Frühling zusammentrifft, und ein anderes Verständniß haben mit dem Geistigen der Welt. -- Um so mehr deucht es mir Mißgriff, wenn Du mit dem Wirklichen Dich begegnest und ihm Deinen Geist anmessen magst. Ich suche in der Poesie wie in einem Spiegel mich zu sam¬ meln, mich selber zu schauen, und durch mich durchzu¬ gehen in eine höhere Welt, und dazu sind meine Poesieen die Versuche. Mir scheinen die großen Erscheinungen der Menschheit alle denselben Zweck zu haben, mit diesen möcht ich mich berühren, in Gemeinschaft nur ihnen treten und in ihrer Mitte unter ihrem Einfluß dieselbe Bahn wandeln, stets vorwärts schreiten mit dem Gefühl der Selbsterhebung, mit dem Zweck der Vereinfachung, und des tieferen Er¬ kennens und Eingehens auf die Übung dieser Kunst, so daß wie äußerlich vielleicht die hohen Kunstwerke der Griechen, als vollkommne göttliche Eingebung gal¬ ten und auf die Menge als solche zurückstrahlten, und von den Meistern auch in diesem Sinn mit dieser Con¬ zentration aller geistigen Kräfte gebildet wurden, so sammelt sich meine Thätigkeit in meiner Seele; sie fühlt ihren Ursprung, ihr Ideal, sie will sich selbst nicht verlassen, sie will sich da hinüber bilden. Du aber bist das Kind, geboren im Land wo Milch und Honig
Frühling zuſammentrifft, und ein anderes Verſtändniß haben mit dem Geiſtigen der Welt. — Um ſo mehr deucht es mir Mißgriff, wenn Du mit dem Wirklichen Dich begegneſt und ihm Deinen Geiſt anmeſſen magſt. Ich ſuche in der Poeſie wie in einem Spiegel mich zu ſam¬ meln, mich ſelber zu ſchauen, und durch mich durchzu¬ gehen in eine höhere Welt, und dazu ſind meine Poeſieen die Verſuche. Mir ſcheinen die großen Erſcheinungen der Menſchheit alle denſelben Zweck zu haben, mit dieſen möcht ich mich berühren, in Gemeinſchaft nur ihnen treten und in ihrer Mitte unter ihrem Einfluß dieſelbe Bahn wandeln, ſtets vorwärts ſchreiten mit dem Gefühl der Selbſterhebung, mit dem Zweck der Vereinfachung, und des tieferen Er¬ kennens und Eingehens auf die Übung dieſer Kunſt, ſo daß wie äußerlich vielleicht die hohen Kunſtwerke der Griechen, als vollkommne göttliche Eingebung gal¬ ten und auf die Menge als ſolche zurückſtrahlten, und von den Meiſtern auch in dieſem Sinn mit dieſer Con¬ zentration aller geiſtigen Kräfte gebildet wurden, ſo ſammelt ſich meine Thätigkeit in meiner Seele; ſie fühlt ihren Urſprung, ihr Ideal, ſie will ſich ſelbſt nicht verlaſſen, ſie will ſich da hinüber bilden. Du aber biſt das Kind, geboren im Land wo Milch und Honig
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Frühling zuſammentrifft, und ein anderes Verſtändniß
haben mit dem Geiſtigen der Welt. — Um ſo mehr deucht
es mir Mißgriff, wenn Du mit dem Wirklichen Dich
begegneſt und ihm Deinen Geiſt anmeſſen magſt. Ich
ſuche in der Poeſie wie in einem Spiegel mich zu ſam¬
meln, mich ſelber zu ſchauen, und durch mich durchzu¬
gehen in eine höhere Welt, und dazu ſind meine
Poeſieen die Verſuche. Mir ſcheinen die großen
Erſcheinungen der Menſchheit alle denſelben Zweck
zu haben, mit dieſen möcht ich mich berühren, in
Gemeinſchaft nur ihnen treten und in ihrer Mitte
unter ihrem Einfluß dieſelbe Bahn wandeln, ſtets
vorwärts ſchreiten mit dem Gefühl der Selbſterhebung,
mit dem Zweck der Vereinfachung, und des tieferen Er¬
kennens und Eingehens auf die Übung dieſer Kunſt,
ſo daß wie äußerlich vielleicht die hohen Kunſtwerke
der Griechen, als vollkommne göttliche Eingebung gal¬
ten und auf die Menge als ſolche zurückſtrahlten, und
von den Meiſtern auch in dieſem Sinn mit dieſer Con¬
zentration aller geiſtigen Kräfte gebildet wurden, ſo
ſammelt ſich meine Thätigkeit in meiner Seele; ſie
fühlt ihren Urſprung, ihr Ideal, ſie will ſich ſelbſt
nicht verlaſſen, ſie will ſich da hinüber bilden. Du aber
biſt das Kind, geboren im Land wo Milch und Honig
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/145>, abgerufen am 23.11.2024.
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