Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Tropfen mir Wohlsein geben, erhalte mir diese Erquik-
kung, auf die ich meinen Verlaß habe.


Goethe.
An Goethe.

Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu
rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al-
ler Verzweiflung; zum erstenmal hab ich die Weltbege-
benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die
ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge-
gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages
Last und Hitze sich in der späten Nacht noch in die ein-
samen Berge verborgen und mit seinem reinen Gewissen
berathschlagt, und dieser Mann, dessen Seele frei von
bösen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beispiel von
Unschuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe-
bruar zur Bestätigung seines großen Schicksals den Tod
erlitten; wie konnt es anders kommen, sollte er die
Schmach mittragen? -- das konnt nicht sein, so hat es
Gott am besten gemacht, daß er nach kurzer Pause, seit
dieser verklärenden Vaterlandsbegeisterung, mit großer
Kraft und Selbstbewußtsein, und nicht gegen sein Schick-

Tropfen mir Wohlſein geben, erhalte mir dieſe Erquik-
kung, auf die ich meinen Verlaß habe.


Goethe.
An Goethe.

Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu
rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al-
ler Verzweiflung; zum erſtenmal hab ich die Weltbege-
benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die
ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge-
gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages
Laſt und Hitze ſich in der ſpäten Nacht noch in die ein-
ſamen Berge verborgen und mit ſeinem reinen Gewiſſen
berathſchlagt, und dieſer Mann, deſſen Seele frei von
böſen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beiſpiel von
Unſchuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe-
bruar zur Beſtätigung ſeines großen Schickſals den Tod
erlitten; wie konnt es anders kommen, ſollte er die
Schmach mittragen? — das konnt nicht ſein, ſo hat es
Gott am beſten gemacht, daß er nach kurzer Pauſe, ſeit
dieſer verklärenden Vaterlandsbegeiſterung, mit großer
Kraft und Selbſtbewußtſein, und nicht gegen ſein Schick-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0177" n="167"/>
Tropfen mir Wohl&#x017F;ein geben, erhalte mir die&#x017F;e Erquik-<lb/>
kung, auf die ich meinen Verlaß habe.</p><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Weimar, am 1. März 1810.</hi> </dateline><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Goethe.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe.</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu<lb/>
rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al-<lb/>
ler Verzweiflung; zum er&#x017F;tenmal hab ich die Weltbege-<lb/>
benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die<lb/>
ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge-<lb/>
gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages<lb/>
La&#x017F;t und Hitze &#x017F;ich in der &#x017F;päten Nacht noch in die ein-<lb/>
&#x017F;amen Berge verborgen und mit &#x017F;einem reinen Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
berath&#x017F;chlagt, und die&#x017F;er Mann, de&#x017F;&#x017F;en Seele frei von<lb/>&#x017F;en Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Bei&#x017F;piel von<lb/>
Un&#x017F;chuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe-<lb/>
bruar zur Be&#x017F;tätigung &#x017F;eines großen Schick&#x017F;als den Tod<lb/>
erlitten; wie konnt es anders kommen, &#x017F;ollte er die<lb/>
Schmach mittragen? &#x2014; das konnt nicht &#x017F;ein, &#x017F;o hat es<lb/>
Gott am be&#x017F;ten gemacht, daß er nach kurzer Pau&#x017F;e, &#x017F;eit<lb/>
die&#x017F;er verklärenden Vaterlandsbegei&#x017F;terung, mit großer<lb/>
Kraft und Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;ein, und nicht gegen &#x017F;ein Schick-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0177] Tropfen mir Wohlſein geben, erhalte mir dieſe Erquik- kung, auf die ich meinen Verlaß habe. Weimar, am 1. März 1810. Goethe. An Goethe. Ach, lieber Goethe! deine Zeilen kamen mir zu rechter Stunde, da ich eben nicht wußte wohin mit al- ler Verzweiflung; zum erſtenmal hab ich die Weltbege- benheiten verfolgt mit großer Treue für die Helden, die ihr Heiligthum verfochten; dem Hofer war ich nachge- gangen auf jeder Spur, wie oft hat er nach des Tages Laſt und Hitze ſich in der ſpäten Nacht noch in die ein- ſamen Berge verborgen und mit ſeinem reinen Gewiſſen berathſchlagt, und dieſer Mann, deſſen Seele frei von böſen Fehlen, offen vor jedem lag, als ein Beiſpiel von Unſchuld und Heldenthum, hat nun endlich am 20. Fe- bruar zur Beſtätigung ſeines großen Schickſals den Tod erlitten; wie konnt es anders kommen, ſollte er die Schmach mittragen? — das konnt nicht ſein, ſo hat es Gott am beſten gemacht, daß er nach kurzer Pauſe, ſeit dieſer verklärenden Vaterlandsbegeiſterung, mit großer Kraft und Selbſtbewußtſein, und nicht gegen ſein Schick-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/177
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/177>, abgerufen am 23.11.2024.