Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Herr. Erst als Munde Soldat werden mußte und der Diethelm ihn nicht loskaufte, faßte Medard einen tiefen Haß gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt. Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stieß nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus. Ich wollt', schloß der Soldat, der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt' ich die Fränz heirathen ungefragt. Büble, du bist ein Narr, rief Medard, du mußt sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nickel ist und bleibt sie; aber freilich, da drüber darf man mit dir nicht reden. Wenn ich nur wüßt', wie's mit dem Meister steht; sauber ist's nicht, das glaub mir. Und nun besprachen die Brüder das Leben des Meisters. Diethelm war ehedem ein wohlhäbiger, still arbeitsamer Bauer gewesen, er war als Knecht nach Buchenberg gekommen und hatte die reiche Wittwe, die Schwester des Schäuflerdavid's, gegen den Willen ihres Bruders und ihrer ganzen Familie geheirathet. Stolz war er von je, und selbst seine vorherrschende Tugend, die ihm einen großen Namen machte, schien davon nicht frei. Damals, als Diethelm die reiche Wittwe heirathete, lebten seine Eltern noch, aber sie, wie ihre anderen sechs Kinder, die theils dienten, theils selber Familien gegründet hatten, lebten in äußerster Dürftigkeit. Das nahm nun schnell ein Ende, denn mit reicher Hand setzte Diethelm alle seine Angehörigen in Wohlhabenheit, und Alles, was Diethelmisch hieß, stand plötzlich in Ehre und Ansehen. Hatte Diethelm im Allgemeinen eine freigebige Hand, so war dieses noch besonders für einen auffälligen Zweck. Er kleidete nämlich gern die Armen, und es war seine besondere Lust, Herr. Erst als Munde Soldat werden mußte und der Diethelm ihn nicht loskaufte, faßte Medard einen tiefen Haß gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt. Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stieß nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus. Ich wollt', schloß der Soldat, der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt' ich die Fränz heirathen ungefragt. Büble, du bist ein Narr, rief Medard, du mußt sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nickel ist und bleibt sie; aber freilich, da drüber darf man mit dir nicht reden. Wenn ich nur wüßt', wie's mit dem Meister steht; sauber ist's nicht, das glaub mir. Und nun besprachen die Brüder das Leben des Meisters. Diethelm war ehedem ein wohlhäbiger, still arbeitsamer Bauer gewesen, er war als Knecht nach Buchenberg gekommen und hatte die reiche Wittwe, die Schwester des Schäuflerdavid's, gegen den Willen ihres Bruders und ihrer ganzen Familie geheirathet. Stolz war er von je, und selbst seine vorherrschende Tugend, die ihm einen großen Namen machte, schien davon nicht frei. Damals, als Diethelm die reiche Wittwe heirathete, lebten seine Eltern noch, aber sie, wie ihre anderen sechs Kinder, die theils dienten, theils selber Familien gegründet hatten, lebten in äußerster Dürftigkeit. Das nahm nun schnell ein Ende, denn mit reicher Hand setzte Diethelm alle seine Angehörigen in Wohlhabenheit, und Alles, was Diethelmisch hieß, stand plötzlich in Ehre und Ansehen. Hatte Diethelm im Allgemeinen eine freigebige Hand, so war dieses noch besonders für einen auffälligen Zweck. Er kleidete nämlich gern die Armen, und es war seine besondere Lust, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0033"/> Herr. Erst als Munde Soldat werden mußte und der Diethelm ihn nicht loskaufte, faßte Medard einen tiefen Haß gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt.</p><lb/> <p>Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stieß nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus.</p><lb/> <p>Ich wollt', schloß der Soldat, der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt' ich die Fränz heirathen ungefragt.</p><lb/> <p>Büble, du bist ein Narr, rief Medard, du mußt sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nickel ist und bleibt sie; aber freilich, da drüber darf man mit dir nicht reden. 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Herr. Erst als Munde Soldat werden mußte und der Diethelm ihn nicht loskaufte, faßte Medard einen tiefen Haß gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt.
Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stieß nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus.
Ich wollt', schloß der Soldat, der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt' ich die Fränz heirathen ungefragt.
Büble, du bist ein Narr, rief Medard, du mußt sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nickel ist und bleibt sie; aber freilich, da drüber darf man mit dir nicht reden. Wenn ich nur wüßt', wie's mit dem Meister steht; sauber ist's nicht, das glaub mir.
Und nun besprachen die Brüder das Leben des Meisters. Diethelm war ehedem ein wohlhäbiger, still arbeitsamer Bauer gewesen, er war als Knecht nach Buchenberg gekommen und hatte die reiche Wittwe, die Schwester des Schäuflerdavid's, gegen den Willen ihres Bruders und ihrer ganzen Familie geheirathet. Stolz war er von je, und selbst seine vorherrschende Tugend, die ihm einen großen Namen machte, schien davon nicht frei. Damals, als Diethelm die reiche Wittwe heirathete, lebten seine Eltern noch, aber sie, wie ihre anderen sechs Kinder, die theils dienten, theils selber Familien gegründet hatten, lebten in äußerster Dürftigkeit. Das nahm nun schnell ein Ende, denn mit reicher Hand setzte Diethelm alle seine Angehörigen in Wohlhabenheit, und Alles, was Diethelmisch hieß, stand plötzlich in Ehre und Ansehen. Hatte Diethelm im Allgemeinen eine freigebige Hand, so war dieses noch besonders für einen auffälligen Zweck. Er kleidete nämlich gern die Armen, und es war seine besondere Lust,
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