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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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schaft hat, daß er die für gering achten muß die das
nicht mitfühlen. Und meine Du was Du willst; aber
Du wirst mir recht geben, daß unter solchem Druck un¬
ter so erniedrigenden Bedingungen der Adel des Lebens
so frei und untadelhaft bewahrt, daß sie nicht einmal
durch das niedrigste Geschäft sich gebeugt fühlt für
eine hohe Seele spricht; daß sie um so mehr Recht hat
auf unsere feierliche Achtung als sie vielleicht dem Äu¬
ßeren nach, der Mißdeutung der Verachtung ausgesetzt
ist; er nannte mich gestern sein liebes Töchterchen, und
legte mir die Hand auf den Kopf wie er wegging; ich
hielt so still, er strich mir über die Wangen und sagte:
Ja so! -- das hieß so viel: nun in dir ruht der Men¬
schenkeim. -- Er kommt zwischen drei und fünf, da wirds
schon dämmerig wenn er geht, ich führte ihn durch den
Garten und zeigte ihm den Thurm, von wo ich die Lande
überseh. -- Da kann kein Mensch hinauf wie ich, denn
seht die Leiter ist zerbrochen, sagt ich, -- und ich hab ihm
vorgetragen wie mirs geht mit dem Generalbaß, er sagt
das wär weil ich nicht alles zu gleicher Zeit überschaue,
warum meine Begriffe stockten; und manches woran
Menschen ihr Lebenlang kauten, das müsse von andern
in einem Blick erfaßt werden, sonst ging Zeit und Müh
verloren; ich sagte, mir sei bang so werde es mir auch

ſchaft hat, daß er die für gering achten muß die das
nicht mitfühlen. Und meine Du was Du willſt; aber
Du wirſt mir recht geben, daß unter ſolchem Druck un¬
ter ſo erniedrigenden Bedingungen der Adel des Lebens
ſo frei und untadelhaft bewahrt, daß ſie nicht einmal
durch das niedrigſte Geſchäft ſich gebeugt fühlt für
eine hohe Seele ſpricht; daß ſie um ſo mehr Recht hat
auf unſere feierliche Achtung als ſie vielleicht dem Äu¬
ßeren nach, der Mißdeutung der Verachtung ausgeſetzt
iſt; er nannte mich geſtern ſein liebes Töchterchen, und
legte mir die Hand auf den Kopf wie er wegging; ich
hielt ſo ſtill, er ſtrich mir über die Wangen und ſagte:
Ja ſo! — das hieß ſo viel: nun in dir ruht der Men¬
ſchenkeim. — Er kommt zwiſchen drei und fünf, da wirds
ſchon dämmerig wenn er geht, ich führte ihn durch den
Garten und zeigte ihm den Thurm, von wo ich die Lande
überſeh. — Da kann kein Menſch hinauf wie ich, denn
ſeht die Leiter iſt zerbrochen, ſagt ich, — und ich hab ihm
vorgetragen wie mirs geht mit dem Generalbaß, er ſagt
das wär weil ich nicht alles zu gleicher Zeit überſchaue,
warum meine Begriffe ſtockten; und manches woran
Menſchen ihr Lebenlang kauten, das müſſe von andern
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[211/0225] ſchaft hat, daß er die für gering achten muß die das nicht mitfühlen. Und meine Du was Du willſt; aber Du wirſt mir recht geben, daß unter ſolchem Druck un¬ ter ſo erniedrigenden Bedingungen der Adel des Lebens ſo frei und untadelhaft bewahrt, daß ſie nicht einmal durch das niedrigſte Geſchäft ſich gebeugt fühlt für eine hohe Seele ſpricht; daß ſie um ſo mehr Recht hat auf unſere feierliche Achtung als ſie vielleicht dem Äu¬ ßeren nach, der Mißdeutung der Verachtung ausgeſetzt iſt; er nannte mich geſtern ſein liebes Töchterchen, und legte mir die Hand auf den Kopf wie er wegging; ich hielt ſo ſtill, er ſtrich mir über die Wangen und ſagte: Ja ſo! — das hieß ſo viel: nun in dir ruht der Men¬ ſchenkeim. — Er kommt zwiſchen drei und fünf, da wirds ſchon dämmerig wenn er geht, ich führte ihn durch den Garten und zeigte ihm den Thurm, von wo ich die Lande überſeh. — Da kann kein Menſch hinauf wie ich, denn ſeht die Leiter iſt zerbrochen, ſagt ich, — und ich hab ihm vorgetragen wie mirs geht mit dem Generalbaß, er ſagt das wär weil ich nicht alles zu gleicher Zeit überſchaue, warum meine Begriffe ſtockten; und manches woran Menſchen ihr Lebenlang kauten, das müſſe von andern in einem Blick erfaßt werden, ſonſt ging Zeit und Müh verloren; ich ſagte, mir ſei bang ſo werde es mir auch

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/225>, abgerufen am 22.11.2024.