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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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den Samen doppelt spendet, giebt Zeugniß. Engherzig¬
keit wird nimmer ihren Samen spalten zum Licht, sie
verkeimt. Jetzt fang ich an zu fühlen zu was ich da
bin. Alle Morgen bet ich wenn ich aufwache: "Lieber
Gott, warum bin ich geboren," und jetzt weiß ichs, --
darum daß ich nicht so unsinnig sein soll wie die an¬
dern sind, daß ich den reinen Pfad wandle in meinem
Herzen bezeichnet, für was hätt ihn der Finger Gottes
mir eingeprägt und meine fünf Sinne in die Schule ge¬
nommen, daß ein jeder ihn buchstabiren lerne, wenn es
nicht wär diesen Weg zu bekennen. -- Ja man muß
dem Menschen Weisheit zumuthen und sie ihm als den
einfachen Weg der Natur vorschreiben, aber das Ver¬
läugnen eines großen mächtigen Weltsinnes in uns, ist
immer Folge unseres Sittenlebens mit andern, das
hängt sich einem an, daß man keinen freien Athemzug
mehr thun kann, nicht groß denken, nicht groß fühlen
aus lauter Höflichkeit und Sittlichkeit. Groß handlen,
das dank einem der Teufel, das müßte von selbst ge¬
schehen wenn alles natürlich im Leben zuging. Es ist
eine Schande, was die Menschen alles mit dem Namen
Großmuth belegen, als ob nicht ein rasches selbstthätiges
Leben, immer das als elektrisches Feuer ausströmen
müsse was man große Handlung nennt. --

den Samen doppelt ſpendet, giebt Zeugniß. Engherzig¬
keit wird nimmer ihren Samen ſpalten zum Licht, ſie
verkeimt. Jetzt fang ich an zu fühlen zu was ich da
bin. Alle Morgen bet ich wenn ich aufwache: „Lieber
Gott, warum bin ich geboren,“ und jetzt weiß ichs, —
darum daß ich nicht ſo unſinnig ſein ſoll wie die an¬
dern ſind, daß ich den reinen Pfad wandle in meinem
Herzen bezeichnet, für was hätt ihn der Finger Gottes
mir eingeprägt und meine fünf Sinne in die Schule ge¬
nommen, daß ein jeder ihn buchſtabiren lerne, wenn es
nicht wär dieſen Weg zu bekennen. — Ja man muß
dem Menſchen Weisheit zumuthen und ſie ihm als den
einfachen Weg der Natur vorſchreiben, aber das Ver¬
läugnen eines großen mächtigen Weltſinnes in uns, iſt
immer Folge unſeres Sittenlebens mit andern, das
hängt ſich einem an, daß man keinen freien Athemzug
mehr thun kann, nicht groß denken, nicht groß fühlen
aus lauter Höflichkeit und Sittlichkeit. Groß handlen,
das dank einem der Teufel, das müßte von ſelbſt ge¬
ſchehen wenn alles natürlich im Leben zuging. Es iſt
eine Schande, was die Menſchen alles mit dem Namen
Großmuth belegen, als ob nicht ein raſches ſelbſtthätiges
Leben, immer das als elektriſches Feuer ausſtrömen
müſſe was man große Handlung nennt. —

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[247/0263] den Samen doppelt ſpendet, giebt Zeugniß. Engherzig¬ keit wird nimmer ihren Samen ſpalten zum Licht, ſie verkeimt. Jetzt fang ich an zu fühlen zu was ich da bin. Alle Morgen bet ich wenn ich aufwache: „Lieber Gott, warum bin ich geboren,“ und jetzt weiß ichs, — darum daß ich nicht ſo unſinnig ſein ſoll wie die an¬ dern ſind, daß ich den reinen Pfad wandle in meinem Herzen bezeichnet, für was hätt ihn der Finger Gottes mir eingeprägt und meine fünf Sinne in die Schule ge¬ nommen, daß ein jeder ihn buchſtabiren lerne, wenn es nicht wär dieſen Weg zu bekennen. — Ja man muß dem Menſchen Weisheit zumuthen und ſie ihm als den einfachen Weg der Natur vorſchreiben, aber das Ver¬ läugnen eines großen mächtigen Weltſinnes in uns, iſt immer Folge unſeres Sittenlebens mit andern, das hängt ſich einem an, daß man keinen freien Athemzug mehr thun kann, nicht groß denken, nicht groß fühlen aus lauter Höflichkeit und Sittlichkeit. Groß handlen, das dank einem der Teufel, das müßte von ſelbſt ge¬ ſchehen wenn alles natürlich im Leben zuging. Es iſt eine Schande, was die Menſchen alles mit dem Namen Großmuth belegen, als ob nicht ein raſches ſelbſtthätiges Leben, immer das als elektriſches Feuer ausſtrömen müſſe was man große Handlung nennt. —

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/263>, abgerufen am 25.11.2024.