Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Was hast Du mir gethan was mich zur Falschheit
bewegen könnte, alles was ich an Dir verstehe das be-
glückt mich; Du kannst weder Aug noch Geist beleidi-
gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin-
gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus
dem tiefsten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen
Wein einschenken in dem Dein Bild sich spiegelt.

Nicht wahr, Du glaubst nicht, daß ich falsch bin? --

Es giebt böse Fehler die an uns he[r]vorbrechen wie
Fieber; es hat seinen Verlauf und wir emfinden in der
Genesung daß wir schmerzlich krank waren; aber Falsch-
heit ist ein Gift das sich in des Herzens Mitte erzeugt,
könnte ich Dich nicht mehr in dieser Mitte herbergen,
was sollte ich anfangen?

In meinen Briefen wollte ich Dir nichts sagen,
aber hier im Buch da lasse ich Dir die Hand in meine
Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei-
feln kannst; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder-
tagen, aus der Zeit eh ich Dich gesehen hatte. Wie
mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie
lange kenne ich Dich schon, wie oft hab' ich Dich ge-
sehen mit geschlossenen Augen, und wie wunderbar war's
wie endlich die wirkliche Welt sich in Deiner Gegenwart
an die lang gehegte Erwartung anschloß.

Was haſt Du mir gethan was mich zur Falſchheit
bewegen könnte, alles was ich an Dir verſtehe das be-
glückt mich; Du kannſt weder Aug noch Geiſt beleidi-
gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin-
gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus
dem tiefſten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen
Wein einſchenken in dem Dein Bild ſich ſpiegelt.

Nicht wahr, Du glaubſt nicht, daß ich falſch bin? —

Es giebt böſe Fehler die an uns he[r]vorbrechen wie
Fieber; es hat ſeinen Verlauf und wir emfinden in der
Geneſung daß wir ſchmerzlich krank waren; aber Falſch-
heit iſt ein Gift das ſich in des Herzens Mitte erzeugt,
könnte ich Dich nicht mehr in dieſer Mitte herbergen,
was ſollte ich anfangen?

In meinen Briefen wollte ich Dir nichts ſagen,
aber hier im Buch da laſſe ich Dir die Hand in meine
Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei-
feln kannſt; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder-
tagen, aus der Zeit eh ich Dich geſehen hatte. Wie
mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie
lange kenne ich Dich ſchon, wie oft hab' ich Dich ge-
ſehen mit geſchloſſenen Augen, und wie wunderbar war's
wie endlich die wirkliche Welt ſich in Deiner Gegenwart
an die lang gehegte Erwartung anſchloß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0052" n="42"/>
          <p>Was ha&#x017F;t Du mir gethan was mich zur Fal&#x017F;chheit<lb/>
bewegen könnte, alles was ich an Dir ver&#x017F;tehe das be-<lb/>
glückt mich; Du kann&#x017F;t weder Aug noch Gei&#x017F;t beleidi-<lb/>
gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin-<lb/>
gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus<lb/>
dem tief&#x017F;ten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen<lb/>
Wein ein&#x017F;chenken in dem Dein Bild &#x017F;ich &#x017F;piegelt.</p><lb/>
          <p>Nicht wahr, Du glaub&#x017F;t nicht, daß ich fal&#x017F;ch bin? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Es giebt bö&#x017F;e Fehler die an uns he<supplied>r</supplied>vorbrechen wie<lb/>
Fieber; es hat &#x017F;einen Verlauf und wir emfinden in der<lb/>
Gene&#x017F;ung daß wir &#x017F;chmerzlich krank waren; aber Fal&#x017F;ch-<lb/>
heit i&#x017F;t ein Gift das &#x017F;ich in des Herzens Mitte erzeugt,<lb/>
könnte ich Dich nicht mehr in die&#x017F;er Mitte herbergen,<lb/>
was &#x017F;ollte ich anfangen?</p><lb/>
          <p>In meinen Briefen wollte ich Dir nichts &#x017F;agen,<lb/>
aber hier im Buch da la&#x017F;&#x017F;e ich Dir die Hand in meine<lb/>
Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei-<lb/>
feln kann&#x017F;t; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder-<lb/>
tagen, aus der Zeit eh ich Dich ge&#x017F;ehen hatte. Wie<lb/>
mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie<lb/>
lange kenne ich Dich &#x017F;chon, wie oft hab' ich Dich ge-<lb/>
&#x017F;ehen mit ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen, und wie wunderbar war's<lb/>
wie endlich die wirkliche Welt &#x017F;ich in Deiner Gegenwart<lb/>
an die lang gehegte Erwartung an&#x017F;chloß.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] Was haſt Du mir gethan was mich zur Falſchheit bewegen könnte, alles was ich an Dir verſtehe das be- glückt mich; Du kannſt weder Aug noch Geiſt beleidi- gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin- gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus dem tiefſten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen Wein einſchenken in dem Dein Bild ſich ſpiegelt. Nicht wahr, Du glaubſt nicht, daß ich falſch bin? — Es giebt böſe Fehler die an uns hervorbrechen wie Fieber; es hat ſeinen Verlauf und wir emfinden in der Geneſung daß wir ſchmerzlich krank waren; aber Falſch- heit iſt ein Gift das ſich in des Herzens Mitte erzeugt, könnte ich Dich nicht mehr in dieſer Mitte herbergen, was ſollte ich anfangen? In meinen Briefen wollte ich Dir nichts ſagen, aber hier im Buch da laſſe ich Dir die Hand in meine Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei- feln kannſt; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder- tagen, aus der Zeit eh ich Dich geſehen hatte. Wie mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie lange kenne ich Dich ſchon, wie oft hab' ich Dich ge- ſehen mit geſchloſſenen Augen, und wie wunderbar war's wie endlich die wirkliche Welt ſich in Deiner Gegenwart an die lang gehegte Erwartung anſchloß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/52
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/52>, abgerufen am 28.11.2024.