Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sprochen hat, grad so wie ich jetzt mit dir, so freundschaftlich so herztreu. Ich hätt' einen Finger von der Hand drum geben, wenn ich ganz Buchenberg hätt' daneben stellen können. Aber erzählen mußt's. Sie müssen's alle wissen. Der Vetter versprach zu erzählen, andern Tages aber wurde er auch von der Wahrheit überführt, denn vor dem Kurhause, vor allen Leuten winkte die Fürstin Diethelm zu sich und unterhielt sich lange mit ihm. Sie fragte nach seiner Untersuchungshaft, und Diethelm, der Anfangs erschrak, richtete sich an einer alten Erinnerung auf und betheuerte, wie er ein treuer Unterthan sei und nichts von den Grundrechten wolle, aber das Schwurgericht, das sei doch gut, da werde man auch öffentlich freigesprochen. Mit einem freundlichen Lächeln entließ ihn die Fürstin, und der Vetter Trompeter, der von Ferne zugesehen, faßte seine Hand, als er zu ihm trat, und rief: Was meinet Ihr, Vetter, wenn das Euer Vater gesehen hätt', der Krattenmacher von Letzweiler? Diethelm schien diese Erinnerung nicht genehm, denn er erwiderte: Was redest du wie ein Mann ohne Kopf? Der Vetter verstand und fuhr fort: Ich hab's nicht allein gesehen, dort steht der Kastenverwalter von G. Gucket, er kommt schon her und will Euch Glück wünschen. In der That geschah dies auch, und nicht nur der abgestellte Kastenverwalter, viele andere hohe und niedere Beamte, ja sogar Adelige behandelten Diethelm mit Auszeichnung, und zum darauffolgenden Ball im Kurhause erhielt Diethelm mit seiner Familie eine Einladung. Martha sagte sogleich, daß sie daheim bleibe, sie sei krank und nicht zum Tanzen da, Fränz aber hüpfte vor Freude, als hörte sie schon die lustigen Tanzweisen. Fränz war, wie gesagt, während des Badeaufenthaltes noch nie zu rechter Freude gekommen, sie fühlte sich nicht recht heimisch in diesen Umgebungen, sie hatte zwar die Bauern- sprochen hat, grad so wie ich jetzt mit dir, so freundschaftlich so herztreu. Ich hätt' einen Finger von der Hand drum geben, wenn ich ganz Buchenberg hätt' daneben stellen können. Aber erzählen mußt's. Sie müssen's alle wissen. Der Vetter versprach zu erzählen, andern Tages aber wurde er auch von der Wahrheit überführt, denn vor dem Kurhause, vor allen Leuten winkte die Fürstin Diethelm zu sich und unterhielt sich lange mit ihm. Sie fragte nach seiner Untersuchungshaft, und Diethelm, der Anfangs erschrak, richtete sich an einer alten Erinnerung auf und betheuerte, wie er ein treuer Unterthan sei und nichts von den Grundrechten wolle, aber das Schwurgericht, das sei doch gut, da werde man auch öffentlich freigesprochen. Mit einem freundlichen Lächeln entließ ihn die Fürstin, und der Vetter Trompeter, der von Ferne zugesehen, faßte seine Hand, als er zu ihm trat, und rief: Was meinet Ihr, Vetter, wenn das Euer Vater gesehen hätt', der Krattenmacher von Letzweiler? Diethelm schien diese Erinnerung nicht genehm, denn er erwiderte: Was redest du wie ein Mann ohne Kopf? Der Vetter verstand und fuhr fort: Ich hab's nicht allein gesehen, dort steht der Kastenverwalter von G. Gucket, er kommt schon her und will Euch Glück wünschen. In der That geschah dies auch, und nicht nur der abgestellte Kastenverwalter, viele andere hohe und niedere Beamte, ja sogar Adelige behandelten Diethelm mit Auszeichnung, und zum darauffolgenden Ball im Kurhause erhielt Diethelm mit seiner Familie eine Einladung. Martha sagte sogleich, daß sie daheim bleibe, sie sei krank und nicht zum Tanzen da, Fränz aber hüpfte vor Freude, als hörte sie schon die lustigen Tanzweisen. Fränz war, wie gesagt, während des Badeaufenthaltes noch nie zu rechter Freude gekommen, sie fühlte sich nicht recht heimisch in diesen Umgebungen, sie hatte zwar die Bauern- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="26"> <p><pb facs="#f0192"/> sprochen hat, grad so wie ich jetzt mit dir, so freundschaftlich so herztreu. Ich hätt' einen Finger von der Hand drum geben, wenn ich ganz Buchenberg hätt' daneben stellen können. Aber erzählen mußt's. 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sprochen hat, grad so wie ich jetzt mit dir, so freundschaftlich so herztreu. Ich hätt' einen Finger von der Hand drum geben, wenn ich ganz Buchenberg hätt' daneben stellen können. Aber erzählen mußt's. Sie müssen's alle wissen.
Der Vetter versprach zu erzählen, andern Tages aber wurde er auch von der Wahrheit überführt, denn vor dem Kurhause, vor allen Leuten winkte die Fürstin Diethelm zu sich und unterhielt sich lange mit ihm. Sie fragte nach seiner Untersuchungshaft, und Diethelm, der Anfangs erschrak, richtete sich an einer alten Erinnerung auf und betheuerte, wie er ein treuer Unterthan sei und nichts von den Grundrechten wolle, aber das Schwurgericht, das sei doch gut, da werde man auch öffentlich freigesprochen. Mit einem freundlichen Lächeln entließ ihn die Fürstin, und der Vetter Trompeter, der von Ferne zugesehen, faßte seine Hand, als er zu ihm trat, und rief:
Was meinet Ihr, Vetter, wenn das Euer Vater gesehen hätt', der Krattenmacher von Letzweiler? Diethelm schien diese Erinnerung nicht genehm, denn er erwiderte:
Was redest du wie ein Mann ohne Kopf? Der Vetter verstand und fuhr fort:
Ich hab's nicht allein gesehen, dort steht der Kastenverwalter von G. Gucket, er kommt schon her und will Euch Glück wünschen.
In der That geschah dies auch, und nicht nur der abgestellte Kastenverwalter, viele andere hohe und niedere Beamte, ja sogar Adelige behandelten Diethelm mit Auszeichnung, und zum darauffolgenden Ball im Kurhause erhielt Diethelm mit seiner Familie eine Einladung. Martha sagte sogleich, daß sie daheim bleibe, sie sei krank und nicht zum Tanzen da, Fränz aber hüpfte vor Freude, als hörte sie schon die lustigen Tanzweisen.
Fränz war, wie gesagt, während des Badeaufenthaltes noch nie zu rechter Freude gekommen, sie fühlte sich nicht recht heimisch in diesen Umgebungen, sie hatte zwar die Bauern-
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