Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gewesen. Ich hab' viel von Euch und Euren Gutthaten gehört, wie ich noch klein gewesen bin. Nun b'hüt Gott. Ich wünsch' alles Gute. Diese Mittheilung des Landjägers machte einen eigenen Eindruck auf Diethelm; daß der Mensch sich gedrungen fühlte, sich ihm zu erkennen zu geben, und daß er von seinem Ruhme sprach, wie traf das jetzt das Herz des Gefangenen. Diethelm war nun allein. Er hatte sich vor Niemanden mehr zu verstellen. Auf dem Stuhl vor dem Ofen saß er, und es war ihm, als müßte sein Körper in Stücke zerfallen. In dem Ofen brummte das Feuer, manchmal knallte ein Fichtenast und zischte langsam ein grünes Scheit. Diethelm fühlte, wie ihm alles Blut im Herzen zusammen gerann, aber Wärme verspürte er nicht, kalt, unendlich kalt war es ihm; er hüllte sich in seinen Mantel und wickelte sich in die wollene Decke, die auf der Pritsche lag, immer war es ihm, als ob er in der so wohl verschlossenen Zelle mitten in einem Luftzuge stehe, und plötzlich fuhr er wie emporgeschnellt auf, die Wände dröhnten und schmetterten, zitternder Drommetenklang umrauschte ihn von allen Seiten. Erst nach geraumer Weile besann er sich, daß die Stadtzinkenisten den Abendchoral bliesen, die Trompeten und Posaunen schienen gerade nach seiner Zelle gerichtet, so unmittelbar, so gradaus strömten die Töne in dieselbe, und vor Allem stand jener Tag wieder vor Diethelm, an dem er sich zum unmäßigen Einkauf verleiten ließ. Was war seitdem aus ihm geworden? Ein Mordbrenner! Diethelm hielt sich die zitternde Hand vor den schnell athmenden Mund, daß er das Wort nicht laut ausrufe. Er warf sich auf die Kniee, und ein heftiger Thränenstrom entlud sich aus seinen Augen, er fühlte seine Wangen glühen, und plötzlich wurde es ihm warm. Mit dem Antlitze auf dem Boden liegend, sprach es in ihm, daß er Alles bekennen müsse, und er streckte sich weit aus, bereit, den Todesstreich gewesen. Ich hab' viel von Euch und Euren Gutthaten gehört, wie ich noch klein gewesen bin. Nun b'hüt Gott. Ich wünsch' alles Gute. Diese Mittheilung des Landjägers machte einen eigenen Eindruck auf Diethelm; daß der Mensch sich gedrungen fühlte, sich ihm zu erkennen zu geben, und daß er von seinem Ruhme sprach, wie traf das jetzt das Herz des Gefangenen. Diethelm war nun allein. Er hatte sich vor Niemanden mehr zu verstellen. Auf dem Stuhl vor dem Ofen saß er, und es war ihm, als müßte sein Körper in Stücke zerfallen. In dem Ofen brummte das Feuer, manchmal knallte ein Fichtenast und zischte langsam ein grünes Scheit. Diethelm fühlte, wie ihm alles Blut im Herzen zusammen gerann, aber Wärme verspürte er nicht, kalt, unendlich kalt war es ihm; er hüllte sich in seinen Mantel und wickelte sich in die wollene Decke, die auf der Pritsche lag, immer war es ihm, als ob er in der so wohl verschlossenen Zelle mitten in einem Luftzuge stehe, und plötzlich fuhr er wie emporgeschnellt auf, die Wände dröhnten und schmetterten, zitternder Drommetenklang umrauschte ihn von allen Seiten. Erst nach geraumer Weile besann er sich, daß die Stadtzinkenisten den Abendchoral bliesen, die Trompeten und Posaunen schienen gerade nach seiner Zelle gerichtet, so unmittelbar, so gradaus strömten die Töne in dieselbe, und vor Allem stand jener Tag wieder vor Diethelm, an dem er sich zum unmäßigen Einkauf verleiten ließ. Was war seitdem aus ihm geworden? Ein Mordbrenner! Diethelm hielt sich die zitternde Hand vor den schnell athmenden Mund, daß er das Wort nicht laut ausrufe. Er warf sich auf die Kniee, und ein heftiger Thränenstrom entlud sich aus seinen Augen, er fühlte seine Wangen glühen, und plötzlich wurde es ihm warm. Mit dem Antlitze auf dem Boden liegend, sprach es in ihm, daß er Alles bekennen müsse, und er streckte sich weit aus, bereit, den Todesstreich <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="17"> <p><pb facs="#f0121"/> gewesen. Ich hab' viel von Euch und Euren Gutthaten gehört, wie ich noch klein gewesen bin. Nun b'hüt Gott. Ich wünsch' alles Gute.