der die edelsten Falten um seine feste Gestalt wirft, un- störbare Ruhe in den Bewegungen, glühende Regsam- keit im Ausdruck, läßt sich kein gescheut Wort mit ihm sprechen, so tief ist er in Gelehrsamkeit versunken. Der vierte, Freiherr von Gumpenberg, Kindesnatur, edlen Herzens, bis zur Schüchternheit still, um so mehr über- rascht die Offenherzigkeit, wenn er erst Zutrauen gefaßt hat, wobei ihm denn unendlich wohl wird, nicht schön, hat ungemein liebe Augen, ein unzertrennlicher Freund des fünften, Freiberg, zwanzig Jahr alt, große männ- liche Gestalt, als ob er schon älter sei, ein Gesicht wie eine römische Gemme, geheimnißvolle Natur, verborgner Stolz, Liebe und Wohlwollen gegen alle, nicht vertrau- lich, verträgt die härtesten Anstrengungen, schläft wenig, guckt Nachts zum Fenster hinaus nach den Sternen übt eine magische Gewalt über die Freunde, obschon er sie weder durch Witz, noch durch entschiedenen Willen zu behaupten geneigt ist; aber alle haben ein unerschüt- terliches Zutrauen zu ihm, was der Freiberg will, das muß geschehen. Der sechste war der junge Maler Lud- wig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die schönen radirten Studien nach der Natur geschickt habe, so lustig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind in der Wiege wird, das um nichts lacht, er theilte mit
der die edelſten Falten um ſeine feſte Geſtalt wirft, un- ſtörbare Ruhe in den Bewegungen, glühende Regſam- keit im Ausdruck, läßt ſich kein geſcheut Wort mit ihm ſprechen, ſo tief iſt er in Gelehrſamkeit verſunken. Der vierte, Freiherr von Gumpenberg, Kindesnatur, edlen Herzens, bis zur Schüchternheit ſtill, um ſo mehr über- raſcht die Offenherzigkeit, wenn er erſt Zutrauen gefaßt hat, wobei ihm denn unendlich wohl wird, nicht ſchön, hat ungemein liebe Augen, ein unzertrennlicher Freund des fünften, Freiberg, zwanzig Jahr alt, große männ- liche Geſtalt, als ob er ſchon älter ſei, ein Geſicht wie eine römiſche Gemme, geheimnißvolle Natur, verborgner Stolz, Liebe und Wohlwollen gegen alle, nicht vertrau- lich, verträgt die härteſten Anſtrengungen, ſchläft wenig, guckt Nachts zum Fenſter hinaus nach den Sternen übt eine magiſche Gewalt über die Freunde, obſchon er ſie weder durch Witz, noch durch entſchiedenen Willen zu behaupten geneigt iſt; aber alle haben ein unerſchüt- terliches Zutrauen zu ihm, was der Freiberg will, das muß geſchehen. Der ſechſte war der junge Maler Lud- wig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die ſchönen radirten Studien nach der Natur geſchickt habe, ſo luſtig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind in der Wiege wird, das um nichts lacht, er theilte mit
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der die edelſten Falten um ſeine feſte Geſtalt wirft, un-
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ſprechen, ſo tief iſt er in Gelehrſamkeit verſunken. Der
vierte, Freiherr von Gumpenberg, Kindesnatur, edlen
Herzens, bis zur Schüchternheit ſtill, um ſo mehr über-
raſcht die Offenherzigkeit, wenn er erſt Zutrauen gefaßt
hat, wobei ihm denn unendlich wohl wird, nicht ſchön,
hat ungemein liebe Augen, ein unzertrennlicher Freund
des fünften, Freiberg, zwanzig Jahr alt, große männ-
liche Geſtalt, als ob er ſchon älter ſei, ein Geſicht wie
eine römiſche Gemme, geheimnißvolle Natur, verborgner
Stolz, Liebe und Wohlwollen gegen alle, nicht vertrau-
lich, verträgt die härteſten Anſtrengungen, ſchläft wenig,
guckt Nachts zum Fenſter hinaus nach den Sternen
übt eine magiſche Gewalt über die Freunde, obſchon er
ſie weder durch Witz, noch durch entſchiedenen Willen
zu behaupten geneigt iſt; aber alle haben ein unerſchüt-
terliches Zutrauen zu ihm, was der Freiberg will, das
muß geſchehen. Der ſechſte war der junge Maler Lud-
wig Grimm, von dem ich Dir mein Bildchen und die
ſchönen radirten Studien nach der Natur geſchickt habe,
ſo luſtig und naif, daß man mit ihm bald zum Kind
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/192>, abgerufen am 22.11.2024.
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