so unaufgeweckt und können nicht zu sich selbst kom¬ men am Tag, als weil es Nachtblüthen sind, aber die leidige Tagsordnung hat sie aus den Angeln gerückt, daß sie kein Gefühl haben von ihrem Naturwillen. -- Drum verlieben sie sich auch verkehrt. weil ihre Sinne ganz verwirrt sind. -- Manche Leut sind nur gescheut zwischen Licht und Dunkel, am Abend verstehen sie al¬ les, Morgens haben sie lebhafte Träume, am Tag sind sie wie die Schaaf, so geht mirs, mein Wachen ist früh, ich muß dem Sonnengott zuvorkommen, wie jener Tem¬ pelknabe seinen, Tempel reinigen -- dann kehrt er ein bei mir und lehrt mir Orakelsprüche -- alles paßt, -- fügt sich wollt ich sagen -- auch daß ich immer so unaufgeweckt bin wenn der Geschichtslehrer kommt in der Mittagsstund, das ist grad meine verschlafenste Zeit. -- Du bist auch keine Tagsnatur, Dein Wachen deucht mir anzufangen, wenn der Taggott sich neigt, und nicht mehr so hoch am Himmel steht -- Dir neigt er sich herab, und wandelst anmuthig mit Ihm die Bahn vom späten Nachmittag zum späten Untergang, und winkt Euch noch mit Eurer Gewande Saum fern hin, dann leuchtet der Abendstern zu Deinen Nachgedanken von ihm, und wogst einsam in der Erinnerung wie die Meereswelle am Fels wogt zur Zeit der Fluth, und ihn
ſo unaufgeweckt und können nicht zu ſich ſelbſt kom¬ men am Tag, als weil es Nachtblüthen ſind, aber die leidige Tagsordnung hat ſie aus den Angeln gerückt, daß ſie kein Gefühl haben von ihrem Naturwillen. — Drum verlieben ſie ſich auch verkehrt. weil ihre Sinne ganz verwirrt ſind. — Manche Leut ſind nur geſcheut zwiſchen Licht und Dunkel, am Abend verſtehen ſie al¬ les, Morgens haben ſie lebhafte Träume, am Tag ſind ſie wie die Schaaf, ſo geht mirs, mein Wachen iſt früh, ich muß dem Sonnengott zuvorkommen, wie jener Tem¬ pelknabe ſeinen, Tempel reinigen — dann kehrt er ein bei mir und lehrt mir Orakelſprüche — alles paßt, — fügt ſich wollt ich ſagen — auch daß ich immer ſo unaufgeweckt bin wenn der Geſchichtslehrer kommt in der Mittagsſtund, das iſt grad meine verſchlafenſte Zeit. — Du biſt auch keine Tagsnatur, Dein Wachen deucht mir anzufangen, wenn der Taggott ſich neigt, und nicht mehr ſo hoch am Himmel ſteht — Dir neigt er ſich herab, und wandelſt anmuthig mit Ihm die Bahn vom ſpäten Nachmittag zum ſpäten Untergang, und winkt Euch noch mit Eurer Gewande Saum fern hin, dann leuchtet der Abendſtern zu Deinen Nachgedanken von ihm, und wogſt einſam in der Erinnerung wie die Meereswelle am Fels wogt zur Zeit der Fluth, und ihn
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ſo unaufgeweckt und können nicht zu ſich ſelbſt kom¬
men am Tag, als weil es Nachtblüthen ſind, aber die
leidige Tagsordnung hat ſie aus den Angeln gerückt,
daß ſie kein Gefühl haben von ihrem Naturwillen. —
Drum verlieben ſie ſich auch verkehrt. weil ihre Sinne
ganz verwirrt ſind. — Manche Leut ſind nur geſcheut
zwiſchen Licht und Dunkel, am Abend verſtehen ſie al¬
les, Morgens haben ſie lebhafte Träume, am Tag ſind
ſie wie die Schaaf, ſo geht mirs, mein Wachen iſt früh,
ich muß dem Sonnengott zuvorkommen, wie jener Tem¬
pelknabe ſeinen, Tempel reinigen — dann kehrt er ein
bei mir und lehrt mir Orakelſprüche — alles paßt, —
fügt ſich wollt ich ſagen — auch daß ich immer ſo
unaufgeweckt bin wenn der Geſchichtslehrer kommt in
der Mittagsſtund, das iſt grad meine verſchlafenſte
Zeit. — Du biſt auch keine Tagsnatur, Dein Wachen
deucht mir anzufangen, wenn der Taggott ſich neigt,
und nicht mehr ſo hoch am Himmel ſteht — Dir neigt
er ſich herab, und wandelſt anmuthig mit Ihm die Bahn
vom ſpäten Nachmittag zum ſpäten Untergang, und
winkt Euch noch mit Eurer Gewande Saum fern hin,
dann leuchtet der Abendſtern zu Deinen Nachgedanken
von ihm, und wogſt einſam in der Erinnerung wie die
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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