Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.Herr von Stein -- denn er war es, der die ganze Nacht hindurch unter dem Fenster der von ihm so hochgeehrten Frau zugebracht -- in das Zimmer, und stand, bleich vor Wuth, mit funkelnden Augen, vor dem Prinzen, der nicht mehr wußte, was um ihn vorging. Die Worte des Barons, voll heftigster Beleidigung, brachten ihn endlich wieder zur Besinnung. Er, der mit dem Bewußtsein eines ertappten Schulknaben, dem Baron gegenüberstand, schien plötzlich einen raschen Entschluß zu fassen, und sprach in spöttischem Ton: "Es thut mir leid, lieber Baron, Ihnen hier zuvorgekommen zu sein," und ging auf die Thüre zu, vor welcher man schon die Tritte der nahenden Dienerschaft hörte. Seine Absicht war augenscheinlich, wenigstens den guten Ruf der Oburn zu vernichten. Die Dienerschaft kannte ihn nicht -- und wäre auch seine Anwesenheit im Zimmer dieser Dame bekannt geworden, so hätte doch Niemand vorausgesetzt, daß der schöne geistreiche Mann hier Widerstand gefunden. Im schlimmsten Fall ließ sich die Geschichte mit einem geringen Aufwand von Escamotage drehen, indem man das Gerücht verbreitete, daß der Herr von Stein — denn er war es, der die ganze Nacht hindurch unter dem Fenster der von ihm so hochgeehrten Frau zugebracht — in das Zimmer, und stand, bleich vor Wuth, mit funkelnden Augen, vor dem Prinzen, der nicht mehr wußte, was um ihn vorging. Die Worte des Barons, voll heftigster Beleidigung, brachten ihn endlich wieder zur Besinnung. Er, der mit dem Bewußtsein eines ertappten Schulknaben, dem Baron gegenüberstand, schien plötzlich einen raschen Entschluß zu fassen, und sprach in spöttischem Ton: „Es thut mir leid, lieber Baron, Ihnen hier zuvorgekommen zu sein,“ und ging auf die Thüre zu, vor welcher man schon die Tritte der nahenden Dienerschaft hörte. Seine Absicht war augenscheinlich, wenigstens den guten Ruf der Oburn zu vernichten. Die Dienerschaft kannte ihn nicht — und wäre auch seine Anwesenheit im Zimmer dieser Dame bekannt geworden, so hätte doch Niemand vorausgesetzt, daß der schöne geistreiche Mann hier Widerstand gefunden. Im schlimmsten Fall ließ sich die Geschichte mit einem geringen Aufwand von Escamotage drehen, indem man das Gerücht verbreitete, daß der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="92"/> Herr von Stein — denn er war es, der die ganze Nacht hindurch unter dem Fenster der von ihm so hochgeehrten Frau zugebracht — in das Zimmer, und stand, bleich vor Wuth, mit funkelnden Augen, vor dem Prinzen, der nicht mehr wußte, <hi rendition="#g">was</hi> um ihn vorging. Die Worte des Barons, voll heftigster Beleidigung, brachten ihn endlich wieder zur Besinnung. Er, der mit dem Bewußtsein eines ertappten Schulknaben, dem Baron gegenüberstand, schien plötzlich einen raschen Entschluß zu fassen, und sprach in spöttischem Ton: „Es thut mir leid, lieber Baron, Ihnen hier zuvorgekommen zu sein,“ und ging auf die Thüre zu, vor welcher man schon die Tritte der nahenden Dienerschaft hörte. Seine Absicht war augenscheinlich, wenigstens den guten Ruf der Oburn zu vernichten. Die Dienerschaft kannte ihn nicht — und wäre auch seine Anwesenheit im Zimmer dieser Dame bekannt geworden, so hätte doch Niemand vorausgesetzt, daß der schöne geistreiche Mann hier Widerstand gefunden. Im schlimmsten Fall ließ sich die Geschichte mit einem geringen Aufwand von <hi rendition="#aq">Escamotage</hi> drehen, indem man das Gerücht verbreitete, daß der </p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0104]
Herr von Stein — denn er war es, der die ganze Nacht hindurch unter dem Fenster der von ihm so hochgeehrten Frau zugebracht — in das Zimmer, und stand, bleich vor Wuth, mit funkelnden Augen, vor dem Prinzen, der nicht mehr wußte, was um ihn vorging. Die Worte des Barons, voll heftigster Beleidigung, brachten ihn endlich wieder zur Besinnung. Er, der mit dem Bewußtsein eines ertappten Schulknaben, dem Baron gegenüberstand, schien plötzlich einen raschen Entschluß zu fassen, und sprach in spöttischem Ton: „Es thut mir leid, lieber Baron, Ihnen hier zuvorgekommen zu sein,“ und ging auf die Thüre zu, vor welcher man schon die Tritte der nahenden Dienerschaft hörte. Seine Absicht war augenscheinlich, wenigstens den guten Ruf der Oburn zu vernichten. Die Dienerschaft kannte ihn nicht — und wäre auch seine Anwesenheit im Zimmer dieser Dame bekannt geworden, so hätte doch Niemand vorausgesetzt, daß der schöne geistreiche Mann hier Widerstand gefunden. Im schlimmsten Fall ließ sich die Geschichte mit einem geringen Aufwand von Escamotage drehen, indem man das Gerücht verbreitete, daß der
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Zitationshilfe: | Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/104>, abgerufen am 23.07.2024. |