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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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wir's herhaben, wer Gott fragt dem antwortet er das
göttliche.

Auf den Festen die man hier Akademien nennt --
Masken-Bälle in der Mitte ein kleines Theater wor-
auf pantomimische Vorstellungen gegeben werden von
Harlequin Pierrot und Pantalon -- hab ich den Kron-
prinzen kennen gelernt; ich habe eine Weile mit ihm ge-
sprochen ohne zu wissen wer er sei, er hat etwas zu-
sprechendes freundliches und wohl auch originell geist-
reiches; sein ganzes Wesen scheint zwar mehr nach Frei-
heit zu ringen als mit ihr geboren zu sein; seine Stimme,
seine Sprache und Gebärden haben etwas angestrengtes,
wie ein Mensch der sich mit großem Aufwand von
Kräften an glatten Felswänden hinauf half, eine zit-
ternde Bewegung in den noch nicht geruhten Gliedern
hat. Und wer weiß wie seine Kinderjahre, seine Nei-
gungen bedrängt oder durch Widerspruch gereitzt wur-
den, ich seh ihm an daß er schon manches überwinden
mußte, und auch daß sich großes aus ihm entwickeln
kann; ich bin ihm gut, ein so junger Herrscher in der
Vorhölle, wo er leiden muß, daß sich jede Zunge über
ihn erbarmt; seine gute Münchner wie er sie nennt sind
ihm nicht grün; ja wartet nur bis er mündig ist, ent-

wir's herhaben, wer Gott fragt dem antwortet er das
göttliche.

Auf den Feſten die man hier Akademien nennt —
Masken-Bälle in der Mitte ein kleines Theater wor-
auf pantomimiſche Vorſtellungen gegeben werden von
Harlequin Pierrot und Pantalon — hab ich den Kron-
prinzen kennen gelernt; ich habe eine Weile mit ihm ge-
ſprochen ohne zu wiſſen wer er ſei, er hat etwas zu-
ſprechendes freundliches und wohl auch originell geiſt-
reiches; ſein ganzes Weſen ſcheint zwar mehr nach Frei-
heit zu ringen als mit ihr geboren zu ſein; ſeine Stimme,
ſeine Sprache und Gebärden haben etwas angeſtrengtes,
wie ein Menſch der ſich mit großem Aufwand von
Kräften an glatten Felswänden hinauf half, eine zit-
ternde Bewegung in den noch nicht geruhten Gliedern
hat. Und wer weiß wie ſeine Kinderjahre, ſeine Nei-
gungen bedrängt oder durch Widerſpruch gereitzt wur-
den, ich ſeh ihm an daß er ſchon manches überwinden
mußte, und auch daß ſich großes aus ihm entwickeln
kann; ich bin ihm gut, ein ſo junger Herrſcher in der
Vorhölle, wo er leiden muß, daß ſich jede Zunge über
ihn erbarmt; ſeine gute Münchner wie er ſie nennt ſind
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[12/0022] wir's herhaben, wer Gott fragt dem antwortet er das göttliche. Auf den Feſten die man hier Akademien nennt — Masken-Bälle in der Mitte ein kleines Theater wor- auf pantomimiſche Vorſtellungen gegeben werden von Harlequin Pierrot und Pantalon — hab ich den Kron- prinzen kennen gelernt; ich habe eine Weile mit ihm ge- ſprochen ohne zu wiſſen wer er ſei, er hat etwas zu- ſprechendes freundliches und wohl auch originell geiſt- reiches; ſein ganzes Weſen ſcheint zwar mehr nach Frei- heit zu ringen als mit ihr geboren zu ſein; ſeine Stimme, ſeine Sprache und Gebärden haben etwas angeſtrengtes, wie ein Menſch der ſich mit großem Aufwand von Kräften an glatten Felswänden hinauf half, eine zit- ternde Bewegung in den noch nicht geruhten Gliedern hat. Und wer weiß wie ſeine Kinderjahre, ſeine Nei- gungen bedrängt oder durch Widerſpruch gereitzt wur- den, ich ſeh ihm an daß er ſchon manches überwinden mußte, und auch daß ſich großes aus ihm entwickeln kann; ich bin ihm gut, ein ſo junger Herrſcher in der Vorhölle, wo er leiden muß, daß ſich jede Zunge über ihn erbarmt; ſeine gute Münchner wie er ſie nennt ſind ihm nicht grün; ja wartet nur bis er mündig iſt, ent-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/22>, abgerufen am 30.04.2024.