen, aber sie fand kein Gehör, und die Rautenwirthin hatte ein scharfes Auge                auf sie. Fränz hatte dem Sohne des Sternenwirths von G. bald zu wissen gethan, daß                sie hier sei; er kam auch mehrmals in der Dämmerung, wenn im Erbprinzen abgespeis't                war, aber mit Schrecken und Ingrimm sah Fränz, daß er fast nur Augen für die älteste                Tochter der Rautenwirthin hatte und sich oft stundenlang zu der Mutter setzte, die                großen Gefallen an ihm zu haben schien. Nun behandelte ihn Fränz mit auffälliger                Mißachtung, und sie verstand es bald mit dem ältesten Haussohn, dem Metzger, einen                kleinen Liebeshandel anzuzetteln.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0097] bis zum Abend in fester Ordnung sich hielt; denn die Knechte und Mägde, durch das Beispiel der Kinder belehrt, waren ebenfalls voll Gehorsam und Pflichterfüllung, und wer aus dem Rautenkranze sich anders wohin verdingte, konnte bei gutem Lobe zehn Dienste in einer Stunde haben. Nie hörte man einen Zank im Hause, willfährig geschah die Handreichung von Einem zum Andern, der Pflichtenkreis eines Jeden war fest abgemessen, es konnte Niemand aus seiner Bahn abirren; auch wenn noch so viel Gäste da waren, bemerkte man nie eine Hast, nie aber auch war Unthätigkeit. Fränz hätte wohl kein besseres Haus finden können, um die Wirthschaftlichkeit im größeren Maßstabe zu erlernen, und so erschien es ihr auch Anfangs; der gediegene Halt und die stetige Ordnung des Hauses nöthigte ihr da eine hohe Achtung und willfährige Unterordnung ab; ja sie griff um so freudiger zu, wenn sie daran dachte, wie daheim bei den wenigen Menschen Alles so kunterbunt durcheinander ging, daß man oft nicht wußte, wann Mittag und wann Abend ist. Nach und nach fühlte sich aber Fränz wiederum beängstigt und gefesselt von dieser Hausordnung; spät schlafen gehen und früh aufstehen, den ganzen Tag arbeiten und nie eine Lustbarkeit, ja kaum vor die Thüre kommen, dazu war sie nicht nach der Stadt gegangen; sie lebte ja hier fast wie eine Magd. Sie versuchte es, die Töchter und die Mägde zur Widerspenstigkeit aufzuhetzen, aber sie fand kein Gehör, und die Rautenwirthin hatte ein scharfes Auge auf sie. Fränz hatte dem Sohne des Sternenwirths von G. bald zu wissen gethan, daß sie hier sei; er kam auch mehrmals in der Dämmerung, wenn im Erbprinzen abgespeis't war, aber mit Schrecken und Ingrimm sah Fränz, daß er fast nur Augen für die älteste Tochter der Rautenwirthin hatte und sich oft stundenlang zu der Mutter setzte, die großen Gefallen an ihm zu haben schien. Nun behandelte ihn Fränz mit auffälliger Mißachtung, und sie verstand es bald mit dem ältesten Haussohn, dem Metzger, einen kleinen Liebeshandel anzuzetteln.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/97
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/97>, abgerufen am 27.11.2024.