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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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nehmen soll, wenn ich das Frühere vom Späteren un¬
terscheiden soll, wenn ich Namen behalten soll, so sei
es nicht möglich bei gutem Gewissen mir Zeit und
Geld zu rauben. Es thut mir leid daß auch der mit
Blindheit geschlagen ist über mich und von der när¬
rischen Idee besessen, ich lerne um was zu wissen, um
Kenntniß zu sammeln; Gott bewahr, da könnte ich
nur innerlichen Raum mit Dingen ausfüllen die mir
im Weg sind, wenn sich ein Reisender viel Besitz¬
thum anschafft so hat er erst die Noth alles unterzu¬
bringen, und hat er sich an Überflüssiges gewöhnt, so
muß er einen Bagagewagen hinter sich drein fahren
haben. Den Mantel umgeschwungen und damit zum
Fenster hinaus und alles Gerümpel dahinten gelassen,
das ist meine Sinnesart, lernen will ich wie Luft trin¬
ken. -- Geist einathmen wodurch ich lebe, den ich aber
auch wieder ausathme, und nicht einen Geistballast in
mich schlucken an dem ich ersticken müßt. Das will
mir aber keiner zugeben, daß solche Unvernunft natur¬
gemäß sei. Ich würde am End freilich nichts wissen
was ich ihnen gern zugebe, aber ich würde Wissend
sein, was die mir nicht zugestehen, -- aber durchgeistigt
sein von des Wissens flüchtigem Salz, einen Hauch der

nehmen ſoll, wenn ich das Frühere vom Späteren un¬
terſcheiden ſoll, wenn ich Namen behalten ſoll, ſo ſei
es nicht möglich bei gutem Gewiſſen mir Zeit und
Geld zu rauben. Es thut mir leid daß auch der mit
Blindheit geſchlagen iſt über mich und von der när¬
riſchen Idee beſeſſen, ich lerne um was zu wiſſen, um
Kenntniß zu ſammeln; Gott bewahr, da könnte ich
nur innerlichen Raum mit Dingen ausfüllen die mir
im Weg ſind, wenn ſich ein Reiſender viel Beſitz¬
thum anſchafft ſo hat er erſt die Noth alles unterzu¬
bringen, und hat er ſich an Überflüſſiges gewöhnt, ſo
muß er einen Bagagewagen hinter ſich drein fahren
haben. Den Mantel umgeſchwungen und damit zum
Fenſter hinaus und alles Gerümpel dahinten gelaſſen,
das iſt meine Sinnesart, lernen will ich wie Luft trin¬
ken. — Geiſt einathmen wodurch ich lebe, den ich aber
auch wieder ausathme, und nicht einen Geiſtballaſt in
mich ſchlucken an dem ich erſticken müßt. Das will
mir aber keiner zugeben, daß ſolche Unvernunft natur¬
gemäß ſei. Ich würde am End freilich nichts wiſſen
was ich ihnen gern zugebe, aber ich würde Wiſſend
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[101/0115] nehmen ſoll, wenn ich das Frühere vom Späteren un¬ terſcheiden ſoll, wenn ich Namen behalten ſoll, ſo ſei es nicht möglich bei gutem Gewiſſen mir Zeit und Geld zu rauben. Es thut mir leid daß auch der mit Blindheit geſchlagen iſt über mich und von der när¬ riſchen Idee beſeſſen, ich lerne um was zu wiſſen, um Kenntniß zu ſammeln; Gott bewahr, da könnte ich nur innerlichen Raum mit Dingen ausfüllen die mir im Weg ſind, wenn ſich ein Reiſender viel Beſitz¬ thum anſchafft ſo hat er erſt die Noth alles unterzu¬ bringen, und hat er ſich an Überflüſſiges gewöhnt, ſo muß er einen Bagagewagen hinter ſich drein fahren haben. Den Mantel umgeſchwungen und damit zum Fenſter hinaus und alles Gerümpel dahinten gelaſſen, das iſt meine Sinnesart, lernen will ich wie Luft trin¬ ken. — Geiſt einathmen wodurch ich lebe, den ich aber auch wieder ausathme, und nicht einen Geiſtballaſt in mich ſchlucken an dem ich erſticken müßt. Das will mir aber keiner zugeben, daß ſolche Unvernunft natur¬ gemäß ſei. Ich würde am End freilich nichts wiſſen was ich ihnen gern zugebe, aber ich würde Wiſſend ſein, was die mir nicht zugeſtehen, — aber durchgeiſtigt ſein von des Wiſſens flüchtigem Salz, einen Hauch der

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/115>, abgerufen am 24.11.2024.