Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelm's Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, daß Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab. Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre bloßstellen ließ. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels, und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug, und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, daß er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu genießen, und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch ein Leben ihr geworden war, sie ließ Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude außer dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und doch strebte eigentlich im Innersten ein Jedes dem Andern zu Gefallen zu leben, und war auch viel Streit und Zank zwischen ihnen: war das eine vom andern entfernt, Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelm's Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, daß Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab. Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre bloßstellen ließ. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels, und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug, und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, daß er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu genießen, und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch ein Leben ihr geworden war, sie ließ Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude außer dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und doch strebte eigentlich im Innersten ein Jedes dem Andern zu Gefallen zu leben, und war auch viel Streit und Zank zwischen ihnen: war das eine vom andern entfernt, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <pb facs="#f0047"/> <p>Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelm's Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, daß Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab.</p><lb/> <p>Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre bloßstellen ließ. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels, und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug, und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, daß er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu genießen, und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch ein Leben ihr geworden war, sie ließ Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude außer dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und doch strebte eigentlich im Innersten ein Jedes dem Andern zu Gefallen zu leben, und war auch viel Streit und Zank zwischen ihnen: war das eine vom andern entfernt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
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Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre bloßstellen ließ. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels, und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug, und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, daß er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu genießen, und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch ein Leben ihr geworden war, sie ließ Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude außer dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und doch strebte eigentlich im Innersten ein Jedes dem Andern zu Gefallen zu leben, und war auch viel Streit und Zank zwischen ihnen: war das eine vom andern entfernt,
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