daß wenn ich den Brief schließe, ich schon nicht mehr weiß was er enthält; und nur ein Nachgefühl läßt mir die Ahnung zurück wie er Dich berühren werde; aber bald fang ich an zu zweifeln obs nicht lauter Einbil¬ dung sei, daß ich mir denke Dir tiefe innere Anschauun¬ gen mitgetheilt zu haben, und so fühl ich ermattende Zweifel und ich denk was soll doch das dicke Briefpaket, da kann doch unmöglich lauter Klugheit drinn stehen, wo soll ichs her haben, ists doch so leer mir im Kopf! -- und dann thut mirs so leid daß ich Dir nicht meine Seele konnt hingeben, nackt und blos wie sie Gott zu sich aufnimmt, daß ich statt ihrer Dir einen Schwall von Worten schickte, die suchen und suchen, Dir eine Flamme aus den Wassern dieses bodenlosen Oceans in dem wir alle schwimmen entgegen zu hauchen; da möcht ich den Brief aufbrechen, und nur einen Augen¬ blick wahrnehmen daß ichs Herz auf der Zunge hatte, und doch kommt er mir so versiegelt vor als sei er Dein Eigenthum schon, was mich nichts mehr angeht, weils immer Gott gleich von mir nimmt, sobald ichs in der Gluth meines Angesichts hingeschrieben hab. Ja es ist mir ein paar Mal geschehen daß ich einen Brief von mir bei Dir gefunden hab, so war er mir ganz fremd, und die Worte und Gedanken wunderten mich recht. Heute
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daß wenn ich den Brief ſchließe, ich ſchon nicht mehr weiß was er enthält; und nur ein Nachgefühl läßt mir die Ahnung zurück wie er Dich berühren werde; aber bald fang ich an zu zweifeln obs nicht lauter Einbil¬ dung ſei, daß ich mir denke Dir tiefe innere Anſchauun¬ gen mitgetheilt zu haben, und ſo fühl ich ermattende Zweifel und ich denk was ſoll doch das dicke Briefpaket, da kann doch unmöglich lauter Klugheit drinn ſtehen, wo ſoll ichs her haben, iſts doch ſo leer mir im Kopf! — und dann thut mirs ſo leid daß ich Dir nicht meine Seele konnt hingeben, nackt und blos wie ſie Gott zu ſich aufnimmt, daß ich ſtatt ihrer Dir einen Schwall von Worten ſchickte, die ſuchen und ſuchen, Dir eine Flamme aus den Waſſern dieſes bodenloſen Oceans in dem wir alle ſchwimmen entgegen zu hauchen; da möcht ich den Brief aufbrechen, und nur einen Augen¬ blick wahrnehmen daß ichs Herz auf der Zunge hatte, und doch kommt er mir ſo verſiegelt vor als ſei er Dein Eigenthum ſchon, was mich nichts mehr angeht, weils immer Gott gleich von mir nimmt, ſobald ichs in der Gluth meines Angeſichts hingeſchrieben hab. Ja es iſt mir ein paar Mal geſchehen daß ich einen Brief von mir bei Dir gefunden hab, ſo war er mir ganz fremd, und die Worte und Gedanken wunderten mich recht. Heute
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daß wenn ich den Brief ſchließe, ich ſchon nicht mehr
weiß was er enthält; und nur ein Nachgefühl läßt mir
die Ahnung zurück wie er Dich berühren werde; aber
bald fang ich an zu zweifeln obs nicht lauter Einbil¬
dung ſei, daß ich mir denke Dir tiefe innere Anſchauun¬
gen mitgetheilt zu haben, und ſo fühl ich ermattende
Zweifel und ich denk was ſoll doch das dicke Briefpaket,
da kann doch unmöglich lauter Klugheit drinn ſtehen,
wo ſoll ichs her haben, iſts doch ſo leer mir im Kopf! —
und dann thut mirs ſo leid daß ich Dir nicht meine
Seele konnt hingeben, nackt und blos wie ſie Gott
zu ſich aufnimmt, daß ich ſtatt ihrer Dir einen Schwall
von Worten ſchickte, die ſuchen und ſuchen, Dir eine
Flamme aus den Waſſern dieſes bodenloſen Oceans
in dem wir alle ſchwimmen entgegen zu hauchen; da
möcht ich den Brief aufbrechen, und nur einen Augen¬
blick wahrnehmen daß ichs Herz auf der Zunge hatte,
und doch kommt er mir ſo verſiegelt vor als ſei er Dein
Eigenthum ſchon, was mich nichts mehr angeht, weils
immer Gott gleich von mir nimmt, ſobald ichs in der
Gluth meines Angeſichts hingeſchrieben hab. Ja es iſt
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/113>, abgerufen am 21.11.2024.
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