chen Lehren, ich hab ihn nicht mehr gesehen und hab auch nichts mehr von ihm gehört, er war wenige Tage darauf weggezogen, man wußte nicht wohin. -- Es wurde noch mancherlei von ihm gesprochen, als sei er ein Betrüger, ich nahm mir das nicht an, ich hielt am Wort was er mir gesagt hatte, daß die Sonne und Mond mich wollten wohlschmeckend machen, obschon es mir beinah so ging wie den Andern, die beim Erwa¬ chen nichts mehr wissen; ich konnte mich nicht mehr auf das besinnen, was ich mir doch gewiß vorgenom¬ men hatte, nicht zu vergessen. Aber wenn mir so Ge¬ danken kommen, die mich belehren, da denk ich manch¬ mal auf den Mann zurück, ich möchte sie zwar gern behalten oder aufschreiben, aber sie ziehen mich immer weiter, und um den nächsten nicht zu versäumen, muß ich den früheren aufgeben, so ists daß ich nicht anders kann; es muß doch so in der Natur des Lichts liegen was den Menschen durchströmt und ihn nährt, wie die Sonnenstrahlen die Pflanze -- daß das frische Licht immer das frühere verdrängt, wie im Strom eine Welle die andere, so mag es denn hingehen, daß ich kein Buch schreiben kann wie der Clemens will, ich müßt ein Herbarium machen und sie trocknen, daß ich sie könnt neben einander hinlegen, unterdessen würden so
man¬
chen Lehren, ich hab ihn nicht mehr geſehen und hab auch nichts mehr von ihm gehört, er war wenige Tage darauf weggezogen, man wußte nicht wohin. — Es wurde noch mancherlei von ihm geſprochen, als ſei er ein Betrüger, ich nahm mir das nicht an, ich hielt am Wort was er mir geſagt hatte, daß die Sonne und Mond mich wollten wohlſchmeckend machen, obſchon es mir beinah ſo ging wie den Andern, die beim Erwa¬ chen nichts mehr wiſſen; ich konnte mich nicht mehr auf das beſinnen, was ich mir doch gewiß vorgenom¬ men hatte, nicht zu vergeſſen. Aber wenn mir ſo Ge¬ danken kommen, die mich belehren, da denk ich manch¬ mal auf den Mann zurück, ich möchte ſie zwar gern behalten oder aufſchreiben, aber ſie ziehen mich immer weiter, und um den nächſten nicht zu verſäumen, muß ich den früheren aufgeben, ſo iſts daß ich nicht anders kann; es muß doch ſo in der Natur des Lichts liegen was den Menſchen durchſtrömt und ihn nährt, wie die Sonnenſtrahlen die Pflanze — daß das friſche Licht immer das frühere verdrängt, wie im Strom eine Welle die andere, ſo mag es denn hingehen, daß ich kein Buch ſchreiben kann wie der Clemens will, ich müßt ein Herbarium machen und ſie trocknen, daß ich ſie könnt neben einander hinlegen, unterdeſſen würden ſo
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chen Lehren, ich hab ihn nicht mehr geſehen und hab
auch nichts mehr von ihm gehört, er war wenige Tage
darauf weggezogen, man wußte nicht wohin. — Es
wurde noch mancherlei von ihm geſprochen, als ſei er
ein Betrüger, ich nahm mir das nicht an, ich hielt am
Wort was er mir geſagt hatte, daß die Sonne und
Mond mich wollten wohlſchmeckend machen, obſchon es
mir beinah ſo ging wie den Andern, die beim Erwa¬
chen nichts mehr wiſſen; ich konnte mich nicht mehr
auf das beſinnen, was ich mir doch gewiß vorgenom¬
men hatte, nicht zu vergeſſen. Aber wenn mir ſo Ge¬
danken kommen, die mich belehren, da denk ich manch¬
mal auf den Mann zurück, ich möchte ſie zwar gern
behalten oder aufſchreiben, aber ſie ziehen mich immer
weiter, und um den nächſten nicht zu verſäumen, muß
ich den früheren aufgeben, ſo iſts daß ich nicht anders
kann; es muß doch ſo in der Natur des Lichts liegen
was den Menſchen durchſtrömt und ihn nährt, wie die
Sonnenſtrahlen die Pflanze — daß das friſche Licht
immer das frühere verdrängt, wie im Strom eine Welle
die andere, ſo mag es denn hingehen, daß ich kein
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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