weil ich Deine Strömungen kenne und oft von ihnen mitgerissen bin worden, und noch täglich empfinde ich Deinen gewaltigen Wellenschlag. Du bist die wilde Brandung und ich bin kein guter Steuermann glücklich durchzuschiffen, ich will Dich gern schirmen gegen die Forderungen und ewigen Versuche des Clemens, aber wenn auch in der Mitte meines Herzens das feste Ver¬ trauen zu Dir und Deinen guten Sternen innewohnt, so zittert und erbebt doch alles rings umher furchtsam in mir vor Menschensatzung und Ordnung bestehender Dinge, und noch mehr erbebe ich vor Deiner eignen Natur. Ja schelte mich nur, aber Dir mein Bekenntniß unverholen zu machen: mein einziger Gedanke ist, wo wird das hinführen? -- Du lachst mich aus, und kannst es auch, weil eine elektrische Kraft Dich so durchdringt, daß Du im Feuer ohne Rauch keine Ahnung vom Ersticken hast. -- Aber ich habe nichts was mich von jenem Lebenerdrückenden Vorläufer des Feuers rette, ich fühle mich ohnmächtig in meinem Wil¬ len, so wie Du ihn anregst, obschon ich empfinde, daß Deine Natur so und nicht anders sein dürfte, denn sonst wär sie gar nicht, denn Du bist nur blos das was außer den Grenzen, dem Gewöhnlichen unsichtbar, uner¬ reichbar ist; sonst bist Du unwahr, nicht Du selber, und
weil ich Deine Strömungen kenne und oft von ihnen mitgeriſſen bin worden, und noch täglich empfinde ich Deinen gewaltigen Wellenſchlag. Du biſt die wilde Brandung und ich bin kein guter Steuermann glücklich durchzuſchiffen, ich will Dich gern ſchirmen gegen die Forderungen und ewigen Verſuche des Clemens, aber wenn auch in der Mitte meines Herzens das feſte Ver¬ trauen zu Dir und Deinen guten Sternen innewohnt, ſo zittert und erbebt doch alles rings umher furchtſam in mir vor Menſchenſatzung und Ordnung beſtehender Dinge, und noch mehr erbebe ich vor Deiner eignen Natur. Ja ſchelte mich nur, aber Dir mein Bekenntniß unverholen zu machen: mein einziger Gedanke iſt, wo wird das hinführen? — Du lachſt mich aus, und kannſt es auch, weil eine elektriſche Kraft Dich ſo durchdringt, daß Du im Feuer ohne Rauch keine Ahnung vom Erſticken haſt. — Aber ich habe nichts was mich von jenem Lebenerdrückenden Vorläufer des Feuers rette, ich fühle mich ohnmächtig in meinem Wil¬ len, ſo wie Du ihn anregſt, obſchon ich empfinde, daß Deine Natur ſo und nicht anders ſein dürfte, denn ſonſt wär ſie gar nicht, denn Du biſt nur blos das was außer den Grenzen, dem Gewöhnlichen unſichtbar, uner¬ reichbar iſt; ſonſt biſt Du unwahr, nicht Du ſelber, und
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weil ich Deine Strömungen kenne und oft von ihnen
mitgeriſſen bin worden, und noch täglich empfinde ich
Deinen gewaltigen Wellenſchlag. Du biſt die wilde
Brandung und ich bin kein guter Steuermann glücklich
durchzuſchiffen, ich will Dich gern ſchirmen gegen die
Forderungen und ewigen Verſuche des Clemens, aber
wenn auch in der Mitte meines Herzens das feſte Ver¬
trauen zu Dir und Deinen guten Sternen innewohnt,
ſo zittert und erbebt doch alles rings umher furchtſam
in mir vor Menſchenſatzung und Ordnung beſtehender
Dinge, und noch mehr erbebe ich vor Deiner eignen
Natur. Ja ſchelte mich nur, aber Dir mein Bekenntniß
unverholen zu machen: mein einziger Gedanke iſt,
wo wird das hinführen? — Du lachſt mich aus, und
kannſt es auch, weil eine elektriſche Kraft Dich
ſo durchdringt, daß Du im Feuer ohne Rauch keine
Ahnung vom Erſticken haſt. — Aber ich habe nichts
was mich von jenem Lebenerdrückenden Vorläufer des
Feuers rette, ich fühle mich ohnmächtig in meinem Wil¬
len, ſo wie Du ihn anregſt, obſchon ich empfinde, daß
Deine Natur ſo und nicht anders ſein dürfte, denn ſonſt
wär ſie gar nicht, denn Du biſt nur blos das was
außer den Grenzen, dem Gewöhnlichen unſichtbar, uner¬
reichbar iſt; ſonſt biſt Du unwahr, nicht Du ſelber, und
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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