ist der Krieger dem keine Waffe versagt, er ist der Reiche dessen Fülle Unendliches spendet, er ist der See- lige dem alles Wollust ist; ja wohl, Geist ist die Gottheit! Die Brust saugt die Luft in sich und ent- läßt sie wieder, um sie wieder zu trinken, und das ist Leben. -- Der Geist trinkt sehnend die Gottheit, und haucht sie wieder aus um sie abermals zu trinken und das ist sein Leben; alles andre ist Zufall, ist Spur, Geschichte des Geistes, aber nicht sein Leben,
Darum ist der Geist einsam weil ihn nur ein ein- ziges belebt, das ist die Liebe. Die Liebe ist das All. Der Geist ist einsam weil die Liebe alles allein ist. Die Liebe ist nur für den, der ganz in ihr ist. Liebe und Geist schauen sich einander an, denn sie sind in sich al- lein und können nur sich sehen.
Ich war auch einsam damals in der Kindheit, die Sterne äugelten mich an, ich begriff sie, die Liebe spricht durch sie.
Die Natur ist die Sprache der Liebe, die Liebe spricht zur Kindheit durch die Natur. Der Geist ist Kind hier auf Erden, drum hat die Liebe die süße, see-
iſt der Krieger dem keine Waffe verſagt, er iſt der Reiche deſſen Fülle Unendliches ſpendet, er iſt der See- lige dem alles Wolluſt iſt; ja wohl, Geiſt iſt die Gottheit! Die Bruſt ſaugt die Luft in ſich und ent- läßt ſie wieder, um ſie wieder zu trinken, und das iſt Leben. — Der Geiſt trinkt ſehnend die Gottheit, und haucht ſie wieder aus um ſie abermals zu trinken und das iſt ſein Leben; alles andre iſt Zufall, iſt Spur, Geſchichte des Geiſtes, aber nicht ſein Leben,
Darum iſt der Geiſt einſam weil ihn nur ein ein- ziges belebt, das iſt die Liebe. Die Liebe iſt das All. Der Geiſt iſt einſam weil die Liebe alles allein iſt. Die Liebe iſt nur für den, der ganz in ihr iſt. Liebe und Geiſt ſchauen ſich einander an, denn ſie ſind in ſich al- lein und können nur ſich ſehen.
Ich war auch einſam damals in der Kindheit, die Sterne äugelten mich an, ich begriff ſie, die Liebe ſpricht durch ſie.
Die Natur iſt die Sprache der Liebe, die Liebe ſpricht zur Kindheit durch die Natur. Der Geiſt iſt Kind hier auf Erden, drum hat die Liebe die ſüße, ſee-
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iſt der Krieger dem keine Waffe verſagt, er iſt der
Reiche deſſen Fülle Unendliches ſpendet, er iſt der See-
lige dem alles Wolluſt iſt; ja wohl, Geiſt iſt die
Gottheit! Die Bruſt ſaugt die Luft in ſich und ent-
läßt ſie wieder, um ſie wieder zu trinken, und das iſt
Leben. — Der Geiſt trinkt ſehnend die Gottheit, und
haucht ſie wieder aus um ſie abermals zu trinken und
das iſt ſein Leben; alles andre iſt Zufall, iſt Spur,
Geſchichte des Geiſtes, aber nicht ſein Leben,
Darum iſt der Geiſt einſam weil ihn nur ein ein-
ziges belebt, das iſt die Liebe. Die Liebe iſt das All.
Der Geiſt iſt einſam weil die Liebe alles allein iſt. Die
Liebe iſt nur für den, der ganz in ihr iſt. Liebe und
Geiſt ſchauen ſich einander an, denn ſie ſind in ſich al-
lein und können nur ſich ſehen.
Ich war auch einſam damals in der Kindheit, die
Sterne äugelten mich an, ich begriff ſie, die Liebe ſpricht
durch ſie.
Die Natur iſt die Sprache der Liebe, die Liebe
ſpricht zur Kindheit durch die Natur. Der Geiſt iſt
Kind hier auf Erden, drum hat die Liebe die ſüße, ſee-
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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