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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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recht wetterlich, ich glaub's gar nicht, daß du's kannst. Sei froh, daß du nicht in Krieg kommen bist, du hättest Keinen erschossen. Mach, fluch einmal so recht mörderlich. Ich hab' dich nachher noch einmal so lieb. In solcher Weise zerrte Fränz ihren Munde hin und her und machte aus ihm, was sie wollte. Diethelm war oft jähzornig gegen ihn, weil er die Arbeitsleute beim Baue nicht scharf genug anhielt; nur die Mutter war stets liebreich und mild gegen ihn und erfreute ihn oft durch Vorzeigung der schönen Aussteuer, die sie für ihn und Fränz bereiten ließ.

Fränz hatte nicht nachgelassen, bis Munde einmal das Fuhrwerk für sich nahm und mit ihr eine Lustfahrt nach der Stadt machte.

Munde hatte sich nie dazu verstehen wollen. Jetzt aber ergab sich eine besondere Veranlassung; nicht Diethelm, sondern das junge Brautpaar stand Gevatter bei dem Erstgeborenen des Zeugmachers Kübler in G.

Es war ein linder Morgen des ersten Frühlings, als Munde mit seiner Braut dahinfuhr, er hatte an die schwanke Spitze der Peitsche und die Messingrosen der Pferdezäume rothe Bänder geheftet, als bescheidene und doch kenntliche Fahnen ihres bräutlichen Glückes. An seinem väterlichen Hause wollte ihm der Paßauf folgen, aber der alte Schäferle pfiff ihm zornig, und er kehrte zu ihm zurück. Munde wußte, daß sein Vater Niemand mehr um sich haben wollte als den Hund des verstorbenen Medard, mit dem er oft stundenlang sprach. Munde kümmerte sich deß nicht mehr und fuhr wohlgemuth hinaus in den frühlingsjungen Tag. Die Sonne stand nicht am Himmel, nebelhaft verschwommene Wolken umzogen ihn, und ein leiser Duft wob über den kaum ergrünenden Feldern, draus sich einzelne Lerchen noch zaghaft zwitschernd emporhoben, um bald wieder niederzusinken.

Fränz, ich freu' mich doch, aber lach mich nicht aus, sagte Munde.

Warum?

recht wetterlich, ich glaub's gar nicht, daß du's kannst. Sei froh, daß du nicht in Krieg kommen bist, du hättest Keinen erschossen. Mach, fluch einmal so recht mörderlich. Ich hab' dich nachher noch einmal so lieb. In solcher Weise zerrte Fränz ihren Munde hin und her und machte aus ihm, was sie wollte. Diethelm war oft jähzornig gegen ihn, weil er die Arbeitsleute beim Baue nicht scharf genug anhielt; nur die Mutter war stets liebreich und mild gegen ihn und erfreute ihn oft durch Vorzeigung der schönen Aussteuer, die sie für ihn und Fränz bereiten ließ.

Fränz hatte nicht nachgelassen, bis Munde einmal das Fuhrwerk für sich nahm und mit ihr eine Lustfahrt nach der Stadt machte.

Munde hatte sich nie dazu verstehen wollen. Jetzt aber ergab sich eine besondere Veranlassung; nicht Diethelm, sondern das junge Brautpaar stand Gevatter bei dem Erstgeborenen des Zeugmachers Kübler in G.

Es war ein linder Morgen des ersten Frühlings, als Munde mit seiner Braut dahinfuhr, er hatte an die schwanke Spitze der Peitsche und die Messingrosen der Pferdezäume rothe Bänder geheftet, als bescheidene und doch kenntliche Fahnen ihres bräutlichen Glückes. An seinem väterlichen Hause wollte ihm der Paßauf folgen, aber der alte Schäferle pfiff ihm zornig, und er kehrte zu ihm zurück. Munde wußte, daß sein Vater Niemand mehr um sich haben wollte als den Hund des verstorbenen Medard, mit dem er oft stundenlang sprach. Munde kümmerte sich deß nicht mehr und fuhr wohlgemuth hinaus in den frühlingsjungen Tag. Die Sonne stand nicht am Himmel, nebelhaft verschwommene Wolken umzogen ihn, und ein leiser Duft wob über den kaum ergrünenden Feldern, draus sich einzelne Lerchen noch zaghaft zwitschernd emporhoben, um bald wieder niederzusinken.

Fränz, ich freu' mich doch, aber lach mich nicht aus, sagte Munde.

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[0169] recht wetterlich, ich glaub's gar nicht, daß du's kannst. Sei froh, daß du nicht in Krieg kommen bist, du hättest Keinen erschossen. Mach, fluch einmal so recht mörderlich. Ich hab' dich nachher noch einmal so lieb. In solcher Weise zerrte Fränz ihren Munde hin und her und machte aus ihm, was sie wollte. Diethelm war oft jähzornig gegen ihn, weil er die Arbeitsleute beim Baue nicht scharf genug anhielt; nur die Mutter war stets liebreich und mild gegen ihn und erfreute ihn oft durch Vorzeigung der schönen Aussteuer, die sie für ihn und Fränz bereiten ließ. Fränz hatte nicht nachgelassen, bis Munde einmal das Fuhrwerk für sich nahm und mit ihr eine Lustfahrt nach der Stadt machte. Munde hatte sich nie dazu verstehen wollen. Jetzt aber ergab sich eine besondere Veranlassung; nicht Diethelm, sondern das junge Brautpaar stand Gevatter bei dem Erstgeborenen des Zeugmachers Kübler in G. Es war ein linder Morgen des ersten Frühlings, als Munde mit seiner Braut dahinfuhr, er hatte an die schwanke Spitze der Peitsche und die Messingrosen der Pferdezäume rothe Bänder geheftet, als bescheidene und doch kenntliche Fahnen ihres bräutlichen Glückes. An seinem väterlichen Hause wollte ihm der Paßauf folgen, aber der alte Schäferle pfiff ihm zornig, und er kehrte zu ihm zurück. Munde wußte, daß sein Vater Niemand mehr um sich haben wollte als den Hund des verstorbenen Medard, mit dem er oft stundenlang sprach. Munde kümmerte sich deß nicht mehr und fuhr wohlgemuth hinaus in den frühlingsjungen Tag. Die Sonne stand nicht am Himmel, nebelhaft verschwommene Wolken umzogen ihn, und ein leiser Duft wob über den kaum ergrünenden Feldern, draus sich einzelne Lerchen noch zaghaft zwitschernd emporhoben, um bald wieder niederzusinken. Fränz, ich freu' mich doch, aber lach mich nicht aus, sagte Munde. Warum?

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/169>, abgerufen am 24.11.2024.