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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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gesagt hatte ich soll alles schreiben was mir durch den
Kopf geht, so wollt ichs durchsetzen. Jetzt gefällt
mir aber doch etwas in dem Gedanken, ich kann ihn
ja zu was Großem machen wenn ich einen großen
Sinn hineinlege, und wenn ich alles was ich so schreib
ohne zu wissen warum mit Gewalt wahr mache. -- Ja
ich fühl es hängt mit dem ersten Gedanken zusammen,
es ist die Genialität der Tugend wenn der ganze Mensch
in sich einverstanden ist, und es ist gewiß was die mei¬
sten nicht thun. Ach nun kommt mir gar die Moral
in Weg, laß mich nur lieber die Gedanken weiter ab¬
schreiben, dann kleb ich den Deckel zu vom Buch daß
ich sie nicht mehr seh. -- Dann fallen mir vielleicht bes¬
sere Sachen ein die nicht so steifstellig sind. Ich bin
also wieder auf meine Pappel geklettert, denn es ist mir
grad als kämen mir nur da oben Gedanken, aber kaum
war ich droben so mußt ich auch schon wieder herunter,
und der kam mir ganz begeisternd vor so daß ich mit
großen Freuden meine drei Treppen heraufgesprungen kam.

Den Geist nähren, das ist Religion.
Ja wenn ich das könnt, dacht ich wie ich wieder auf
meiner Pappel saß und jetzt nicht mehr herunter wollt,
denn es war so schön geworden der ganze Himmel,
Abendroth, und der Luftkrystalle unendlich viele die

geſagt hatte ich ſoll alles ſchreiben was mir durch den
Kopf geht, ſo wollt ichs durchſetzen. Jetzt gefällt
mir aber doch etwas in dem Gedanken, ich kann ihn
ja zu was Großem machen wenn ich einen großen
Sinn hineinlege, und wenn ich alles was ich ſo ſchreib
ohne zu wiſſen warum mit Gewalt wahr mache. — Ja
ich fühl es hängt mit dem erſten Gedanken zuſammen,
es iſt die Genialität der Tugend wenn der ganze Menſch
in ſich einverſtanden iſt, und es iſt gewiß was die mei¬
ſten nicht thun. Ach nun kommt mir gar die Moral
in Weg, laß mich nur lieber die Gedanken weiter ab¬
ſchreiben, dann kleb ich den Deckel zu vom Buch daß
ich ſie nicht mehr ſeh. — Dann fallen mir vielleicht beſ¬
ſere Sachen ein die nicht ſo ſteifſtellig ſind. Ich bin
alſo wieder auf meine Pappel geklettert, denn es iſt mir
grad als kämen mir nur da oben Gedanken, aber kaum
war ich droben ſo mußt ich auch ſchon wieder herunter,
und der kam mir ganz begeiſternd vor ſo daß ich mit
großen Freuden meine drei Treppen heraufgeſprungen kam.

Den Geiſt nähren, das iſt Religion.
Ja wenn ich das könnt, dacht ich wie ich wieder auf
meiner Pappel ſaß und jetzt nicht mehr herunter wollt,
denn es war ſo ſchön geworden der ganze Himmel,
Abendroth, und der Luftkryſtalle unendlich viele die

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[389/0405] geſagt hatte ich ſoll alles ſchreiben was mir durch den Kopf geht, ſo wollt ichs durchſetzen. Jetzt gefällt mir aber doch etwas in dem Gedanken, ich kann ihn ja zu was Großem machen wenn ich einen großen Sinn hineinlege, und wenn ich alles was ich ſo ſchreib ohne zu wiſſen warum mit Gewalt wahr mache. — Ja ich fühl es hängt mit dem erſten Gedanken zuſammen, es iſt die Genialität der Tugend wenn der ganze Menſch in ſich einverſtanden iſt, und es iſt gewiß was die mei¬ ſten nicht thun. Ach nun kommt mir gar die Moral in Weg, laß mich nur lieber die Gedanken weiter ab¬ ſchreiben, dann kleb ich den Deckel zu vom Buch daß ich ſie nicht mehr ſeh. — Dann fallen mir vielleicht beſ¬ ſere Sachen ein die nicht ſo ſteifſtellig ſind. Ich bin alſo wieder auf meine Pappel geklettert, denn es iſt mir grad als kämen mir nur da oben Gedanken, aber kaum war ich droben ſo mußt ich auch ſchon wieder herunter, und der kam mir ganz begeiſternd vor ſo daß ich mit großen Freuden meine drei Treppen heraufgeſprungen kam. Den Geiſt nähren, das iſt Religion. Ja wenn ich das könnt, dacht ich wie ich wieder auf meiner Pappel ſaß und jetzt nicht mehr herunter wollt, denn es war ſo ſchön geworden der ganze Himmel, Abendroth, und der Luftkryſtalle unendlich viele die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/405>, abgerufen am 16.07.2024.