Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

de angenehm fallen/ wenn ich dasjenige handgreiffliche elend und die ent-
setzliche thorheiten/ welche an allen orthen/ in den gemeinen predig-
ten und kirchen-dingen angemercket werden/ allhier zur probe und zum be-
weiß/ daß ich in die kirchen käme/ anführen wolte. Der greuel der ver-
wüstung ist so groß und unläugbahr allenthalben/ daß sich ein nur natür-
lich-redlicher mensch dessen schämen und wünschen möchte/ daß doch
ja kein anderer/ als blinde/ taube/ stumme und lahme in die Lutherischen
kirchen kommen möchten/ damit sie nicht bewogen würden/ davon zu zeu-
gen. Ja es ist zuver muthen/ daß nach und nach das bladt sich umkehren/
und man nicht mehr/ wie Herr Cypr. thut/ das kirchengehen vor ein kenn-
zeichen eines Christen möchte ausgeben dürffen/ sondern der entgegenge-
setzten praxi wegen des allzuerschrecklichen jammers nirgends wiederste-
hen könne.

4. Hingegen (III.) würde man sich von hertzen erfreuen/ und mit
grossem danck annehmen/ wenn man in denen kirchen CHristum JEsum
und seine Göttliche lehre lauterlich/ weißlich/ kräfftig und ohne menschen-
tand in beweisung des geistes und der krafft vortragen hörte.

5. Wie denn auch (IV.) kein verständiger und bescheidener Christe
das kirchen-wesen an sich selbst gantz verwerffen/ oder dem unwissen-
den rohen volck/ welches auch äussere zucht und ordnung höchstnöthig hat/
das kirchengehen und dergleichen an sich selbst abrathen wird: Gleich wie
auch insgemein gar nie mand sich deswegen vor heilig oder besser als ande-
re halten darf/ oder kan/ weil er nicht in die kirche gehe/ oder das verderbnüß
ein wenig kennen lerne. Aber das wäre dabey zu wünschen/ daß die armen
leute auch in der kirche etwas gutes ins hertze kriegten/ daraus sie würck-
lich erführen/ wie hart sie in ihren natürlichen greueln gefesselt und gefan-
gen liegen/ und wie sehnlich sie ihr schöpffer heraus zureissen begehre/ wenn
sie sich zu ihm wendeten. Ob aber dieses bey den gemeinen predigten ih-
nen ins gemüth gedruckt/ und das kirchengehen also nützlich werde; da-
von weisen leider alle städte/ flecken/ häuser und menschen allzuoffenbahr-
lich das gegentheil. Wers sehen will/ darff nicht weitlauffen/ an sonn-
und feyertagen sieht mans wol.

6. Wir wollen doch (V.) um derer willen/ die mit Hn. Cypriani
aus dem kirchengehen einen character des Lutherischen Christenthums/ und
mithin einen götzen machen/ nur etliche aus sagen und bekäntnisse ihrer ei-
genen leute anhören/ weil ich solche dinge in grosser menge vorlängst noti-
r
et habe/ und sie nur darff excerpiren lassen. Die ersten klagen Lutheri
und anderer aus dem 16. jahrhundert sind in der Kirchenhistorie im II.

theil

de angenehm fallen/ wenn ich dasjenige handgreiffliche elend und die ent-
ſetzliche thorheiten/ welche an allen orthen/ in den gemeinen predig-
ten und kirchen-dingen angemercket werden/ allhier zur probe und zum be-
weiß/ daß ich in die kirchen kaͤme/ anfuͤhren wolte. Der greuel der ver-
wuͤſtung iſt ſo groß und unlaͤugbahr allenthalben/ daß ſich ein nur natuͤr-
lich-redlicher menſch deſſen ſchaͤmen und wuͤnſchen moͤchte/ daß doch
ja kein anderer/ als blinde/ taube/ ſtumme und lahme in die Lutheriſchen
kirchen kommen moͤchten/ damit ſie nicht bewogen wuͤrden/ davon zu zeu-
gen. Ja es iſt zuver muthen/ daß nach und nach das bladt ſich umkehren/
und man nicht mehr/ wie Herꝛ Cypr. thut/ das kirchengehen vor ein kenn-
zeichen eines Chriſten moͤchte ausgeben duͤrffen/ ſondern der entgegenge-
ſetzten praxi wegen des allzuerſchrecklichen jammers nirgends wiederſte-
hen koͤnne.

