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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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mir je könnt aus Schicksalstücke geraubt werden. Aber
groß Handlen heißt nichts als die reine Gewissensstimme
mit der Harmonie der Geister, der Sterne, der Natur ein
klingen lassen; klingt sie nicht ein mit ihr, so kann ich
nimmermehr mich zu ihr wenden, nicht den Mond mehr
zur Rede stellen, nicht die Sterne, nicht die Nebel, nicht
die Finsternisse mehr durchwandlen und mit Geistern
flüchtig durch Wies und Fluren schweifen wie mit be¬
kannten und vertrauten Mächten; ich hab kein leben¬
dig Gefühl mehr zu ihr, zur Natur. Bescheint mich die
Sonne, so ists nicht, weil sie ihren Geist auf mich rich¬
tet, und meinem Durst, den Kelch der Wahrheit
von ihren Strahlen erfüllt darbietet, und überschau ich
wie heute die frisch gefallne Schneedecke über die Weite
hingebreitet, so kann sie mich nur traurig anglänzen,
die das Licht der Sterne so rein in ihren diamantnen
Flächen spiegelt; und in meinen Geist, der von Gott
gebildet ist, sein Bild aufzunehmen, ist dann dies Licht
erblindet.

Was solls, ob Jugend oder Alter mein Leben genannt
werde. Wenn die Natur ihre Sprache mir lehrt, die Ge¬
duld nicht mit ihrem Jünger verliert, wenn alles von
Tag zu Tag feuriger mich begeistert bis zum letzten Tag.

mir je könnt aus Schickſalſtücke geraubt werden. Aber
groß Handlen heißt nichts als die reine Gewiſſensſtimme
mit der Harmonie der Geiſter, der Sterne, der Natur ein
klingen laſſen; klingt ſie nicht ein mit ihr, ſo kann ich
nimmermehr mich zu ihr wenden, nicht den Mond mehr
zur Rede ſtellen, nicht die Sterne, nicht die Nebel, nicht
die Finſterniſſe mehr durchwandlen und mit Geiſtern
flüchtig durch Wies und Fluren ſchweifen wie mit be¬
kannten und vertrauten Mächten; ich hab kein leben¬
dig Gefühl mehr zu ihr, zur Natur. Beſcheint mich die
Sonne, ſo iſts nicht, weil ſie ihren Geiſt auf mich rich¬
tet, und meinem Durſt, den Kelch der Wahrheit
von ihren Strahlen erfüllt darbietet, und überſchau ich
wie heute die friſch gefallne Schneedecke über die Weite
hingebreitet, ſo kann ſie mich nur traurig anglänzen,
die das Licht der Sterne ſo rein in ihren diamantnen
Flächen ſpiegelt; und in meinen Geiſt, der von Gott
gebildet iſt, ſein Bild aufzunehmen, iſt dann dies Licht
erblindet.

Was ſolls, ob Jugend oder Alter mein Leben genannt
werde. Wenn die Natur ihre Sprache mir lehrt, die Ge¬
duld nicht mit ihrem Jünger verliert, wenn alles von
Tag zu Tag feuriger mich begeiſtert bis zum letzten Tag.

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[156/0170] mir je könnt aus Schickſalſtücke geraubt werden. Aber groß Handlen heißt nichts als die reine Gewiſſensſtimme mit der Harmonie der Geiſter, der Sterne, der Natur ein klingen laſſen; klingt ſie nicht ein mit ihr, ſo kann ich nimmermehr mich zu ihr wenden, nicht den Mond mehr zur Rede ſtellen, nicht die Sterne, nicht die Nebel, nicht die Finſterniſſe mehr durchwandlen und mit Geiſtern flüchtig durch Wies und Fluren ſchweifen wie mit be¬ kannten und vertrauten Mächten; ich hab kein leben¬ dig Gefühl mehr zu ihr, zur Natur. Beſcheint mich die Sonne, ſo iſts nicht, weil ſie ihren Geiſt auf mich rich¬ tet, und meinem Durſt, den Kelch der Wahrheit von ihren Strahlen erfüllt darbietet, und überſchau ich wie heute die friſch gefallne Schneedecke über die Weite hingebreitet, ſo kann ſie mich nur traurig anglänzen, die das Licht der Sterne ſo rein in ihren diamantnen Flächen ſpiegelt; und in meinen Geiſt, der von Gott gebildet iſt, ſein Bild aufzunehmen, iſt dann dies Licht erblindet. Was ſolls, ob Jugend oder Alter mein Leben genannt werde. Wenn die Natur ihre Sprache mir lehrt, die Ge¬ duld nicht mit ihrem Jünger verliert, wenn alles von Tag zu Tag feuriger mich begeiſtert bis zum letzten Tag.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/170>, abgerufen am 18.05.2024.