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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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chen ums Zentrum, ja mir scheint jede Wahrheit ein
Zentrum zu sein, das wir nur umkreisen, nie berühren.
Gestern mußt ich der Großmutter aus dem Hemsterhuis
vorlesen, sie sagte, "das ist ein herrlicher Gedanke," und
legte mir eine Pfeffernuß drauf, da kam mir dieser,
Gedanke.

Am Montag.

Der Geschichtslehrer kommt dreimal die Woch,
Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, eingeklammert
hinten und vorn in zwei Faulenzer, Freitag Samstag
am End, Sonntag Montag am Anfang. -- Er un¬
terrichtet mich so, daß ich wahrscheinlich der Zukunft
ewig den Rücken drehen werde, und so auch um die
liebe Gegenwart geprellt wär, wenn die unreifen Apri¬
kosen in der Großmutter Garten nicht meinen Diebssinn
weckten, mit dem ich doch für meinen Verstand etwas
handgreiflicheres zu erbeuten gedenke, als: "Die Ge¬
schichte Ägyptens ist in den ersten Zeiten dunkel und
ungewiß." Das ist ein Glück, sonst müßten wir uns
auch noch da rum bekümmern; -- "Menes ist der erste
König, von dem wir wissen," -- mir auch recht, wenn
wir nur was gescheutes von ihm erfahren haben. --
"Er erbaute Memphis und leitete den Nil in ein siche¬

chen ums Zentrum, ja mir ſcheint jede Wahrheit ein
Zentrum zu ſein, das wir nur umkreiſen, nie berühren.
Geſtern mußt ich der Großmutter aus dem Hemſterhuis
vorleſen, ſie ſagte, „das iſt ein herrlicher Gedanke,“ und
legte mir eine Pfeffernuß drauf, da kam mir dieſer,
Gedanke.

Am Montag.

Der Geſchichtslehrer kommt dreimal die Woch,
Dienſtag, Mittwoch und Donnerſtag, eingeklammert
hinten und vorn in zwei Faulenzer, Freitag Samſtag
am End, Sonntag Montag am Anfang. — Er un¬
terrichtet mich ſo, daß ich wahrſcheinlich der Zukunft
ewig den Rücken drehen werde, und ſo auch um die
liebe Gegenwart geprellt wär, wenn die unreifen Apri¬
koſen in der Großmutter Garten nicht meinen Diebsſinn
weckten, mit dem ich doch für meinen Verſtand etwas
handgreiflicheres zu erbeuten gedenke, als: „Die Ge¬
ſchichte Ägyptens iſt in den erſten Zeiten dunkel und
ungewiß.“ Das iſt ein Glück, ſonſt müßten wir uns
auch noch da rum bekümmern; — „Menes iſt der erſte
König, von dem wir wiſſen,“ — mir auch recht, wenn
wir nur was geſcheutes von ihm erfahren haben. —
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[166/0182] chen ums Zentrum, ja mir ſcheint jede Wahrheit ein Zentrum zu ſein, das wir nur umkreiſen, nie berühren. Geſtern mußt ich der Großmutter aus dem Hemſterhuis vorleſen, ſie ſagte, „das iſt ein herrlicher Gedanke,“ und legte mir eine Pfeffernuß drauf, da kam mir dieſer, Gedanke. Am Montag. Der Geſchichtslehrer kommt dreimal die Woch, Dienſtag, Mittwoch und Donnerſtag, eingeklammert hinten und vorn in zwei Faulenzer, Freitag Samſtag am End, Sonntag Montag am Anfang. — Er un¬ terrichtet mich ſo, daß ich wahrſcheinlich der Zukunft ewig den Rücken drehen werde, und ſo auch um die liebe Gegenwart geprellt wär, wenn die unreifen Apri¬ koſen in der Großmutter Garten nicht meinen Diebsſinn weckten, mit dem ich doch für meinen Verſtand etwas handgreiflicheres zu erbeuten gedenke, als: „Die Ge¬ ſchichte Ägyptens iſt in den erſten Zeiten dunkel und ungewiß.“ Das iſt ein Glück, ſonſt müßten wir uns auch noch da rum bekümmern; — „Menes iſt der erſte König, von dem wir wiſſen,“ — mir auch recht, wenn wir nur was geſcheutes von ihm erfahren haben. — „Er erbaute Memphis und leitete den Nil in ein ſiche¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/182>, abgerufen am 25.11.2024.