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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den
Gerüsten herumklettern sehen. Als der Bau beendigt
war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep-
pen und ungleichen Etagen, in eine schöne anmuthige
Wohnung umschuf, in denen werthvolle Kunstgegenstände
mit Geschmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va-
ter mit großer Umständlichkeit eine Bibliothek ein, bei
der Du beschäftigt wurdest, über deines Vaters Leiden-
schaft
zum Reisen erzählte die Mutter sehr viel. Seine
Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ-
ten behängt, und während Du die Reisebeschreibung vor-
lasest, spazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden
Punkt aufzusuchen, dies sagte weder deiner Ungeduld
noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr
sehntet euch nach Hindernissen solcher langweiligen Win-
terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie-
rung eines französischen Kommandanten in die Pracht-
stuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts
gebessert, der Vater war nicht zu trösten, daß seine kaum
eingerichtete Wohnung die ihm so manches Opfer geko-
stet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus
erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus-
zugleichen verstand; ein paar Blätter mit Notizen schicke
ich noch mit ich kann sie nicht besser ausmalen, Dir aber

als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den
Gerüſten herumklettern ſehen. Als der Bau beendigt
war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep-
pen und ungleichen Etagen, in eine ſchöne anmuthige
Wohnung umſchuf, in denen werthvolle Kunſtgegenſtände
mit Geſchmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va-
ter mit großer Umſtändlichkeit eine Bibliothek ein, bei
der Du beſchäftigt wurdeſt, über deines Vaters Leiden-
ſchaft
zum Reiſen erzählte die Mutter ſehr viel. Seine
Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ-
ten behängt, und während Du die Reiſebeſchreibung vor-
laſeſt, ſpazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden
Punkt aufzuſuchen, dies ſagte weder deiner Ungeduld
noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr
ſehntet euch nach Hinderniſſen ſolcher langweiligen Win-
terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie-
rung eines franzöſiſchen Kommandanten in die Pracht-
ſtuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts
gebeſſert, der Vater war nicht zu tröſten, daß ſeine kaum
eingerichtete Wohnung die ihm ſo manches Opfer geko-
ſtet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus
erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus-
zugleichen verſtand; ein paar Blätter mit Notizen ſchicke
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[280/0290] als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den Gerüſten herumklettern ſehen. Als der Bau beendigt war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep- pen und ungleichen Etagen, in eine ſchöne anmuthige Wohnung umſchuf, in denen werthvolle Kunſtgegenſtände mit Geſchmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va- ter mit großer Umſtändlichkeit eine Bibliothek ein, bei der Du beſchäftigt wurdeſt, über deines Vaters Leiden- ſchaft zum Reiſen erzählte die Mutter ſehr viel. Seine Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ- ten behängt, und während Du die Reiſebeſchreibung vor- laſeſt, ſpazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden Punkt aufzuſuchen, dies ſagte weder deiner Ungeduld noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr ſehntet euch nach Hinderniſſen ſolcher langweiligen Win- terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie- rung eines franzöſiſchen Kommandanten in die Pracht- ſtuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts gebeſſert, der Vater war nicht zu tröſten, daß ſeine kaum eingerichtete Wohnung die ihm ſo manches Opfer geko- ſtet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus- zugleichen verſtand; ein paar Blätter mit Notizen ſchicke ich noch mit ich kann ſie nicht beſſer ausmalen, Dir aber

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/290>, abgerufen am 23.11.2024.