Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bewunderung und die Schmeichelreden Aller gingen Diethelm mit dem Weine leicht ein. Als man spät in der Nacht, nicht eben sicher auf den Beinen, aufstand, machte ein Witzwort des alten Schäferle noch auf der Straße viel Gelächter, denn er hatte gesagt: Diethelm, dir schadet ein Brand (Rausch) nichts, du bist ja in der Brandversicherung. Diethelm lachte laut und wurde auf einmal nüchtern, und auf dem ganzen Heimwege verließ ihn das Wort nicht. Es war nun so hellgemuth daheim, daß Diethelm nur mit Schmerz daran dachte, auf Geschäftsreisen in der Ferne sich tummeln zu müssen. In der That kamen jetzt auch, von Reppenberger und Anderen angewiesen, mehrere Händler, besahen die Vorräthe Diethelm's, konnten aber nicht handelseins mit ihm werden; und die Mahnung, wie sehr die Wolle durch langes Lagern an Aussehen und Gewicht verliere, wies Diethelm leicht von sich, es war ihm zur Gewißheit geworden, daß der gute Schick, auf den er harrte und hoffte, nicht ausbleibe; er glaubte an ihn wie an eine Verheißung, und fast noch mehr als an eine solche. Es fiel ihm dabei gar nicht ein, rückwärts dem Urgrund dieser Zuversicht nachzuspüren, und mit einem allgemeinen Troste beschwichtigte er das Grübeln, wenn er sich ausdenken wollte, in welcher Weise denn sein zukünftiges Glück eintreten solle. Diethelm war jetzt auffallend weichmüthig und gutherzig gegen Jedermann, und faßte auch immer bessere Vorsätze für kommende Tage; und solch ein Mann, sagte er sich dann oft, solch ein Mann darf nicht untergehen, wenn noch Gerechtigkeit bei Gott und im Himmel ist. Ohne es auffällig zu machen, ging Diethelm öfters in die Kirche, und im Wirthshaus zum Waldhorn unterhielt er sich viel mit dem Pfarrer, und dieser sagte oft zu den Wirthsleuten und zu Anderen: er habe den Diethelm gar nicht so gekannt, unter seinem starkthuerischen Gebaren ruhe ein demuthvolles und gläubiges Gemüth, und dabei sei er ein guter politischer Kopf. Diethelm war kein Liberaler, er war zu sehr monarchischer Natur und dünkte sich zu er- Bewunderung und die Schmeichelreden Aller gingen Diethelm mit dem Weine leicht ein. Als man spät in der Nacht, nicht eben sicher auf den Beinen, aufstand, machte ein Witzwort des alten Schäferle noch auf der Straße viel Gelächter, denn er hatte gesagt: Diethelm, dir schadet ein Brand (Rausch) nichts, du bist ja in der Brandversicherung. Diethelm lachte laut und wurde auf einmal nüchtern, und auf dem ganzen Heimwege verließ ihn das Wort nicht. Es war nun so hellgemuth daheim, daß Diethelm nur mit Schmerz daran dachte, auf Geschäftsreisen in der Ferne sich tummeln zu müssen. In der That kamen jetzt auch, von Reppenberger und Anderen angewiesen, mehrere Händler, besahen die Vorräthe Diethelm's, konnten aber nicht handelseins mit ihm werden; und die Mahnung, wie sehr die Wolle durch langes Lagern an Aussehen und Gewicht verliere, wies Diethelm leicht von sich, es war ihm zur Gewißheit geworden, daß der gute Schick, auf den er harrte und hoffte, nicht ausbleibe; er glaubte an ihn wie an eine Verheißung, und fast noch mehr als an eine solche. Es fiel ihm dabei gar nicht ein, rückwärts dem Urgrund dieser Zuversicht nachzuspüren, und mit einem allgemeinen Troste beschwichtigte er das Grübeln, wenn er sich ausdenken wollte, in welcher Weise denn sein zukünftiges Glück eintreten solle. Diethelm war jetzt auffallend weichmüthig und gutherzig gegen Jedermann, und faßte auch immer bessere Vorsätze für kommende Tage; und solch ein Mann, sagte er sich dann oft, solch ein Mann darf nicht untergehen, wenn noch Gerechtigkeit bei Gott und im Himmel ist. Ohne es auffällig zu