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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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er solle dort mit in sein zerrissnes Saitenspiel ein¬
tönen.

Ich hab jetzt so viele Gesellschaftsnoth, ich muß
diese Woche schon zum zweitenmal in den schwarzen
Stiftstalar kriechen, auch dahinein verfolgt mich meine
närrische Feigheit, ich komme mir so fremd drinn vor,
es ist mir so ungewöhnlich eine angelehnte Würde öf¬
fentlich zu behaupten, daß ich immer den Kopf hängen
muß und muß auf die Seite sehen, wenn ich angeredet
werde. Gestern haben wir in Corpore beim Primas zu
Mittag gespeist, da verlor ich mein Ordenskreuz, es lag
unterm Stuhl, ich fühlte es mit der Fußspitze, das machte
mich so confus, und denk nur der Primas selbst hat es
aufgehoben, und bat um Erlaubniß es anzuheften auf
die Schulter, dazu kam unsere Duenna und nahm die
Mühe auf sich, Gott sei Dank, -- ich konnte doch die
ganze Nacht nicht vor der Geschichte schlafen, ich muß
roth werden, wenn ich dran denke, -- dann war ich
bei der Haiden -- der Moritz im Cabriolet ist mir begeg¬
net, von da in der Comödie in Eurer Loge, George
führte mich hinein. Die Geschwister. -- Es war sehr leer
wegen der Hitze, George war fortgegangen, die Frau
Ruth saß ganz allein auf meiner Seite, sie rief aufs
Theater: "Herr Verdy spielen Sie nur tüchtig, Ich bin

er ſolle dort mit in ſein zerriſſnes Saitenſpiel ein¬
tönen.

Ich hab jetzt ſo viele Geſellſchaftsnoth, ich muß
dieſe Woche ſchon zum zweitenmal in den ſchwarzen
Stiftstalar kriechen, auch dahinein verfolgt mich meine
närriſche Feigheit, ich komme mir ſo fremd drinn vor,
es iſt mir ſo ungewöhnlich eine angelehnte Würde öf¬
fentlich zu behaupten, daß ich immer den Kopf hängen
muß und muß auf die Seite ſehen, wenn ich angeredet
werde. Geſtern haben wir in Corpore beim Primas zu
Mittag geſpeiſt, da verlor ich mein Ordenskreuz, es lag
unterm Stuhl, ich fühlte es mit der Fußſpitze, das machte
mich ſo confus, und denk nur der Primas ſelbſt hat es
aufgehoben, und bat um Erlaubniß es anzuheften auf
die Schulter, dazu kam unſere Duenna und nahm die
Mühe auf ſich, Gott ſei Dank, — ich konnte doch die
ganze Nacht nicht vor der Geſchichte ſchlafen, ich muß
roth werden, wenn ich dran denke, — dann war ich
bei der Haiden — der Moritz im Cabriolet iſt mir begeg¬
net, von da in der Comödie in Eurer Loge, George
führte mich hinein. Die Geſchwiſter. — Es war ſehr leer
wegen der Hitze, George war fortgegangen, die Frau
Ruth ſaß ganz allein auf meiner Seite, ſie rief aufs
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[260/0276] er ſolle dort mit in ſein zerriſſnes Saitenſpiel ein¬ tönen. Ich hab jetzt ſo viele Geſellſchaftsnoth, ich muß dieſe Woche ſchon zum zweitenmal in den ſchwarzen Stiftstalar kriechen, auch dahinein verfolgt mich meine närriſche Feigheit, ich komme mir ſo fremd drinn vor, es iſt mir ſo ungewöhnlich eine angelehnte Würde öf¬ fentlich zu behaupten, daß ich immer den Kopf hängen muß und muß auf die Seite ſehen, wenn ich angeredet werde. Geſtern haben wir in Corpore beim Primas zu Mittag geſpeiſt, da verlor ich mein Ordenskreuz, es lag unterm Stuhl, ich fühlte es mit der Fußſpitze, das machte mich ſo confus, und denk nur der Primas ſelbſt hat es aufgehoben, und bat um Erlaubniß es anzuheften auf die Schulter, dazu kam unſere Duenna und nahm die Mühe auf ſich, Gott ſei Dank, — ich konnte doch die ganze Nacht nicht vor der Geſchichte ſchlafen, ich muß roth werden, wenn ich dran denke, — dann war ich bei der Haiden — der Moritz im Cabriolet iſt mir begeg¬ net, von da in der Comödie in Eurer Loge, George führte mich hinein. Die Geſchwiſter. — Es war ſehr leer wegen der Hitze, George war fortgegangen, die Frau Ruth ſaß ganz allein auf meiner Seite, ſie rief aufs Theater: „Herr Verdy ſpielen Sie nur tüchtig, Ich bin

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/276>, abgerufen am 26.11.2024.