fühl ich mich in der Seele beleidigt, denn ich mag nichts wissen, ich schäme mich, und kränke mich daß auf dem Spielplatz meiner Seele all das lustige übermüthige Springen und Schwingen nicht mehr sein soll, wo ohne Umsehens alles verfliegt wie es gewonnen worden und von keiner Aufspeicherung die Rede ist.
Da hab ich noch eine Lust, -- der alt Herr hat ein klein Treibhaus, eine Kammer mit zwei Fenstern nach der Sonne hin, wo er selbsterzogne und Jahre lang gepflegte Gewächse bewahrt. Ich bin mit ihm gewesen und hab ihm helfen die Gewächse vom Staub reini¬ gen, viele hab ich nicht gekannt, er sagte mir ihren Namen, ihr Vaterland ihre Geschichte, wie er dazu ge¬ kommen, was er für Glück und Unglück mit ihrer Pflege gehabt, das alles ist lebendig und interessant, denn er ist alt und hat viel Kinder und also viel Sorgen, und ist kränklich; und nun ist seine Freude aus der sogenannten Fülle dieses großen weiten wissenschaftlichen Lebens, die paar südliche Pflanzen die hier unter seiner Liebe Schutz, ihr Leben im fremden Klima fristen, mit einer dürftigen Blüthe ihn erfreuen; im Keim schon unterscheidet er ob der Knospen bringen wird oder blos Blätter, zählt alle, betrachtet alle Tage wie sie vorrücken, da regt sich kein Blättchen er siehts und verstehts, Du solltest zuhören,
fühl ich mich in der Seele beleidigt, denn ich mag nichts wiſſen, ich ſchäme mich, und kränke mich daß auf dem Spielplatz meiner Seele all das luſtige übermüthige Springen und Schwingen nicht mehr ſein ſoll, wo ohne Umſehens alles verfliegt wie es gewonnen worden und von keiner Aufſpeicherung die Rede iſt.
Da hab ich noch eine Luſt, — der alt Herr hat ein klein Treibhaus, eine Kammer mit zwei Fenſtern nach der Sonne hin, wo er ſelbſterzogne und Jahre lang gepflegte Gewächſe bewahrt. Ich bin mit ihm geweſen und hab ihm helfen die Gewächſe vom Staub reini¬ gen, viele hab ich nicht gekannt, er ſagte mir ihren Namen, ihr Vaterland ihre Geſchichte, wie er dazu ge¬ kommen, was er für Glück und Unglück mit ihrer Pflege gehabt, das alles iſt lebendig und intereſſant, denn er iſt alt und hat viel Kinder und alſo viel Sorgen, und iſt kränklich; und nun iſt ſeine Freude aus der ſogenannten Fülle dieſes großen weiten wiſſenſchaftlichen Lebens, die paar ſüdliche Pflanzen die hier unter ſeiner Liebe Schutz, ihr Leben im fremden Klima friſten, mit einer dürftigen Blüthe ihn erfreuen; im Keim ſchon unterſcheidet er ob der Knospen bringen wird oder blos Blätter, zählt alle, betrachtet alle Tage wie ſie vorrücken, da regt ſich kein Blättchen er ſiehts und verſtehts, Du ſollteſt zuhören,
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fühl ich mich in der Seele beleidigt, denn ich mag nichts
wiſſen, ich ſchäme mich, und kränke mich daß auf dem
Spielplatz meiner Seele all das luſtige übermüthige
Springen und Schwingen nicht mehr ſein ſoll, wo ohne
Umſehens alles verfliegt wie es gewonnen worden und
von keiner Aufſpeicherung die Rede iſt.
Da hab ich noch eine Luſt, — der alt Herr hat ein
klein Treibhaus, eine Kammer mit zwei Fenſtern nach
der Sonne hin, wo er ſelbſterzogne und Jahre lang
gepflegte Gewächſe bewahrt. Ich bin mit ihm geweſen
und hab ihm helfen die Gewächſe vom Staub reini¬
gen, viele hab ich nicht gekannt, er ſagte mir ihren
Namen, ihr Vaterland ihre Geſchichte, wie er dazu ge¬
kommen, was er für Glück und Unglück mit ihrer Pflege
gehabt, das alles iſt lebendig und intereſſant, denn er
iſt alt und hat viel Kinder und alſo viel Sorgen, und iſt
kränklich; und nun iſt ſeine Freude aus der ſogenannten
Fülle dieſes großen weiten wiſſenſchaftlichen Lebens, die
paar ſüdliche Pflanzen die hier unter ſeiner Liebe Schutz,
ihr Leben im fremden Klima friſten, mit einer dürftigen
Blüthe ihn erfreuen; im Keim ſchon unterſcheidet er ob
der Knospen bringen wird oder blos Blätter, zählt alle,
betrachtet alle Tage wie ſie vorrücken, da regt ſich kein
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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