machen, ging Diethelm öfters in die Kirche, und im Wirthshaus zum Waldhorn unterhielt er sich viel mit dem Pfarrer, und dieser sagte oft zu den Wirthsleuten und zu Anderen: er habe den Diethelm gar nicht so gekannt, unter seinem starkthuerischen Gebaren ruhe ein demuthvolles und gläubiges Gemüth, und dabei sei er ein guter politischer Kopf. Diethelm war kein Liberaler, er war zu sehr monarchischer Natur und dünkte sich zu er- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0069"/> Bewunderung und die Schmeichelreden Aller gingen Diethelm mit dem Weine leicht ein. 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Es fiel ihm dabei gar nicht ein, rückwärts dem Urgrund dieser Zuversicht nachzuspüren, und mit einem allgemeinen Troste beschwichtigte er das Grübeln, wenn er sich ausdenken wollte, in welcher Weise denn sein zukünftiges Glück eintreten solle. Diethelm war jetzt auffallend weichmüthig und gutherzig gegen Jedermann, und faßte auch immer bessere Vorsätze für kommende Tage; und solch ein Mann, sagte er sich dann oft, solch ein Mann darf nicht untergehen, wenn noch Gerechtigkeit bei Gott und im Himmel ist. Ohne es auffällig zu machen, ging Diethelm öfters in die Kirche, und im Wirthshaus zum Waldhorn unterhielt er sich viel mit dem Pfarrer, und dieser sagte oft zu den Wirthsleuten und zu Anderen: er habe den Diethelm gar nicht so gekannt, unter seinem starkthuerischen Gebaren ruhe ein demuthvolles und gläubiges Gemüth, und dabei sei er ein guter politischer Kopf. 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Bewunderung und die Schmeichelreden Aller gingen Diethelm mit dem Weine leicht ein. Als man spät in der Nacht, nicht eben sicher auf den Beinen, aufstand, machte ein Witzwort des alten Schäferle noch auf der Straße viel Gelächter, denn er hatte gesagt: Diethelm, dir schadet ein Brand (Rausch) nichts, du bist ja in der Brandversicherung.
Diethelm lachte laut und wurde auf einmal nüchtern, und auf dem ganzen Heimwege verließ ihn das Wort nicht.
Es war nun so hellgemuth daheim, daß Diethelm nur mit Schmerz daran dachte, auf Geschäftsreisen in der Ferne sich tummeln zu müssen. In der That kamen jetzt auch, von Reppenberger und Anderen angewiesen, mehrere Händler, besahen die Vorräthe Diethelm's, konnten aber nicht handelseins mit ihm werden; und die Mahnung, wie sehr die Wolle durch langes Lagern an Aussehen und Gewicht verliere, wies Diethelm leicht von sich, es war ihm zur Gewißheit geworden, daß der gute Schick, auf den er harrte und hoffte, nicht ausbleibe; er glaubte an ihn wie an eine Verheißung, und fast noch mehr als an eine solche. Es fiel ihm dabei gar nicht ein, rückwärts dem Urgrund dieser Zuversicht nachzuspüren, und mit einem allgemeinen Troste beschwichtigte er das Grübeln, wenn er sich ausdenken wollte, in welcher Weise denn sein zukünftiges Glück eintreten solle. Diethelm war jetzt auffallend weichmüthig und gutherzig gegen Jedermann, und faßte auch immer bessere Vorsätze für kommende Tage; und solch ein Mann, sagte er sich dann oft, solch ein Mann darf nicht untergehen, wenn noch Gerechtigkeit bei Gott und im Himmel ist. Ohne es auffällig zu machen, ging Diethelm öfters in die Kirche, und im Wirthshaus zum Waldhorn unterhielt er sich viel mit dem Pfarrer, und dieser sagte oft zu den Wirthsleuten und zu Anderen: er habe den Diethelm gar nicht so gekannt, unter seinem starkthuerischen Gebaren ruhe ein demuthvolles und gläubiges Gemüth, und dabei sei er ein guter politischer Kopf. Diethelm war kein Liberaler, er war zu sehr monarchischer Natur und dünkte sich zu er-
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/69>, abgerufen am 25.07.2024. |