[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Galopp die furchtbare Stille der Straße unterbrechen, Galopp die furchtbare Stille der Straße unterbrechen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0141" n="131"/> Galopp die furchtbare Stille der Straße unterbrechen,<lb/> die Furcht im Keller ſtieg, man dachte jedoch nicht daran,<lb/> daß <hi rendition="#g">ich</hi> verletzt werden könne, und ich auch nicht; ich<lb/> ſprach nicht aus, daß ich mich nicht fürchte, und fühlte<lb/> auch nicht, daß ich Gefahr lief, und ſo überkam ich<lb/> das ſchöne Amt, alle zu bedienen, für alle Bedürfniſſe<lb/> zu ſorgen. Ich hörte verſchiedentlich die Reiter vor-<lb/> überſprengen. „Daß mag ein Rothmantel ſein!“ dachte<lb/> ich, lief eilig an's Fenſter des unteren Geſchoſſes, riß<lb/> den Laden auf, — ſiehe, da hielt er in der mitten Straße<lb/> mit gezogenem Säbel, langem fliegendem Schnurrbart,<lb/> dicken ſchwarzen geflochtenen Haarzöpfen, die unter der<lb/> rothen Pelzmütze hervor hingen, der rothe Mantel<lb/> ſchwebte in den Lüften, wie er die Straße hinabflog, —<lb/> alles wieder todten ſtill! — ein junger Menſch in Hemd-<lb/> ärmeln, bloßem Kopf, todtenblaß, blutbeſpritzt, rennt<lb/> verzweiflungsvoll hin und wieder, raſſelt an den Haus-<lb/> thüren, klopft an den Läden, keiner thut ſich auf, mir<lb/> klopft das Herz, ich winke — er ſieht es nicht. Jetzt<lb/> eilt er auf mich zu, bittend, — da ertönt der Schall<lb/> eines Pferdes; er ſchmiegt ſich in die Vertiefung des<lb/> Hofthors, der Reiter, der ihn ſuchend verfolgt, ſprengt<lb/> an ihm vorbei, hält einen Augenblick, ſpäht in die Ferne,<lb/> wendet um und — fort. O, jeder Blick, jede Bewegung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0141]
Galopp die furchtbare Stille der Straße unterbrechen,
die Furcht im Keller ſtieg, man dachte jedoch nicht daran,
daß ich verletzt werden könne, und ich auch nicht; ich
ſprach nicht aus, daß ich mich nicht fürchte, und fühlte
auch nicht, daß ich Gefahr lief, und ſo überkam ich
das ſchöne Amt, alle zu bedienen, für alle Bedürfniſſe
zu ſorgen. Ich hörte verſchiedentlich die Reiter vor-
überſprengen. „Daß mag ein Rothmantel ſein!“ dachte
ich, lief eilig an's Fenſter des unteren Geſchoſſes, riß
den Laden auf, — ſiehe, da hielt er in der mitten Straße
mit gezogenem Säbel, langem fliegendem Schnurrbart,
dicken ſchwarzen geflochtenen Haarzöpfen, die unter der
rothen Pelzmütze hervor hingen, der rothe Mantel
ſchwebte in den Lüften, wie er die Straße hinabflog, —
alles wieder todten ſtill! — ein junger Menſch in Hemd-
ärmeln, bloßem Kopf, todtenblaß, blutbeſpritzt, rennt
verzweiflungsvoll hin und wieder, raſſelt an den Haus-
thüren, klopft an den Läden, keiner thut ſich auf, mir
klopft das Herz, ich winke — er ſieht es nicht. Jetzt
eilt er auf mich zu, bittend, — da ertönt der Schall
eines Pferdes; er ſchmiegt ſich in die Vertiefung des
Hofthors, der Reiter, der ihn ſuchend verfolgt, ſprengt
an ihm vorbei, hält einen Augenblick, ſpäht in die Ferne,
wendet um und — fort. O, jeder Blick, jede Bewegung
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