[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.dies alles in mir angeregt, was hab ich erfahren und dies alles in mir angeregt, was hab ich erfahren und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="157"/> dies alles in mir angeregt, was hab ich erfahren und<lb/> genoſſen, und welche Geſchicke hab' ich erlebt, wie oft<lb/> hat Eiferſucht gegen dieſe Lieder mich erregt, und in<lb/> manchen da fühlte ich mich beſungen und beglückt. —<lb/> Ja warum ſollte ich mich nicht glücklich träumen? —<lb/> welche höhere Wirklichkeit giebt es denn als der Traum?<lb/> — Du wirſt nie im Schooß des erſehnten Glückes fin-<lb/> den was Du von ihm geträumt hatteſt. — Jahre ge-<lb/> hen dahin, daß einer dem andern ſich nahe wähnt, und<lb/> doch wird ſich nie die eigenthümliche Natur an's Licht<lb/> wagen, der erſte Augenblick freier unbedingter Bewegung<lb/> trennt Freundſchaft und Liebe. Die ewige unverſiegbare<lb/> Quelle der Liebe iſt ja eben daß ſie Geheimniſſe in ihren kla-<lb/> ren Wellen führt. Das Unendliche, der Sehnſucht begehr-<lb/> liche des Geiſtes iſt aber, daß er ewige Räthſel darlege.<lb/> Drum mein Freund, träume ich, und keine Lehren der<lb/> Weisheit gehen ſo tief in mich ein und begeiſtern mich<lb/> zu immer neuen Anſchauungen wie dieſe Träume, denn<lb/> ſie ſind nicht gebaut auf Mißverſtändniſſe ſondern auf<lb/> das heilige Bedürfniß der Liebe. — Mein erſtes Leſen<lb/> Deiner Bücher! ich verſtand ſie nicht, aber der Klang,<lb/> der Rythmus, die Wahl der Worte, denen Du Deinen<lb/> Geiſt vertrauteſt, die riſſen mich hin ohne daß ich den<lb/> Inhalt begriff, ja ich möchte ſagen, daß ich viel zu tief<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0167]
dies alles in mir angeregt, was hab ich erfahren und
genoſſen, und welche Geſchicke hab' ich erlebt, wie oft
hat Eiferſucht gegen dieſe Lieder mich erregt, und in
manchen da fühlte ich mich beſungen und beglückt. —
Ja warum ſollte ich mich nicht glücklich träumen? —
welche höhere Wirklichkeit giebt es denn als der Traum?
— Du wirſt nie im Schooß des erſehnten Glückes fin-
den was Du von ihm geträumt hatteſt. — Jahre ge-
hen dahin, daß einer dem andern ſich nahe wähnt, und
doch wird ſich nie die eigenthümliche Natur an's Licht
wagen, der erſte Augenblick freier unbedingter Bewegung
trennt Freundſchaft und Liebe. Die ewige unverſiegbare
Quelle der Liebe iſt ja eben daß ſie Geheimniſſe in ihren kla-
ren Wellen führt. Das Unendliche, der Sehnſucht begehr-
liche des Geiſtes iſt aber, daß er ewige Räthſel darlege.
Drum mein Freund, träume ich, und keine Lehren der
Weisheit gehen ſo tief in mich ein und begeiſtern mich
zu immer neuen Anſchauungen wie dieſe Träume, denn
ſie ſind nicht gebaut auf Mißverſtändniſſe ſondern auf
das heilige Bedürfniß der Liebe. — Mein erſtes Leſen
Deiner Bücher! ich verſtand ſie nicht, aber der Klang,
der Rythmus, die Wahl der Worte, denen Du Deinen
Geiſt vertrauteſt, die riſſen mich hin ohne daß ich den
Inhalt begriff, ja ich möchte ſagen, daß ich viel zu tief
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