Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wenn er manchmal einen Tag in seiner mühseligen Arbeit aussetzen wollte, kam wiederum das Frösteln über ihn, als wollte sich alles Zurückgedrängte auf Einmal geltend machen; er mußte aufs Neue wider Willen an die unscheinbare und doch so mühselige Arbeit, als hätte ein Zauber ihn darin festgebannt. Es half nichts Anderes. Da kam ein neues Ereigniß, das ihn von dieser Arbeit und seiner häuslichen Gefangenschaft befreite, ohne daß Martha zu einer Einsprache berechtigt war. Das Schwurgericht, das man in stürmischen Zeiten verheißen hatte, wurde jetzt nach Herstellung der nöthigen Bauten in der That eingesetzt. Der veränderten Zeitrichtung zufolge wurden aber die Geschwornen nicht nach allgemeinem Wahlrechte frei gewählt, sondern die Amtsversammlung, bestehend aus den meist gefügigen Schultheißen und einem Theil der Obmänner des Gemeindeausschusses, wählte einen sogenannten Siebenerausschuß, und dieser ernannte die Geschwornen aus der Zahl der Höchstbesteuerten und Nichtdemokraten. Eines Tages kam der Vetter Waldhornwirth hastig mit der Landeszeitung in der Hand und sagte zu Diethelm: Da kommet Ihr in der Zeitung, Vetter. Ich? Wie? erwiderte Diethelm sich verfärbend und nahm mit Zittern das Blatt in die Hand. Er las die Liste der Geschworenen, und als Dritter stand sein Name. Lange starrte er darauf hin und rieb sich mehrmals die Stirn, er wollte den Schreck vergessen, den er gehabt hatte, und jetzt war es ihm doch eine Freude, sich gedruckt zu lesen; er äußerte dies aber nicht, sondern sagte nur, daß er um Dispensation bitten werde, da er in seinem Anwesen noch viel zu thun habe, und daß er auch seine Frau nicht verlassen dürfe. Martha entgegnete rasch: Meinetwegen kannst du's schon annehmen, im Gegentheil, mir ist's lieb, wenn du auf ein paar Wochen fortgehst, lieber, als wenn du so all' Ritt' verschwindest, wie in den Boden gesunken. Wenn er manchmal einen Tag in seiner mühseligen Arbeit aussetzen wollte, kam wiederum das Frösteln über ihn, als wollte sich alles Zurückgedrängte auf Einmal geltend machen; er mußte aufs Neue wider Willen an die unscheinbare und doch so mühselige Arbeit, als hätte ein Zauber ihn darin festgebannt. Es half nichts Anderes. Da kam ein neues Ereigniß, das ihn von dieser Arbeit und seiner häuslichen Gefangenschaft befreite, ohne daß Martha zu einer Einsprache berechtigt war. Das Schwurgericht, das man in stürmischen Zeiten verheißen hatte, wurde jetzt nach Herstellung der nöthigen Bauten in der That eingesetzt. Der veränderten Zeitrichtung zufolge wurden aber die Geschwornen nicht nach allgemeinem Wahlrechte frei gewählt, sondern die Amtsversammlung, bestehend aus den meist gefügigen Schultheißen und einem Theil der Obmänner des Gemeindeausschusses, wählte einen sogenannten Siebenerausschuß, und dieser ernannte die Geschwornen aus der Zahl der Höchstbesteuerten und Nichtdemokraten. Eines Tages kam der Vetter Waldhornwirth hastig mit der Landeszeitung in der Hand und sagte zu Diethelm: Da kommet Ihr in der Zeitung, Vetter. Ich? Wie? erwiderte Diethelm sich verfärbend und nahm mit Zittern das Blatt in die Hand. Er las die Liste der Geschworenen, und als Dritter stand sein Name. Lange starrte er darauf hin und rieb sich mehrmals die Stirn, er wollte den Schreck vergessen, den er gehabt hatte, und jetzt war es ihm doch eine Freude, sich gedruckt zu lesen; er äußerte dies aber nicht, sondern sagte nur, daß er um Dispensation bitten werde, da er in seinem Anwesen noch viel zu thun habe, und daß er auch seine Frau nicht verlassen dürfe. Martha entgegnete rasch: Meinetwegen kannst du's schon annehmen, im Gegentheil, mir ist's lieb, wenn du auf ein paar Wochen fortgehst, lieber, als wenn du so all' Ritt' verschwindest, wie in den Boden gesunken. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="27"> <pb facs="#f0200"/> <p>Wenn er manchmal einen Tag in seiner mühseligen Arbeit aussetzen wollte, kam wiederum das Frösteln über ihn, als wollte sich alles Zurückgedrängte auf Einmal geltend machen; er mußte aufs Neue wider Willen an die unscheinbare und doch so mühselige Arbeit, als hätte ein Zauber ihn darin festgebannt. 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Da kam ein neues Ereigniß, das ihn von dieser Arbeit und seiner häuslichen Gefangenschaft befreite, ohne daß Martha zu einer Einsprache berechtigt war.
Das Schwurgericht, das man in stürmischen Zeiten verheißen hatte, wurde jetzt nach Herstellung der nöthigen Bauten in der That eingesetzt. Der veränderten Zeitrichtung zufolge wurden aber die Geschwornen nicht nach allgemeinem Wahlrechte frei gewählt, sondern die Amtsversammlung, bestehend aus den meist gefügigen Schultheißen und einem Theil der Obmänner des Gemeindeausschusses, wählte einen sogenannten Siebenerausschuß, und dieser ernannte die Geschwornen aus der Zahl der Höchstbesteuerten und Nichtdemokraten. Eines Tages kam der Vetter Waldhornwirth hastig mit der Landeszeitung in der Hand und sagte zu Diethelm:
Da kommet Ihr in der Zeitung, Vetter.
Ich? Wie? erwiderte Diethelm sich verfärbend und nahm mit Zittern das Blatt in die Hand. Er las die Liste der Geschworenen, und als Dritter stand sein Name. Lange starrte er darauf hin und rieb sich mehrmals die Stirn, er wollte den Schreck vergessen, den er gehabt hatte, und jetzt war es ihm doch eine Freude, sich gedruckt zu lesen; er äußerte dies aber nicht, sondern sagte nur, daß er um Dispensation bitten werde, da er in seinem Anwesen noch viel zu thun habe, und daß er auch seine Frau nicht verlassen dürfe. Martha entgegnete rasch:
Meinetwegen kannst du's schon annehmen, im Gegentheil, mir ist's lieb, wenn du auf ein paar Wochen fortgehst, lieber, als wenn du so all' Ritt' verschwindest, wie in den Boden gesunken.
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/200>, abgerufen am 25.07.2024. |