4. Hingegen (III.) wuͤrde man ſich von hertzen erfreuen/ und mit
groſſem danck annehmen/ wenn man in denen kirchen CHriſtum JEſum
und ſeine Goͤttliche lehre lauterlich/ weißlich/ kraͤfftig und ohne menſchen-
tand in beweiſung des geiſtes und der krafft vortragen hoͤrte.

5. Wie denn auch (IV.) kein verſtaͤndiger und beſcheidener Chriſte
das kirchen-weſen an ſich ſelbſt gantz verwerffen/ oder dem unwiſſen-
den rohen volck/ welches auch aͤuſſere zucht und ordnung hoͤchſtnoͤthig hat/
das kirchengehen und dergleichen an ſich ſelbſt abrathen wird: Gleich wie
auch insgemein gar nie mand ſich deswegen vor heilig oder beſſer als ande-
re halten darf/ oder kan/ weil er nicht in die kirche gehe/ oder das verderbnuͤß
ein wenig kennen lerne. Aber das waͤre dabey zu wuͤnſchen/ daß die armen
leute auch in der kirche etwas gutes ins hertze kriegten/ daraus ſie wuͤrck-
lich erfuͤhren/ wie hart ſie in ihren natuͤrlichen greueln gefeſſelt und gefan-
gen liegen/ und wie ſehnlich ſie ihr ſchoͤpffer heraus zureiſſen begehre/ wenn
ſie ſich zu ihm wendeten. Ob aber dieſes bey den gemeinen predigten ih-
nen ins gemuͤth gedruckt/ und das kirchengehen alſo nuͤtzlich werde; da-
von weiſen leider alle ſtaͤdte/ flecken/ haͤuſer und menſchen allzuoffenbahr-
lich das gegentheil. Wers ſehen will/ darff nicht weitlauffen/ an ſonn-
und feyertagen ſieht mans wol.

6. Wir wollen doch (V.) um derer willen/ die mit Hn. Cypriani
aus dem kirchengehen einen character des Lutheriſchen Chriſtenthums/ und
mithin einen goͤtzen machen/ nur etliche aus ſagen und bekaͤntniſſe ihrer ei-
genen leute anhoͤren/ weil ich ſolche dinge in groſſer menge vorlaͤngſt noti-
r
et habe/ und ſie nur darff excerpiren laſſen. Die erſten klagen Lutheri
und anderer aus dem 16. jahrhundert ſind in der Kirchenhiſtorie im II.

