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Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

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muß sie selbst jede Berührung mit diesen unheimlichen Gewalten vermeiden, gleich als würde sie dadurch entweiht und herabgezogen."

"Das sind ideale Träume! Und wissen Sie denn so sicher, ob ich glücklich bin; ob nicht ich gerade ein Recht habe, alle Schmerzen der Indiana mitzufühlen?"

Stein sah ihr mit prüfendem Blick, den sie nicht vermied, in das thränenfeuchte Auge:

"Wohl, ich will glauben, daß Sie leiden; und bin gewiß, daß Sie werth sind, solche Schmerzen zu ertragen!"

"Nun, das klingt sonderbar," entgegnete sie mit erzwungener Heiterkeit; "Sie wünschen mir Kummer und Elend, so ernsthaft, so von Herzen, wie die gewöhnliche Welt Freude und Glück zu wünschen pflegt."

"Wenn ich einer Frau Schmerzen wünsche, wie sie Georges Sand die Indiana fühlen läßt, heilige Schmerzen über die Entwürdigung des Weibes und ihre modernste Knechtschaft -- dann muß ich diese Frau sehr hoch stellen, und ihr große Kraft und eine alles bezwingende Liebe zutrauen."

muß sie selbst jede Berührung mit diesen unheimlichen Gewalten vermeiden, gleich als würde sie dadurch entweiht und herabgezogen.“

„Das sind ideale Träume! Und wissen Sie denn so sicher, ob ich glücklich bin; ob nicht ich gerade ein Recht habe, alle Schmerzen der Indiana mitzufühlen?“

Stein sah ihr mit prüfendem Blick, den sie nicht vermied, in das thränenfeuchte Auge:

„Wohl, ich will glauben, daß Sie leiden; und bin gewiß, daß Sie werth sind, solche Schmerzen zu ertragen!“

„Nun, das klingt sonderbar,“ entgegnete sie mit erzwungener Heiterkeit; „Sie wünschen mir Kummer und Elend, so ernsthaft, so von Herzen, wie die gewöhnliche Welt Freude und Glück zu wünschen pflegt.“

„Wenn ich einer Frau Schmerzen wünsche, wie sie Georges Sand die Indiana fühlen läßt, heilige Schmerzen über die Entwürdigung des Weibes und ihre modernste Knechtschaft — dann muß ich diese Frau sehr hoch stellen, und ihr große Kraft und eine alles bezwingende Liebe zutrauen.“

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[74/0086] muß sie selbst jede Berührung mit diesen unheimlichen Gewalten vermeiden, gleich als würde sie dadurch entweiht und herabgezogen.“ „Das sind ideale Träume! Und wissen Sie denn so sicher, ob ich glücklich bin; ob nicht ich gerade ein Recht habe, alle Schmerzen der Indiana mitzufühlen?“ Stein sah ihr mit prüfendem Blick, den sie nicht vermied, in das thränenfeuchte Auge: „Wohl, ich will glauben, daß Sie leiden; und bin gewiß, daß Sie werth sind, solche Schmerzen zu ertragen!“ „Nun, das klingt sonderbar,“ entgegnete sie mit erzwungener Heiterkeit; „Sie wünschen mir Kummer und Elend, so ernsthaft, so von Herzen, wie die gewöhnliche Welt Freude und Glück zu wünschen pflegt.“ „Wenn ich einer Frau Schmerzen wünsche, wie sie Georges Sand die Indiana fühlen läßt, heilige Schmerzen über die Entwürdigung des Weibes und ihre modernste Knechtschaft — dann muß ich diese Frau sehr hoch stellen, und ihr große Kraft und eine alles bezwingende Liebe zutrauen.“

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Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/86>, abgerufen am 27.04.2024.