rabeau, als ich zu Bett ging war ich ganz verwirrt und konnt an nichts Liebes mehr denken, ich mußt gleich einschlafen. -- Wies doch in der Großmama ihrem Kopf aussehen mag? -- so viel an einander gehängt wozu kein Mensch die Lösung fände, ob ich wohl auch so bin! -- Das Haus wird jetzt nicht leer an merkwürdi¬ gen Leuten, alle französische Journale werden gelesen und besprochen, ich muß wider Willen Antheil nehmen an ihren Witzen über Hof und Hofstaat, Kostüm, Li¬ vreen, Uniformen, Schmuck und Spitzenbehänge des weiblichen Personals, alles wird durchgemustert, dann die allgemeine große Ablaßanonce von dreißig Tagen um die Franzosen aus des Teufels Sclaverei zu befreien. Ich stehe unter den Disputirenden wie unter einer Traufe; Protestant, Philosoph, Enciclopedist, Illuminat, Demo¬ krat, Jacobiner, Terrorist, homme de sang, alles regnet auf mich herab, worunter man immer dasselbe versteht. "Von oben herab verkennen sie alles" sagte der Vari¬ court, "von unten ist alles Bosheit und Lüge der hinan¬ klimmenden", und sprach noch über die ungeheuren Schmeicheleien die Bonaparte einschlucke: "ce n'est pas du bon style que d'avaler de si gros mensonges, la veracite est le seul moyen de cultiver la nature hu¬
rabeau, als ich zu Bett ging war ich ganz verwirrt und konnt an nichts Liebes mehr denken, ich mußt gleich einſchlafen. — Wies doch in der Großmama ihrem Kopf ausſehen mag? — ſo viel an einander gehängt wozu kein Menſch die Löſung fände, ob ich wohl auch ſo bin! — Das Haus wird jetzt nicht leer an merkwürdi¬ gen Leuten, alle franzöſiſche Journale werden geleſen und beſprochen, ich muß wider Willen Antheil nehmen an ihren Witzen über Hof und Hofſtaat, Koſtüm, Li¬ vreen, Uniformen, Schmuck und Spitzenbehänge des weiblichen Perſonals, alles wird durchgemuſtert, dann die allgemeine große Ablaßanonce von dreißig Tagen um die Franzoſen aus des Teufels Sclaverei zu befreien. Ich ſtehe unter den Disputirenden wie unter einer Traufe; Proteſtant, Philoſoph, Enciclopediſt, Illuminat, Demo¬ krat, Jacobiner, Terroriſt, homme de sang, alles regnet auf mich herab, worunter man immer daſſelbe verſteht. „Von oben herab verkennen ſie alles“ ſagte der Vari¬ court, „von unten iſt alles Bosheit und Lüge der hinan¬ klimmenden“, und ſprach noch über die ungeheuren Schmeicheleien die Bonaparte einſchlucke: „ce n'est pas du bon style que d'avaler de si gros mensonges, la véracité est le seul moyen de cultiver la nature hu¬
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rabeau, als ich zu Bett ging war ich ganz verwirrt
und konnt an nichts Liebes mehr denken, ich mußt gleich
einſchlafen. — Wies doch in der Großmama ihrem Kopf
ausſehen mag? — ſo viel an einander gehängt wozu
kein Menſch die Löſung fände, ob ich wohl auch ſo
bin! — Das Haus wird jetzt nicht leer an merkwürdi¬
gen Leuten, alle franzöſiſche Journale werden geleſen
und beſprochen, ich muß wider Willen Antheil nehmen
an ihren Witzen über Hof und Hofſtaat, Koſtüm, Li¬
vreen, Uniformen, Schmuck und Spitzenbehänge des
weiblichen Perſonals, alles wird durchgemuſtert, dann
die allgemeine große Ablaßanonce von dreißig Tagen um
die Franzoſen aus des Teufels Sclaverei zu befreien.
Ich ſtehe unter den Disputirenden wie unter einer Traufe;
Proteſtant, Philoſoph, Enciclopediſt, Illuminat, Demo¬
krat, Jacobiner, Terroriſt, homme de sang, alles regnet
auf mich herab, worunter man immer daſſelbe verſteht.
„Von oben herab verkennen ſie alles“ ſagte der Vari¬
court, „von unten iſt alles Bosheit und Lüge der hinan¬
klimmenden“, und ſprach noch über die ungeheuren
Schmeicheleien die Bonaparte einſchlucke: „ce n'est pas
du bon style que d'avaler de si gros mensonges, la
véracité est le seul moyen de cultiver la nature hu¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/386>, abgerufen am 26.11.2024.
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