welche sich durch den innersten Raum in dem zweiten abschneiden und durch große Öffnungen sich an den- selben anschließen, während die vierte Ecke den Eingang zur Thüre bildet: stellen die Gärten der Hesperiden dar, in der Mitte auf weichgepolstertem Thron die Göttin; nachlässig hingelehnt schießt sie ohne Wahl, nur spie- lend nach den goldnen Äpfeln der Hesperiden, die mit Jammer zusehen müssen, wie die vom Pfeil zufällig durchschossnen Äpfel über die umwachte Grenze hinaus fliegen. -- O Goethe! wer nun von außen die rechte Thür wählt, und ohne langes Besinnen durch die Vor- hallen grade zum innersten Tempel gelangt, den Apfel am fliegenden Pfeil kühn erhascht, wie glücklich ist der!
Die Mutter sagte: alle schönen Erfindungen des Menschengeistes, wenn sie auch auf Erden nicht auszu- führen seien, so wären sie dem Himmel wo alles ohne Leib, nur im Geist da sei doch nicht verloren. Gott habe gesagt es werde, und habe dadurch die ganze schöne Welt erschaffen, eben so sei dem Menschen diese Kraft eingeboren, was er im Geist erfinde, daß werde durch diese Kraft im Himmel erschaffen. Denn der Mensch baue sich seinen Himmel selbst, und seine herr- lichen Erfindungen verzieren das ewige unendliche Jen- seits; in diesem Sinne also, baue ich unserer Göttin
welche ſich durch den innerſten Raum in dem zweiten abſchneiden und durch große Öffnungen ſich an den- ſelben anſchließen, während die vierte Ecke den Eingang zur Thüre bildet: ſtellen die Gärten der Heſperiden dar, in der Mitte auf weichgepolſtertem Thron die Göttin; nachläſſig hingelehnt ſchießt ſie ohne Wahl, nur ſpie- lend nach den goldnen Äpfeln der Heſperiden, die mit Jammer zuſehen müſſen, wie die vom Pfeil zufällig durchſchoſſnen Äpfel über die umwachte Grenze hinaus fliegen. — O Goethe! wer nun von außen die rechte Thür wählt, und ohne langes Beſinnen durch die Vor- hallen grade zum innerſten Tempel gelangt, den Apfel am fliegenden Pfeil kühn erhaſcht, wie glücklich iſt der!
Die Mutter ſagte: alle ſchönen Erfindungen des Menſchengeiſtes, wenn ſie auch auf Erden nicht auszu- führen ſeien, ſo wären ſie dem Himmel wo alles ohne Leib, nur im Geiſt da ſei doch nicht verloren. Gott habe geſagt es werde, und habe dadurch die ganze ſchöne Welt erſchaffen, eben ſo ſei dem Menſchen dieſe Kraft eingeboren, was er im Geiſt erfinde, daß werde durch dieſe Kraft im Himmel erſchaffen. Denn der Menſch baue ſich ſeinen Himmel ſelbſt, und ſeine herr- lichen Erfindungen verzieren das ewige unendliche Jen- ſeits; in dieſem Sinne alſo, baue ich unſerer Göttin
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welche ſich durch den innerſten Raum in dem zweiten
abſchneiden und durch große Öffnungen ſich an den-
ſelben anſchließen, während die vierte Ecke den Eingang
zur Thüre bildet: ſtellen die Gärten der Heſperiden dar,
in der Mitte auf weichgepolſtertem Thron die Göttin;
nachläſſig hingelehnt ſchießt ſie ohne Wahl, nur ſpie-
lend nach den goldnen Äpfeln der Heſperiden, die mit
Jammer zuſehen müſſen, wie die vom Pfeil zufällig
durchſchoſſnen Äpfel über die umwachte Grenze hinaus
fliegen. — O Goethe! wer nun von außen die rechte
Thür wählt, und ohne langes Beſinnen durch die Vor-
hallen grade zum innerſten Tempel gelangt, den Apfel
am fliegenden Pfeil kühn erhaſcht, wie glücklich iſt der!
Die Mutter ſagte: alle ſchönen Erfindungen des
Menſchengeiſtes, wenn ſie auch auf Erden nicht auszu-
führen ſeien, ſo wären ſie dem Himmel wo alles ohne
Leib, nur im Geiſt da ſei doch nicht verloren. Gott
habe geſagt es werde, und habe dadurch die ganze
ſchöne Welt erſchaffen, eben ſo ſei dem Menſchen dieſe
Kraft eingeboren, was er im Geiſt erfinde, daß werde
durch dieſe Kraft im Himmel erſchaffen. Denn der
Menſch baue ſich ſeinen Himmel ſelbſt, und ſeine herr-
lichen Erfindungen verzieren das ewige unendliche Jen-
ſeits; in dieſem Sinne alſo, baue ich unſerer Göttin
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/231>, abgerufen am 24.11.2024.
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