Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Baum wo er Abschied genommen hatte, und endlich
nahm sie den Schleier.



Ich habe mehrere Tage nicht in's Buch geschrieben,
wie hab' ich mich danach gesehnt! Im Wandern durch
fremde Straßen hab' ich Deiner gedacht. Hier der Spiel-
und Tummelplatz Deiner Jugendjahr, da üben der Eh-
renbreitstein; er heißt wie die Basis Deines Ruhms, so
muß der Würfel heißen auf dem Dein Denkmal einst
stehn wird.

Gestern fielen mir wunderliche Gedanken aus den
Wolken, ich hätte sie gern aufgeschrieben, ich war nicht
allein, ich mußte sie halt mit den wechselnden Wellen
im Strom dahin ziehen lassen.


Alles was dem Wesen der Liebe nicht zusagt ist
Sünde, und alles was Sünde ist sagt dem Wesen der
Liebe nicht zu. Die Liebe hat eine persönliche Gewalt
die ein Recht an uns übt; ich unterwerfe mich ihrer Rüge,
sie, und sie allein ist die Stimme meines Gewissens.

Baum wo er Abſchied genommen hatte, und endlich
nahm ſie den Schleier.



Ich habe mehrere Tage nicht in's Buch geſchrieben,
wie hab' ich mich danach geſehnt! Im Wandern durch
fremde Straßen hab' ich Deiner gedacht. Hier der Spiel-
und Tummelplatz Deiner Jugendjahr, da üben der Eh-
renbreitſtein; er heißt wie die Baſis Deines Ruhms, ſo
muß der Würfel heißen auf dem Dein Denkmal einſt
ſtehn wird.

Geſtern fielen mir wunderliche Gedanken aus den
Wolken, ich hätte ſie gern aufgeſchrieben, ich war nicht
allein, ich mußte ſie halt mit den wechſelnden Wellen
im Strom dahin ziehen laſſen.


Alles was dem Weſen der Liebe nicht zuſagt iſt
Sünde, und alles was Sünde iſt ſagt dem Weſen der
Liebe nicht zu. Die Liebe hat eine perſönliche Gewalt
die ein Recht an uns übt; ich unterwerfe mich ihrer Rüge,
ſie, und ſie allein iſt die Stimme meines Gewiſſens.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="74"/>
Baum wo er Ab&#x017F;chied genommen hatte, und endlich<lb/>
nahm &#x017F;ie den Schleier.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Coblenz.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich habe mehrere Tage nicht in's Buch ge&#x017F;chrieben,<lb/>
wie hab' ich mich danach ge&#x017F;ehnt! Im Wandern durch<lb/>
fremde Straßen hab' ich Deiner gedacht. Hier der Spiel-<lb/>
und Tummelplatz Deiner Jugendjahr, da üben der Eh-<lb/>
renbreit&#x017F;tein; er heißt wie die Ba&#x017F;is Deines Ruhms, &#x017F;o<lb/>
muß der Würfel heißen auf dem Dein Denkmal ein&#x017F;t<lb/>
&#x017F;tehn wird.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern fielen mir wunderliche Gedanken aus den<lb/>
Wolken, ich hätte &#x017F;ie gern aufge&#x017F;chrieben, ich war nicht<lb/>
allein, ich mußte &#x017F;ie halt mit den wech&#x017F;elnden Wellen<lb/>
im Strom dahin ziehen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Alles was dem We&#x017F;en der Liebe nicht zu&#x017F;agt i&#x017F;t<lb/>
Sünde, und alles was Sünde i&#x017F;t &#x017F;agt dem We&#x017F;en der<lb/>
Liebe nicht zu. Die Liebe hat eine per&#x017F;önliche Gewalt<lb/>
die ein Recht an uns übt; ich unterwerfe mich ihrer Rüge,<lb/>
&#x017F;ie, und &#x017F;ie allein i&#x017F;t die Stimme meines Gewi&#x017F;&#x017F;ens.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0084] Baum wo er Abſchied genommen hatte, und endlich nahm ſie den Schleier. Coblenz. Ich habe mehrere Tage nicht in's Buch geſchrieben, wie hab' ich mich danach geſehnt! Im Wandern durch fremde Straßen hab' ich Deiner gedacht. Hier der Spiel- und Tummelplatz Deiner Jugendjahr, da üben der Eh- renbreitſtein; er heißt wie die Baſis Deines Ruhms, ſo muß der Würfel heißen auf dem Dein Denkmal einſt ſtehn wird. Geſtern fielen mir wunderliche Gedanken aus den Wolken, ich hätte ſie gern aufgeſchrieben, ich war nicht allein, ich mußte ſie halt mit den wechſelnden Wellen im Strom dahin ziehen laſſen. Alles was dem Weſen der Liebe nicht zuſagt iſt Sünde, und alles was Sünde iſt ſagt dem Weſen der Liebe nicht zu. Die Liebe hat eine perſönliche Gewalt die ein Recht an uns übt; ich unterwerfe mich ihrer Rüge, ſie, und ſie allein iſt die Stimme meines Gewiſſens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/84
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/84>, abgerufen am 24.11.2024.