</p><lb/> <p>Diese Mittheilung des Landjägers machte einen eigenen Eindruck auf Diethelm; daß der Mensch sich gedrungen fühlte, sich ihm zu erkennen zu geben, und daß er von seinem Ruhme sprach, wie traf das jetzt das Herz des Gefangenen.</p><lb/> <p>Diethelm war nun allein. Er hatte sich vor Niemanden mehr zu verstellen. Auf dem Stuhl vor dem Ofen saß er, und es war ihm, als müßte sein Körper in Stücke zerfallen. In dem Ofen brummte das Feuer, manchmal knallte ein Fichtenast und zischte langsam ein grünes Scheit. Diethelm fühlte, wie ihm alles Blut im Herzen zusammen gerann, aber Wärme verspürte er nicht, kalt, unendlich kalt war es ihm; er hüllte sich in seinen Mantel und wickelte sich in die wollene Decke, die auf der Pritsche lag, immer war es ihm, als ob er in der so wohl verschlossenen Zelle mitten in einem Luftzuge stehe, und plötzlich fuhr er wie emporgeschnellt auf, die Wände dröhnten und schmetterten, zitternder Drommetenklang umrauschte ihn von allen Seiten. Erst nach geraumer Weile besann er sich, daß die Stadtzinkenisten den Abendchoral bliesen, die Trompeten und Posaunen schienen gerade nach seiner Zelle gerichtet, so unmittelbar, so gradaus strömten die Töne in dieselbe, und vor Allem stand jener Tag wieder vor Diethelm, an dem er sich zum unmäßigen Einkauf verleiten ließ.</p><lb/> <p>Was war seitdem aus ihm geworden? Ein Mordbrenner! Diethelm hielt sich die zitternde Hand vor den schnell athmenden Mund, daß er das Wort nicht laut ausrufe. Er warf sich auf die Kniee, und ein heftiger Thränenstrom entlud sich aus seinen Augen, er fühlte seine Wangen glühen, und plötzlich wurde es ihm warm. Mit dem Antlitze auf dem Boden liegend, sprach es in ihm, daß er Alles bekennen müsse, und er streckte sich weit aus, bereit, den Todesstreich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
gewesen. Ich hab' viel von Euch und Euren Gutthaten gehört, wie ich noch klein gewesen bin. Nun b'hüt Gott. Ich wünsch' alles Gute.
Diese Mittheilung des Landjägers machte einen eigenen Eindruck auf Diethelm; daß der Mensch sich gedrungen fühlte, sich ihm zu erkennen zu geben, und daß er von seinem Ruhme sprach, wie traf das jetzt das Herz des Gefangenen.
Diethelm war nun allein. Er hatte sich vor Niemanden mehr zu verstellen. Auf dem Stuhl vor dem Ofen saß er, und es war ihm, als müßte sein Körper in Stücke zerfallen. In dem Ofen brummte das Feuer, manchmal knallte ein Fichtenast und zischte langsam ein grünes Scheit. Diethelm fühlte, wie ihm alles Blut im Herzen zusammen gerann, aber Wärme verspürte er nicht, kalt, unendlich kalt war es ihm; er hüllte sich in seinen Mantel und wickelte sich in die wollene Decke, die auf der Pritsche lag, immer war es ihm, als ob er in der so wohl verschlossenen Zelle mitten in einem Luftzuge stehe, und plötzlich fuhr er wie emporgeschnellt auf, die Wände dröhnten und schmetterten, zitternder Drommetenklang umrauschte ihn von allen Seiten. Erst nach geraumer Weile besann er sich, daß die Stadtzinkenisten den Abendchoral bliesen, die Trompeten und Posaunen schienen gerade nach seiner Zelle gerichtet, so unmittelbar, so gradaus strömten die Töne in dieselbe, und vor Allem stand jener Tag wieder vor Diethelm, an dem er sich zum unmäßigen Einkauf verleiten ließ.
Was war seitdem aus ihm geworden? Ein Mordbrenner! Diethelm hielt sich die zitternde Hand vor den schnell athmenden Mund, daß er das Wort nicht laut ausrufe. Er warf sich auf die Kniee, und ein heftiger Thränenstrom entlud sich aus seinen Augen, er fühlte seine Wangen glühen, und plötzlich wurde es ihm warm. Mit dem Antlitze auf dem Boden liegend, sprach es in ihm, daß er Alles bekennen müsse, und er streckte sich weit aus, bereit, den Todesstreich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/121 |
Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/121>, abgerufen am 05.07.2024. |