theil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="24"/>
de angenehm fallen/ wenn ich dasjenige handgreiffliche elend und die ent-<lb/>
&#x017F;etzliche thorheiten/ welche an allen orthen/ in den gemeinen predig-<lb/>
ten und kirchen-dingen angemercket werden/ allhier zur probe und zum be-<lb/>
weiß/ daß ich in die kirchen ka&#x0364;me/ anfu&#x0364;hren wolte. Der greuel der ver-<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;tung i&#x017F;t &#x017F;o groß und unla&#x0364;ugbahr allenthalben/ daß &#x017F;ich ein nur natu&#x0364;r-<lb/>
lich-redlicher men&#x017F;ch de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cha&#x0364;men und wu&#x0364;n&#x017F;chen mo&#x0364;chte/ daß doch<lb/>
ja kein anderer/ als blinde/ taube/ &#x017F;tumme und lahme in die Lutheri&#x017F;chen<lb/>
kirchen kommen mo&#x0364;chten/ damit &#x017F;ie nicht bewogen wu&#x0364;rden/ davon zu zeu-<lb/>
gen. Ja es i&#x017F;t zuver muthen/ daß nach und nach das bladt &#x017F;ich umkehren/<lb/>
und man nicht mehr/ wie Her&#xA75B; <hi rendition="#aq">Cypr.</hi> thut/ das kirchengehen vor ein kenn-<lb/>
zeichen eines Chri&#x017F;ten mo&#x0364;chte ausgeben du&#x0364;rffen/ &#x017F;ondern der entgegenge-<lb/>
&#x017F;etzten <hi rendition="#aq">praxi</hi> wegen des allzuer&#x017F;chrecklichen jammers nirgends wieder&#x017F;te-<lb/>
hen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>4. Hingegen (<hi rendition="#aq">III.</hi>) wu&#x0364;rde man &#x017F;ich von hertzen erfreuen/ und mit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;em danck annehmen/ wenn man in denen kirchen CHri&#x017F;tum JE&#x017F;um<lb/>
und &#x017F;eine Go&#x0364;ttliche lehre lauterlich/ weißlich/ kra&#x0364;fftig und ohne men&#x017F;chen-<lb/>
tand in bewei&#x017F;ung des gei&#x017F;tes und der krafft vortragen ho&#x0364;rte.</p><lb/>
        <p>5. Wie denn auch (<hi rendition="#aq">IV.</hi>) kein ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger und be&#x017F;cheidener Chri&#x017F;te<lb/><hi rendition="#fr">das kirchen-we&#x017F;en an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> gantz verwerffen/ oder dem unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
den rohen volck/ welches auch a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere zucht und ordnung ho&#x0364;ch&#x017F;tno&#x0364;thig hat/<lb/>
das kirchengehen und dergleichen an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t abrathen wird: Gleich wie<lb/>
auch insgemein gar nie mand &#x017F;ich deswegen vor heilig oder be&#x017F;&#x017F;er als ande-<lb/>
re halten darf/ oder kan/ weil er nicht in die kirche gehe/ oder das verderbnu&#x0364;ß<lb/>
ein wenig kennen lerne. Aber das wa&#x0364;re dabey zu wu&#x0364;n&#x017F;chen/ daß die armen<lb/>
leute auch in der kirche etwas gutes ins hertze kriegten/ daraus &#x017F;ie wu&#x0364;rck-<lb/>
lich erfu&#x0364;hren/ wie hart &#x017F;ie in ihren natu&#x0364;rlichen greueln gefe&#x017F;&#x017F;elt und gefan-<lb/>
gen liegen/ und wie &#x017F;ehnlich &#x017F;ie ihr &#x017F;cho&#x0364;pffer heraus zurei&#x017F;&#x017F;en begehre/ wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich zu ihm wendeten. Ob aber die&#x017F;es bey den gemeinen predigten ih-<lb/>
nen ins gemu&#x0364;th gedruckt/ und das kirchengehen al&#x017F;o nu&#x0364;tzlich werde; da-<lb/>
von wei&#x017F;en leider alle &#x017F;ta&#x0364;dte/ flecken/ ha&#x0364;u&#x017F;er und men&#x017F;chen allzuoffenbahr-<lb/>
lich das gegentheil. Wers &#x017F;ehen will/ darff nicht weitlauffen/ an &#x017F;onn-<lb/>
und feyertagen &#x017F;ieht mans wol.</p><lb/>
