seinen Früchten die köstlich sind hab ich gegessen und -- Du würdest mich auslachen wenn ich Dir alles sa- gen wollte. Es war ein schöner Frühling sonnig und warm, der junge hochstämmige Birnbaum war über und über bedeckt mit Blüthen, nun war's glaub ich am Geburtstag der Mutter, da schafften die Kinder den grünen Sessel auf dem sie Abends wenn sie erzählte zu sitzen pflegte, und der darum der Mährchensessel genannt wurde, in aller Stille in den Garten, putzten ihn auf mit Bändern und Blumen, und nachdem Gäste und Verwandte sich versammelt hatten trat der Wolfgang als Schäfer gekleidet mit einer Hirtentasche, aus der eine Rolle mit goldnen Buchstaben herabhing, mit einem grünen Kranz auf dem Kopf unter den Birnbaum, und hielt eine Anrede an den Sessel als den Sitz der schö- nen Mährchen, es war eine große Freude den schönen bekränzten Knaben unter den blühenden Zweigen zu se- hen wie er im Feuer der Rede, welche er mit großer Zuversicht hielt, aufbrauste. Der zweite Theil dieses schönen Festes bestand in Seifenblasen, die im Sonnen- schein, von Kindern, welche den Mährchenstuhl umkreis- ten in die heitere Luft gehaucht von Zephyr aufgenom- men und schwebend hin und her geweht wurden; so oft eine Blase auf den gefeierten Stuhl sank, schrie alles
ſeinen Früchten die köſtlich ſind hab ich gegeſſen und — Du würdeſt mich auslachen wenn ich Dir alles ſa- gen wollte. Es war ein ſchöner Frühling ſonnig und warm, der junge hochſtämmige Birnbaum war über und über bedeckt mit Blüthen, nun war's glaub ich am Geburtstag der Mutter, da ſchafften die Kinder den grünen Seſſel auf dem ſie Abends wenn ſie erzählte zu ſitzen pflegte, und der darum der Mährchenſeſſel genannt wurde, in aller Stille in den Garten, putzten ihn auf mit Bändern und Blumen, und nachdem Gäſte und Verwandte ſich verſammelt hatten trat der Wolfgang als Schäfer gekleidet mit einer Hirtentaſche, aus der eine Rolle mit goldnen Buchſtaben herabhing, mit einem grünen Kranz auf dem Kopf unter den Birnbaum, und hielt eine Anrede an den Seſſel als den Sitz der ſchö- nen Mährchen, es war eine große Freude den ſchönen bekränzten Knaben unter den blühenden Zweigen zu ſe- hen wie er im Feuer der Rede, welche er mit großer Zuverſicht hielt, aufbrauſte. Der zweite Theil dieſes ſchönen Feſtes beſtand in Seifenblaſen, die im Sonnen- ſchein, von Kindern, welche den Mährchenſtuhl umkreiſ- ten in die heitere Luft gehaucht von Zephyr aufgenom- men und ſchwebend hin und her geweht wurden; ſo oft eine Blaſe auf den gefeierten Stuhl ſank, ſchrie alles
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ſeinen Früchten die köſtlich ſind hab ich gegeſſen und
— Du würdeſt mich auslachen wenn ich Dir alles ſa-
gen wollte. Es war ein ſchöner Frühling ſonnig und
warm, der junge hochſtämmige Birnbaum war über
und über bedeckt mit Blüthen, nun war's glaub ich am
Geburtstag der Mutter, da ſchafften die Kinder den
grünen Seſſel auf dem ſie Abends wenn ſie erzählte zu
ſitzen pflegte, und der darum der Mährchenſeſſel genannt
wurde, in aller Stille in den Garten, putzten ihn auf
mit Bändern und Blumen, und nachdem Gäſte und
Verwandte ſich verſammelt hatten trat der Wolfgang
als Schäfer gekleidet mit einer Hirtentaſche, aus der eine
Rolle mit goldnen Buchſtaben herabhing, mit einem
grünen Kranz auf dem Kopf unter den Birnbaum, und
hielt eine Anrede an den Seſſel als den Sitz der ſchö-
nen Mährchen, es war eine große Freude den ſchönen
bekränzten Knaben unter den blühenden Zweigen zu ſe-
hen wie er im Feuer der Rede, welche er mit großer
Zuverſicht hielt, aufbrauſte. Der zweite Theil dieſes
ſchönen Feſtes beſtand in Seifenblaſen, die im Sonnen-
ſchein, von Kindern, welche den Mährchenſtuhl umkreiſ-
ten in die heitere Luft gehaucht von Zephyr aufgenom-
men und ſchwebend hin und her geweht wurden; ſo oft
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/265>, abgerufen am 25.11.2024.
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