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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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Briefe in drei Jahren geschrieben, die er über Land
und Meer gegangen wähnte, noch versiegelt wiederge¬
funden, und die Antworten, welche von Stadion selbst
erfunden waren und von verschiedenen Secretairen ab¬
geschrieben, dazu, und er sagte ihm daß er ihn so habe
zum Staatsmann bilden wollen. Dies hat den Gro߬
papa erst sehr bestürzt gemacht, dann aber ihn tief ge¬
rührt, und hat diese Briefe als ein heilig Merkmal
von Stadions großem liebevollem Geist sich aufbewahrt.
Die Großmama hat diese Briefe noch alle und will mir
sie schenken. -- Sie war gesprächisch heut, sie wird alle
Tage liebevoller zu mir, sie sagt, mir erzähle sie gern,
obschon manches in die Erinnerung zu wecken ihr schwer
werde; sie sprach viel von der Mama, von ihrer Anmuth
und feinem Herzen, sie sagte: Alles was Ihr Kinder
an Schönheit und Geist theilt das hat Eure Mutter
in sich vereint; und dann hat sie zu sehr geweint um
von ihr weiter zu sprechen, die Thränen erstickten ihre
Stimme. -- Sie legte die Hand auf meinen Kopf wäh¬
rend sie sprach, und als der Mond hinter den Wolken
hervorkam da sagte sie -- wie schön Dich der Mond
beleuchtet, das wär ein schönes Bild zum malen. --
Und ich hatte in demselben Augenblick auch den Gedan¬
ken von der Großmama, es war gar wunderlich wie

Briefe in drei Jahren geſchrieben, die er über Land
und Meer gegangen wähnte, noch verſiegelt wiederge¬
funden, und die Antworten, welche von Stadion ſelbſt
erfunden waren und von verſchiedenen Secretairen ab¬
geſchrieben, dazu, und er ſagte ihm daß er ihn ſo habe
zum Staatsmann bilden wollen. Dies hat den Gro߬
papa erſt ſehr beſtürzt gemacht, dann aber ihn tief ge¬
rührt, und hat dieſe Briefe als ein heilig Merkmal
von Stadions großem liebevollem Geiſt ſich aufbewahrt.
Die Großmama hat dieſe Briefe noch alle und will mir
ſie ſchenken. — Sie war geſprächiſch heut, ſie wird alle
Tage liebevoller zu mir, ſie ſagt, mir erzähle ſie gern,
obſchon manches in die Erinnerung zu wecken ihr ſchwer
werde; ſie ſprach viel von der Mama, von ihrer Anmuth
und feinem Herzen, ſie ſagte: Alles was Ihr Kinder
an Schönheit und Geiſt theilt das hat Eure Mutter
in ſich vereint; und dann hat ſie zu ſehr geweint um
von ihr weiter zu ſprechen, die Thränen erſtickten ihre
Stimme. — Sie legte die Hand auf meinen Kopf wäh¬
rend ſie ſprach, und als der Mond hinter den Wolken
hervorkam da ſagte ſie — wie ſchön Dich der Mond
beleuchtet, das wär ein ſchönes Bild zum malen. —
Und ich hatte in demſelben Augenblick auch den Gedan¬
ken von der Großmama, es war gar wunderlich wie

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[276/0292] Briefe in drei Jahren geſchrieben, die er über Land und Meer gegangen wähnte, noch verſiegelt wiederge¬ funden, und die Antworten, welche von Stadion ſelbſt erfunden waren und von verſchiedenen Secretairen ab¬ geſchrieben, dazu, und er ſagte ihm daß er ihn ſo habe zum Staatsmann bilden wollen. Dies hat den Gro߬ papa erſt ſehr beſtürzt gemacht, dann aber ihn tief ge¬ rührt, und hat dieſe Briefe als ein heilig Merkmal von Stadions großem liebevollem Geiſt ſich aufbewahrt. Die Großmama hat dieſe Briefe noch alle und will mir ſie ſchenken. — Sie war geſprächiſch heut, ſie wird alle Tage liebevoller zu mir, ſie ſagt, mir erzähle ſie gern, obſchon manches in die Erinnerung zu wecken ihr ſchwer werde; ſie ſprach viel von der Mama, von ihrer Anmuth und feinem Herzen, ſie ſagte: Alles was Ihr Kinder an Schönheit und Geiſt theilt das hat Eure Mutter in ſich vereint; und dann hat ſie zu ſehr geweint um von ihr weiter zu ſprechen, die Thränen erſtickten ihre Stimme. — Sie legte die Hand auf meinen Kopf wäh¬ rend ſie ſprach, und als der Mond hinter den Wolken hervorkam da ſagte ſie — wie ſchön Dich der Mond beleuchtet, das wär ein ſchönes Bild zum malen. — Und ich hatte in demſelben Augenblick auch den Gedan¬ ken von der Großmama, es war gar wunderlich wie

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/292>, abgerufen am 27.11.2024.