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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ab, und er sah, daß er neue Ehre gewonnen habe, er war entschlossen, sie zu behaupten.

Als sie aus der Kirche zurückgekehrt waren und die Glückwünschenden sich entfernt hatten, saß Diethelm lange am Tisch, auf den er die Arme gestemmt und den Kopf in die Hände gedrückt hatte, und als ihn Martha bei der Hand faßte, schaute er zu ihr auf, und große Thränen rollten über seine Backen. Zum Erstenmal in ihrem Leben sah Martha ihren Diethelm weinen, und sie schrie laut auf, er aber beruhigte sie, und es war die volle Wahrheit, als er ihr sagte, daß diese Thränen ihn erfrischt und ihm hellen Muth gegeben hätten.

Martha drängte, daß man noch heute heim nach Buchenberg zurückkehre; Diethelm sah sie traurig an, da sie vom Heimkehren sprach, wo waren sie daheim? Er fragte nach seinen Rappen, und als er hörte, daß sie in Buchenberg stünden, blieb er fest dabei, erst morgen abzureisen; er schickte sogleich einen Boten nach seinen Pferden, das war das Einzige, was ihm lebendig von seiner früheren Habe geblieben war, und mit ihnen wollte er stolz in Buchenberg einziehen.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Nahezu zwei Monate hatte Diethelm im Gefängnisse gesessen, es hatte mehrmals gethaut, aber auch immer wieder frischen Schnee gelegt, und heute war ein heller, mäßig kalter echter Schlittentag. Diethelm hatte sich gewundert, daß nicht der Vetter selber das Fuhrwerk gebracht, sondern einen Knecht mit demselben geschickt hatte. Die Rappen schienen ihren Herrn nicht mehr zu kennen, sie senkten die Köpfe, so sehr auch Diethelm sie klatschte, mit ihnen sprach und ihnen salz-

ab, und er sah, daß er neue Ehre gewonnen habe, er war entschlossen, sie zu behaupten.

Als sie aus der Kirche zurückgekehrt waren und die Glückwünschenden sich entfernt hatten, saß Diethelm lange am Tisch, auf den er die Arme gestemmt und den Kopf in die Hände gedrückt hatte, und als ihn Martha bei der Hand faßte, schaute er zu ihr auf, und große Thränen rollten über seine Backen. Zum Erstenmal in ihrem Leben sah Martha ihren Diethelm weinen, und sie schrie laut auf, er aber beruhigte sie, und es war die volle Wahrheit, als er ihr sagte, daß diese Thränen ihn erfrischt und ihm hellen Muth gegeben hätten.

Martha drängte, daß man noch heute heim nach Buchenberg zurückkehre; Diethelm sah sie traurig an, da sie vom Heimkehren sprach, wo waren sie daheim? Er fragte nach seinen Rappen, und als er hörte, daß sie in Buchenberg stünden, blieb er fest dabei, erst morgen abzureisen; er schickte sogleich einen Boten nach seinen Pferden, das war das Einzige, was ihm lebendig von seiner früheren Habe geblieben war, und mit ihnen wollte er stolz in Buchenberg einziehen.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Nahezu zwei Monate hatte Diethelm im Gefängnisse gesessen, es hatte mehrmals gethaut, aber auch immer wieder frischen Schnee gelegt, und heute war ein heller, mäßig kalter echter Schlittentag. Diethelm hatte sich gewundert, daß nicht der Vetter selber das Fuhrwerk gebracht, sondern einen Knecht mit demselben geschickt hatte. Die Rappen schienen ihren Herrn nicht mehr zu kennen, sie senkten die Köpfe, so sehr auch Diethelm sie klatschte, mit ihnen sprach und ihnen salz-

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/146>, abgerufen am 22.11.2024.