Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien gleich mißlich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen der Geliebten, es fand sich aber noch ein Ausweg, und lächelnd sagte der Soldat:

Dank' gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein' Halbe mit Euch trink', vor der Hand hab' ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu trinken.

Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel ihm. Das gestand sich Diethelm, nicht aber, daß er sich in diesem Augenblicke selber zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz hinter der Thüre der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab, wie ein Wachposten, und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in die Herrenstube und sich auftischen lassen? Aber wer weiß, wozu das führt? Es sind viele Fälle möglich. Der Schluß blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun -- da macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens die kommenden Ereignisse abwarten.

Viertes Kapitel.

Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der Schulter

ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien gleich mißlich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen der Geliebten, es fand sich aber noch ein Ausweg, und lächelnd sagte der Soldat:

Dank' gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein' Halbe mit Euch trink', vor der Hand hab' ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu trinken.

Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel ihm. Das gestand sich Diethelm, nicht aber, daß er sich in diesem Augenblicke selber zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz hinter der Thüre der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab, wie ein Wachposten, und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in die Herrenstube und sich auftischen lassen? Aber wer weiß, wozu das führt? Es sind viele Fälle möglich. Der Schluß blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun — da macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens die kommenden Ereignisse abwarten.

Viertes Kapitel.

Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der Schulter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0025"/>
ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien                gleich mißlich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen                der Geliebten, es fand sich aber noch ein Ausweg, und lächelnd sagte der Soldat:</p><lb/>
        <p>Dank' gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein' Halbe mit Euch trink', vor der                Hand hab' ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu                trinken.</p><lb/>
        <p>Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und                stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz                er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel                ihm. Das gestand sich Diethelm, nicht aber, daß er sich in diesem Augenblicke selber                zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte                daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz                hinter der Thüre der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab, wie ein                Wachposten, und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in                die Herrenstube und sich auftischen lassen? Aber wer weiß, wozu das führt? Es sind                viele Fälle möglich. Der Schluß blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und                Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun &#x2014; da                macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens                die kommenden Ereignisse abwarten.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="4">
        <head>Viertes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch                zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der                Schulter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien gleich mißlich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen der Geliebten, es fand sich aber noch ein Ausweg, und lächelnd sagte der Soldat: Dank' gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein' Halbe mit Euch trink', vor der Hand hab' ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu trinken. Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel ihm. Das gestand sich Diethelm, nicht aber, daß er sich in diesem Augenblicke selber zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz hinter der Thüre der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab, wie ein Wachposten, und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in die Herrenstube und sich auftischen lassen? Aber wer weiß, wozu das führt? Es sind viele Fälle möglich. Der Schluß blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun — da macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens die kommenden Ereignisse abwarten. Viertes Kapitel. Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der Schulter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/25
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/25>, abgerufen am 23.11.2024.