regt, wo's gleich elektrisch schauert durch den Geist, wo gleich Schlummer befällt das äußere Leben, und keine Erkenntniß mehr von den Ansprüchen der äußeren Welt. -- Wer hat je mein Herz gefragt? -- wer hat sich ge- neigt zur Blume, um ihre Farbe zu erkennen und ihren Duft zu athmen? -- wem hätte der Klang meiner Stimme (von der Du sagtest: Du fühlest was Echo fühlen müsse, wenn die Stimme eines Liebenden an ih- rer Brust wiederhalle) eine Ahndung gegeben, welche Geheimnisse kraft Deiner dichterischen Segnungen sie auszusprechen vermöge. O Goethe! Du allein hast den Schemel Deiner Füße mir hingerückt, und mir erlaubt in Deiner Nähe meine Begeistrung auszuströmen. -- Was jammere ich denn? -- daß es so still ist um mich? -- daß ich so einsam bin? -- nun wohl! -- in dieser einsamen Weite, wenn es ein Wiederhall meiner Ge- fühle giebt, kannst nur Du es sein; wenn eine Tröstung mir zuweht aus freier Luft, so ist es der Athem Deines Geistes. Wer würde auch verstehen was wir hier mit- einander sprechen, wer würde sich feierlich fügen dem Gespräch Deines Geistes mit mir. -- Goethe! -- Es ist nicht mehr süß, unser Zusammensein! es ist kein Ko- sen, kein Scherzen; die Grazien räumen nicht mehr um Dich her auf und ordnen jede Liebeslaune, jede Spiele-
regt, wo's gleich elektriſch ſchauert durch den Geiſt, wo gleich Schlummer befällt das äußere Leben, und keine Erkenntniß mehr von den Anſprüchen der äußeren Welt. — Wer hat je mein Herz gefragt? — wer hat ſich ge- neigt zur Blume, um ihre Farbe zu erkennen und ihren Duft zu athmen? — wem hätte der Klang meiner Stimme (von der Du ſagteſt: Du fühleſt was Echo fühlen müſſe, wenn die Stimme eines Liebenden an ih- rer Bruſt wiederhalle) eine Ahndung gegeben, welche Geheimniſſe kraft Deiner dichteriſchen Segnungen ſie auszuſprechen vermöge. O Goethe! Du allein haſt den Schemel Deiner Füße mir hingerückt, und mir erlaubt in Deiner Nähe meine Begeiſtrung auszuſtrömen. — Was jammere ich denn? — daß es ſo ſtill iſt um mich? — daß ich ſo einſam bin? — nun wohl! — in dieſer einſamen Weite, wenn es ein Wiederhall meiner Ge- fühle giebt, kannſt nur Du es ſein; wenn eine Tröſtung mir zuweht aus freier Luft, ſo iſt es der Athem Deines Geiſtes. Wer würde auch verſtehen was wir hier mit- einander ſprechen, wer würde ſich feierlich fügen dem Geſpräch Deines Geiſtes mit mir. — Goethe! — Es iſt nicht mehr ſüß, unſer Zuſammenſein! es iſt kein Ko- ſen, kein Scherzen; die Grazien räumen nicht mehr um Dich her auf und ordnen jede Liebeslaune, jede Spiele-
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regt, wo's gleich elektriſch ſchauert durch den Geiſt, wo
gleich Schlummer befällt das äußere Leben, und keine
Erkenntniß mehr von den Anſprüchen der äußeren Welt.
— Wer hat je mein Herz gefragt? — wer hat ſich ge-
neigt zur Blume, um ihre Farbe zu erkennen und ihren
Duft zu athmen? — wem hätte der Klang meiner
Stimme (von der Du ſagteſt: Du fühleſt was Echo
fühlen müſſe, wenn die Stimme eines Liebenden an ih-
rer Bruſt wiederhalle) eine Ahndung gegeben, welche
Geheimniſſe kraft Deiner dichteriſchen Segnungen ſie
auszuſprechen vermöge. O Goethe! Du allein haſt den
Schemel Deiner Füße mir hingerückt, und mir erlaubt
in Deiner Nähe meine Begeiſtrung auszuſtrömen. —
Was jammere ich denn? — daß es ſo ſtill iſt um mich?
— daß ich ſo einſam bin? — nun wohl! — in dieſer
einſamen Weite, wenn es ein Wiederhall meiner Ge-
fühle giebt, kannſt nur Du es ſein; wenn eine Tröſtung
mir zuweht aus freier Luft, ſo iſt es der Athem Deines
Geiſtes. Wer würde auch verſtehen was wir hier mit-
einander ſprechen, wer würde ſich feierlich fügen dem
Geſpräch Deines Geiſtes mit mir. — Goethe! — Es
iſt nicht mehr ſüß, unſer Zuſammenſein! es iſt kein Ko-
ſen, kein Scherzen; die Grazien räumen nicht mehr um
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/221>, abgerufen am 22.07.2024.
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