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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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ich mußte alles so tief ansehen, und da lernt ich gleich
ihre Formen fassen ich sah sie viel kräftiger an, und ich
hatte unter zwei Tannen gelegen, die ihre Äste noch
bis am Erdboden hängen hatten, und guckte die feinen
Nadeln an wie sie so gleichmäßig gereiht waren, und
wie sie die klebrigen Knospen so schützend in ihrer Mitte
tragen. Da dacht ich, ist doch kein Gedanke so kräf¬
tig und so wahr wie dieser Baum und ich hab noch
nichts gehört von Menschen sagen, wo der Gedanke
gleich schon seine Knospe der Zukunft in sich bewahrte;
und drum ist auch alles platt und kein Leben drinn,
denn alles was lebendig ist das muß die ganze Zukunft
in sich tragen sonst ist es nichts, und alles Thun der
Menschen muß so sein sonst ists Sünde, und da dacht
ich, wie ist es möglich daß jede Handlung gleich den
Keim der Zukunft in sich fasse? aber da wußt ichs
gleich, nämlich jede Handlung muß den höchsten Zweck
haben, und ein hoher Zweck ist ja doch die Knospe der
Zukunft. O ich wollt gleich die Welt regieren, und die
Leute sollten sich verwundern, das hab ich in jenem er¬
sten Moment gelernt von der Natur, wie ich das ma¬
chen soll, und glaub nur, ich würde nie fehl gehen,
im Anfang würde es viel Staub setzen, wenn ich gegen
das alte Gemäuer anrennen ließ, wenn aber erst die

ich mußte alles ſo tief anſehen, und da lernt ich gleich
ihre Formen faſſen ich ſah ſie viel kräftiger an, und ich
hatte unter zwei Tannen gelegen, die ihre Äſte noch
bis am Erdboden hängen hatten, und guckte die feinen
Nadeln an wie ſie ſo gleichmäßig gereiht waren, und
wie ſie die klebrigen Knoſpen ſo ſchützend in ihrer Mitte
tragen. Da dacht ich, iſt doch kein Gedanke ſo kräf¬
tig und ſo wahr wie dieſer Baum und ich hab noch
nichts gehört von Menſchen ſagen, wo der Gedanke
gleich ſchon ſeine Knoſpe der Zukunft in ſich bewahrte;
und drum iſt auch alles platt und kein Leben drinn,
denn alles was lebendig iſt das muß die ganze Zukunft
in ſich tragen ſonſt iſt es nichts, und alles Thun der
Menſchen muß ſo ſein ſonſt iſts Sünde, und da dacht
ich, wie iſt es möglich daß jede Handlung gleich den
Keim der Zukunft in ſich faſſe? aber da wußt ichs
gleich, nämlich jede Handlung muß den höchſten Zweck
haben, und ein hoher Zweck iſt ja doch die Knoſpe der
Zukunft. O ich wollt gleich die Welt regieren, und die
Leute ſollten ſich verwundern, das hab ich in jenem er¬
ſten Moment gelernt von der Natur, wie ich das ma¬
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[400/0416] ich mußte alles ſo tief anſehen, und da lernt ich gleich ihre Formen faſſen ich ſah ſie viel kräftiger an, und ich hatte unter zwei Tannen gelegen, die ihre Äſte noch bis am Erdboden hängen hatten, und guckte die feinen Nadeln an wie ſie ſo gleichmäßig gereiht waren, und wie ſie die klebrigen Knoſpen ſo ſchützend in ihrer Mitte tragen. Da dacht ich, iſt doch kein Gedanke ſo kräf¬ tig und ſo wahr wie dieſer Baum und ich hab noch nichts gehört von Menſchen ſagen, wo der Gedanke gleich ſchon ſeine Knoſpe der Zukunft in ſich bewahrte; und drum iſt auch alles platt und kein Leben drinn, denn alles was lebendig iſt das muß die ganze Zukunft in ſich tragen ſonſt iſt es nichts, und alles Thun der Menſchen muß ſo ſein ſonſt iſts Sünde, und da dacht ich, wie iſt es möglich daß jede Handlung gleich den Keim der Zukunft in ſich faſſe? aber da wußt ichs gleich, nämlich jede Handlung muß den höchſten Zweck haben, und ein hoher Zweck iſt ja doch die Knoſpe der Zukunft. O ich wollt gleich die Welt regieren, und die Leute ſollten ſich verwundern, das hab ich in jenem er¬ ſten Moment gelernt von der Natur, wie ich das ma¬ chen ſoll, und glaub nur, ich würde nie fehl gehen, im Anfang würde es viel Staub ſetzen, wenn ich gegen das alte Gemäuer anrennen ließ, wenn aber erſt die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/416>, abgerufen am 29.11.2024.