Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Das geht nicht, das könnt' den Leuten verdächtig vorkommen, es muß Alles bleiben, wie es ist. Ich sag's dir's noch einmal, es muß Alles bleiben, wie es ist. So schloß Diethelm und ging nach dem Hause. Hinter ihm drein aber streckte Medard die Zunge heraus und fluchte vor sich hin: Du verdammter Scheinheiliger, wart', du Waisenpflegerle, popple du nur die ganze Welt an und thu, wie wenn du kein Thierle beleidigen könntest, dich hab' ich; ich halt' dich am Strick um den Hals, du sollst mir's theuer bezahlen, daß du die unschuldigen Schafe verbrennst, du sollst mir nimmer Mäh machen und nicht mucksen, wenn ich dich anguck'. -- In der Seele dieses Menschen, bereit zum Verbrechen, empörte sich noch das Mitgefühl für die Thiere, die er jahraus jahrein hütete, und dieses Mitgefühl verwandelte sich in neuen giftigen Haß gegen Diethelm, und dieser war ihm so erlabend, daß er sich auf die Vollführung der That wie auf eine Lustbarkeit freute. Diethelm aber, der nach dem Hause ging, lächelte vor sich hin; die Messingschrauben wurden zu sichern Handhaben gegen Medard. Die Zerstörung der Feuerspritze, das war eine That, mit der er Medard gefangen halten konnte, er selber konnte jede Betheiligung leugnen, er konnte mindestens damit drohen, und wenn die Sache heraus kam, so wälzte dieser Vorgang allen Verdacht auf Medard. Es galt nun, behutsam in dem Mitwissen des Waldhornwirths und vielleicht bei einem Andern festzustellen, daß und wie Medard beim Ueberheben der Spritze auf den Schlitten geholfen habe, und dann mußte Diethelm unter der Hand merken lassen, daß er mit Medard unzufrieden sei, und ihn aus dem Haus thun wolle. Aber alles nur fein behutsam. Du meinst, du hast mich, und ich hab' dich im Sack, sprach Diethelm in sich hinein, und freute sich seiner klugen Benutzung der Umstände. So hegten diese beiden Menschen, die so einig schienen, im Innersten den tiefsten Haß gegen einander, und während sie noch gemeinsam die That zu voll- Das geht nicht, das könnt' den Leuten verdächtig vorkommen, es muß Alles bleiben, wie es ist. Ich sag's dir's noch einmal, es muß Alles bleiben, wie es ist. So schloß Diethelm und ging nach dem Hause. Hinter ihm drein aber streckte Medard die Zunge heraus und fluchte vor sich hin: Du verdammter Scheinheiliger, wart', du Waisenpflegerle, popple du nur die ganze Welt an und thu, wie wenn du kein Thierle beleidigen könntest, dich hab' ich; ich halt' dich am Strick um den Hals, du sollst mir's theuer bezahlen, daß du die unschuldigen Schafe verbrennst, du sollst mir nimmer Mäh machen und nicht mucksen, wenn ich dich anguck'. — In der Seele dieses Menschen, bereit zum Verbrechen, empörte sich noch das Mitgefühl für die Thiere, die er jahraus jahrein hütete, und dieses Mitgefühl verwandelte sich in neuen giftigen Haß gegen Diethelm, und dieser war ihm so erlabend, daß er sich auf die Vollführung der That wie auf eine Lustbarkeit freute. Diethelm aber, der nach dem Hause ging, lächelte vor sich hin; die Messingschrauben wurden zu sichern Handhaben gegen Medard. Die Zerstörung der Feuerspritze, das war eine That, mit der er Medard gefangen halten konnte, er selber konnte jede Betheiligung leugnen, er konnte mindestens damit drohen, und wenn die Sache heraus kam, so wälzte dieser Vorgang allen Verdacht auf Medard. Es galt nun, behutsam in dem Mitwissen des Waldhornwirths und vielleicht bei einem Andern festzustellen, daß und wie Medard beim Ueberheben der Spritze auf den Schlitten geholfen habe, und dann mußte Diethelm unter der Hand merken lassen, daß er mit Medard unzufrieden sei, und ihn aus dem Haus thun wolle. Aber alles nur fein behutsam. Du meinst, du hast mich, und ich hab' dich im Sack, sprach Diethelm in sich hinein, und freute sich seiner klugen Benutzung der Umstände. 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Das geht nicht, das könnt' den Leuten verdächtig vorkommen, es muß Alles bleiben, wie es ist. Ich sag's dir's noch einmal, es muß Alles bleiben, wie es ist.
So schloß Diethelm und ging nach dem Hause. Hinter ihm drein aber streckte Medard die Zunge heraus und fluchte vor sich hin: Du verdammter Scheinheiliger, wart', du Waisenpflegerle, popple du nur die ganze Welt an und thu, wie wenn du kein Thierle beleidigen könntest, dich hab' ich; ich halt' dich am Strick um den Hals, du sollst mir's theuer bezahlen, daß du die unschuldigen Schafe verbrennst, du sollst mir nimmer Mäh machen und nicht mucksen, wenn ich dich anguck'. — In der Seele dieses Menschen, bereit zum Verbrechen, empörte sich noch das Mitgefühl für die Thiere, die er jahraus jahrein hütete, und dieses Mitgefühl verwandelte sich in neuen giftigen Haß gegen Diethelm, und dieser war ihm so erlabend, daß er sich auf die Vollführung der That wie auf eine Lustbarkeit freute.
Diethelm aber, der nach dem Hause ging, lächelte vor sich hin; die Messingschrauben wurden zu sichern Handhaben gegen Medard. Die Zerstörung der Feuerspritze, das war eine That, mit der er Medard gefangen halten konnte, er selber konnte jede Betheiligung leugnen, er konnte mindestens damit drohen, und wenn die Sache heraus kam, so wälzte dieser Vorgang allen Verdacht auf Medard. Es galt nun, behutsam in dem Mitwissen des Waldhornwirths und vielleicht bei einem Andern festzustellen, daß und wie Medard beim Ueberheben der Spritze auf den Schlitten geholfen habe, und dann mußte Diethelm unter der Hand merken lassen, daß er mit Medard unzufrieden sei, und ihn aus dem Haus thun wolle. Aber alles nur fein behutsam.
Du meinst, du hast mich, und ich hab' dich im Sack, sprach Diethelm in sich hinein, und freute sich seiner klugen Benutzung der Umstände. So hegten diese beiden Menschen, die so einig schienen, im Innersten den tiefsten Haß gegen einander, und während sie noch gemeinsam die That zu voll-
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