        <p>6. Wir wollen doch (<hi rendition="#aq">V.</hi>) um derer willen/ die mit Hn. <hi rendition="#aq">Cypriani</hi><lb/>
aus dem kirchengehen einen <hi rendition="#aq">character</hi> des Lutheri&#x017F;chen Chri&#x017F;tenthums/ und<lb/>
mithin einen go&#x0364;tzen machen/ nur etliche aus &#x017F;agen und beka&#x0364;ntni&#x017F;&#x017F;e ihrer ei-<lb/>
genen leute anho&#x0364;ren/ weil ich &#x017F;olche dinge in gro&#x017F;&#x017F;er menge vorla&#x0364;ng&#x017F;t <hi rendition="#aq">noti-<lb/>
r</hi>et habe/ und &#x017F;ie nur darff <hi rendition="#aq">excerpir</hi>en la&#x017F;&#x017F;en. Die er&#x017F;ten klagen <hi rendition="#aq">Lutheri</hi><lb/>
und anderer aus dem 16. jahrhundert &#x017F;ind in der Kirchenhi&#x017F;torie im <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">theil</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0025] de angenehm fallen/ wenn ich dasjenige handgreiffliche elend und die ent- ſetzliche thorheiten/ welche an allen orthen/ in den gemeinen predig- ten und kirchen-dingen angemercket werden/ allhier zur probe und zum be- weiß/ daß ich in die kirchen kaͤme/ anfuͤhren wolte. Der greuel der ver- wuͤſtung iſt ſo groß und unlaͤugbahr allenthalben/ daß ſich ein nur natuͤr- lich-redlicher menſch deſſen ſchaͤmen und wuͤnſchen moͤchte/ daß doch ja kein anderer/ als blinde/ taube/ ſtumme und lahme in die Lutheriſchen kirchen kommen moͤchten/ damit ſie nicht bewogen wuͤrden/ davon zu zeu- gen. Ja es iſt zuver muthen/ daß nach und nach das bladt ſich umkehren/ und man nicht mehr/ wie Herꝛ Cypr. thut/ das kirchengehen vor ein kenn- zeichen eines Chriſten moͤchte ausgeben duͤrffen/ ſondern der entgegenge- ſetzten praxi wegen des allzuerſchrecklichen jammers nirgends wiederſte- hen koͤnne. 4. Hingegen (III.) wuͤrde man ſich von hertzen erfreuen/ und mit groſſem danck annehmen/ wenn man in denen kirchen CHriſtum JEſum und ſeine Goͤttliche lehre lauterlich/ weißlich/ kraͤfftig und ohne menſchen- tand in beweiſung des geiſtes und der krafft vortragen hoͤrte. 5. Wie denn auch (IV.) kein verſtaͤndiger und beſcheidener Chriſte das kirchen-weſen an ſich ſelbſt gantz verwerffen/ oder dem unwiſſen- den rohen volck/ welches auch aͤuſſere zucht und ordnung hoͤchſtnoͤthig hat/ das kirchengehen und dergleichen an ſich ſelbſt abrathen wird: Gleich wie auch insgemein gar nie mand ſich deswegen vor heilig oder beſſer als ande- re halten darf/ oder kan/ weil er nicht in die kirche gehe/ oder das verderbnuͤß ein wenig kennen lerne. Aber das waͤre dabey zu wuͤnſchen/ daß die armen leute auch in der kirche etwas gutes ins hertze kriegten/ daraus ſie wuͤrck- lich erfuͤhren/ wie hart ſie in ihren natuͤrlichen greueln gefeſſelt und gefan- gen liegen/ und wie ſehnlich ſie ihr ſchoͤpffer heraus zureiſſen begehre/ wenn ſie ſich zu ihm wendeten. Ob aber dieſes bey den gemeinen predigten ih- nen ins gemuͤth gedruckt/ und das kirchengehen alſo nuͤtzlich werde; da- von weiſen leider alle ſtaͤdte/ flecken/ haͤuſer und menſchen allzuoffenbahr- lich das gegentheil. Wers ſehen will/ darff nicht weitlauffen/ an ſonn- und feyertagen ſieht mans wol. 6. Wir wollen doch (V.) um derer willen/ die mit Hn. Cypriani aus dem kirchengehen einen character des Lutheriſchen Chriſtenthums/ und mithin einen goͤtzen machen/ nur etliche aus ſagen und bekaͤntniſſe ihrer ei- genen leute anhoͤren/ weil ich ſolche dinge in groſſer menge vorlaͤngſt noti- ret habe/ und ſie nur darff excerpiren laſſen. Die erſten klagen Lutheri und anderer aus dem 16. jahrhundert ſind in der Kirchenhiſtorie im II. theil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/25
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/25>, abgerufen am 24.11.2024.