wo die Sonn nicht scheint dreht man sie herum; die Verwandlung fand allgemeinen Beifall und sieht nach Voigt malerisch aus. Heut morgen kamen die Eseltreiber mit den verlornen Schuhen auf ihren Stek¬ ken in Prozession angerückt; sie hofften ein Trinkgeld, es mußte auch bezahlt werden, obschon die Schuhe bes¬ ser wären geblieben wo sie begraben waren; man war ärgerlich, daß sie die beschmutzten Schuhe so öffentlich zur Schau trugen. Das war die gestrige Geschichte. Voigt hatte schon lange drum gebeten, die ganze Ge¬ sellschaft zu Esel in sein Skitzenbuch zeichnen zu dürfen, heut Morgen war ein schöner heller Himmel und doch wars abgekühlt vom Gewitter, wir machten uns so ma¬ lerisch wie möglich, ließen Bänder flattern, Schleier wehen, die Herrn steckten Sträucher auf den Hut, ga¬ ben sich nachlässige Posituren, schaukelten mit den Bei¬ nen, so gings langsam vorwärts, Voigt war voran mit seinem Malkasten, hatte die Palette aufgesetzt, saß auf einem Zeltstuhl vor der Höhe, wo wir herabkamen und beobachtete den Zug mit dem Fernglas, auf einmal rief er halt, ich war voran mit einer grünseidenen Fahne, die ich mir gemacht hatte, die stemmt ich in die Seite und hielt recht feierlich still, die Guitarre hing auch am Sattel Voigt malte eifrig auf ein Stück Wachslein¬
wo die Sonn nicht ſcheint dreht man ſie herum; die Verwandlung fand allgemeinen Beifall und ſieht nach Voigt maleriſch aus. Heut morgen kamen die Eſeltreiber mit den verlornen Schuhen auf ihren Stek¬ ken in Prozeſſion angerückt; ſie hofften ein Trinkgeld, es mußte auch bezahlt werden, obſchon die Schuhe beſ¬ ſer wären geblieben wo ſie begraben waren; man war ärgerlich, daß ſie die beſchmutzten Schuhe ſo öffentlich zur Schau trugen. Das war die geſtrige Geſchichte. Voigt hatte ſchon lange drum gebeten, die ganze Ge¬ ſellſchaft zu Eſel in ſein Skitzenbuch zeichnen zu dürfen, heut Morgen war ein ſchöner heller Himmel und doch wars abgekühlt vom Gewitter, wir machten uns ſo ma¬ leriſch wie möglich, ließen Bänder flattern, Schleier wehen, die Herrn ſteckten Sträucher auf den Hut, ga¬ ben ſich nachläſſige Poſituren, ſchaukelten mit den Bei¬ nen, ſo gings langſam vorwärts, Voigt war voran mit ſeinem Malkaſten, hatte die Palette aufgeſetzt, ſaß auf einem Zeltſtuhl vor der Höhe, wo wir herabkamen und beobachtete den Zug mit dem Fernglas, auf einmal rief er halt, ich war voran mit einer grünſeidenen Fahne, die ich mir gemacht hatte, die ſtemmt ich in die Seite und hielt recht feierlich ſtill, die Guitarre hing auch am Sattel Voigt malte eifrig auf ein Stück Wachslein¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0147"n="131"/>
wo die Sonn nicht ſcheint dreht man ſie herum;<lb/>
die Verwandlung fand allgemeinen Beifall und ſieht<lb/>
nach Voigt maleriſch aus. Heut morgen kamen die<lb/>
Eſeltreiber mit den verlornen Schuhen auf ihren Stek¬<lb/>
ken in Prozeſſion angerückt; ſie hofften ein Trinkgeld,<lb/>
es mußte auch bezahlt werden, obſchon die Schuhe beſ¬<lb/>ſer wären geblieben wo ſie begraben waren; man war<lb/>
ärgerlich, daß ſie die beſchmutzten Schuhe ſo öffentlich<lb/>
zur Schau trugen. Das war die geſtrige Geſchichte.<lb/>
Voigt hatte ſchon lange drum gebeten, die ganze Ge¬<lb/>ſellſchaft zu Eſel in ſein Skitzenbuch zeichnen zu dürfen,<lb/>
heut Morgen war ein ſchöner heller Himmel und doch<lb/>
wars abgekühlt vom Gewitter, wir machten uns ſo ma¬<lb/>
leriſch wie möglich, ließen Bänder flattern, Schleier<lb/>
wehen, die Herrn ſteckten Sträucher auf den Hut, ga¬<lb/>
ben ſich nachläſſige Poſituren, ſchaukelten mit den Bei¬<lb/>
nen, ſo gings langſam vorwärts, Voigt war voran mit<lb/>ſeinem Malkaſten, hatte die Palette aufgeſetzt, ſaß auf<lb/>
einem Zeltſtuhl vor der Höhe, wo wir herabkamen und<lb/>
beobachtete den Zug mit dem Fernglas, auf einmal rief<lb/>
er halt, ich war voran mit einer grünſeidenen Fahne,<lb/>
die ich mir gemacht hatte, die ſtemmt ich in die Seite<lb/>
und hielt recht feierlich ſtill, die Guitarre hing auch am<lb/>
Sattel Voigt malte eifrig auf ein Stück Wachslein¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0147]
wo die Sonn nicht ſcheint dreht man ſie herum;
die Verwandlung fand allgemeinen Beifall und ſieht
nach Voigt maleriſch aus. Heut morgen kamen die
Eſeltreiber mit den verlornen Schuhen auf ihren Stek¬
ken in Prozeſſion angerückt; ſie hofften ein Trinkgeld,
es mußte auch bezahlt werden, obſchon die Schuhe beſ¬
ſer wären geblieben wo ſie begraben waren; man war
ärgerlich, daß ſie die beſchmutzten Schuhe ſo öffentlich
zur Schau trugen. Das war die geſtrige Geſchichte.
Voigt hatte ſchon lange drum gebeten, die ganze Ge¬
ſellſchaft zu Eſel in ſein Skitzenbuch zeichnen zu dürfen,
heut Morgen war ein ſchöner heller Himmel und doch
wars abgekühlt vom Gewitter, wir machten uns ſo ma¬
leriſch wie möglich, ließen Bänder flattern, Schleier
wehen, die Herrn ſteckten Sträucher auf den Hut, ga¬
ben ſich nachläſſige Poſituren, ſchaukelten mit den Bei¬
nen, ſo gings langſam vorwärts, Voigt war voran mit
ſeinem Malkaſten, hatte die Palette aufgeſetzt, ſaß auf
einem Zeltſtuhl vor der Höhe, wo wir herabkamen und
beobachtete den Zug mit dem Fernglas, auf einmal rief
er halt, ich war voran mit einer grünſeidenen Fahne,
die ich mir gemacht hatte, die ſtemmt ich in die Seite
und hielt recht feierlich ſtill, die Guitarre hing auch am
Sattel Voigt malte eifrig auf ein Stück Wachslein¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/147>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.