Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

pen nach den fliehenden Nymphen, und so ist ein bun-
tes Gewirr von lustiger, glitzernder Pracht über das
ganze verbreitet; aus dessen Mitte der Fels mit der Ve-
nus emporsteigt; am einen Ende der Platte, wo sonst
gewöhnlich die Handhabe ist: sitzt etwas erhaben gegen
den Zuschauer der berühmte Cyklop-Polyphem der die Ga-
lathee in seinen Armen gefangen hält; er hat ein gro-
ßes Aug' auf der Stirn, sie sieht schüchtern herab auf
die Schafheerde die zu beiden Seiten gelagert ist, wo-
durch die Gruppe sich in einen sanften Bogen mit zwei
Lämmern, welche an beiden Enden liegen und schlafen,
abschließt. Jenseits sitzt Orpheus, auch gegen die Zu-
schauer gewendet; er spielt die Leier, ein Lorbeerbaum
hinter ihm, auf dessen ausgebreiteten goldnen Zweigen
Vögel sitzen; Nymphen haben sich herbeigeschlichen mit
Rudern in der Hand, sie lauschen; dann sind noch al-
lerlei Seethiere bis auf zwei Delphine, die auf beiden
Seiten die Gruppe wie jenseits in einem sanften Bogen
abschließen; sehr hübsch ist ein kleiner Affe der sich einen
Sonnenschirm von einem Blatt gemacht hat, zu Orpheus
Füßen sitzt und ihm zuhört. -- Das ist wie Sie leicht
denken kann ein wunderbares Prachtstück; es ist sehr
reich und doch erhaben; und ich könnte ihr noch eine
halbe Stunde über die Schönheit der einzelnen Figuren

pen nach den fliehenden Nymphen, und ſo iſt ein bun-
tes Gewirr von luſtiger, glitzernder Pracht über das
ganze verbreitet; aus deſſen Mitte der Fels mit der Ve-
nus emporſteigt; am einen Ende der Platte, wo ſonſt
gewöhnlich die Handhabe iſt: ſitzt etwas erhaben gegen
den Zuſchauer der berühmte Cyklop-Polyphem der die Ga-
lathee in ſeinen Armen gefangen hält; er hat ein gro-
ßes Aug' auf der Stirn, ſie ſieht ſchüchtern herab auf
die Schafheerde die zu beiden Seiten gelagert iſt, wo-
durch die Gruppe ſich in einen ſanften Bogen mit zwei
Lämmern, welche an beiden Enden liegen und ſchlafen,
abſchließt. Jenſeits ſitzt Orpheus, auch gegen die Zu-
ſchauer gewendet; er ſpielt die Leier, ein Lorbeerbaum
hinter ihm, auf deſſen ausgebreiteten goldnen Zweigen
Vögel ſitzen; Nymphen haben ſich herbeigeſchlichen mit
Rudern in der Hand, ſie lauſchen; dann ſind noch al-
lerlei Seethiere bis auf zwei Delphine, die auf beiden
Seiten die Gruppe wie jenſeits in einem ſanften Bogen
abſchließen; ſehr hübſch iſt ein kleiner Affe der ſich einen
Sonnenſchirm von einem Blatt gemacht hat, zu Orpheus
Füßen ſitzt und ihm zuhört. — Das iſt wie Sie leicht
denken kann ein wunderbares Prachtſtück; es iſt ſehr
reich und doch erhaben; und ich könnte ihr noch eine
halbe Stunde über die Schönheit der einzelnen Figuren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="61"/>
pen nach den fliehenden Nymphen, und &#x017F;o i&#x017F;t ein bun-<lb/>
tes Gewirr von lu&#x017F;tiger, glitzernder Pracht über das<lb/>
ganze verbreitet; aus de&#x017F;&#x017F;en Mitte der Fels mit der Ve-<lb/>
nus empor&#x017F;teigt; am einen Ende der Platte, wo &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
gewöhnlich die Handhabe i&#x017F;t: &#x017F;itzt etwas erhaben gegen<lb/>
den Zu&#x017F;chauer der berühmte Cyklop-Polyphem der die Ga-<lb/>
lathee in &#x017F;einen Armen gefangen hält; er hat ein gro-<lb/>
ßes Aug' auf der Stirn, &#x017F;ie &#x017F;ieht &#x017F;chüchtern herab auf<lb/>
die Schafheerde die zu beiden Seiten gelagert i&#x017F;t, wo-<lb/>
durch die Gruppe &#x017F;ich in einen &#x017F;anften Bogen mit zwei<lb/>
Lämmern, welche an beiden Enden liegen und &#x017F;chlafen,<lb/>
ab&#x017F;chließt. Jen&#x017F;eits &#x017F;itzt Orpheus, auch gegen die Zu-<lb/>
&#x017F;chauer gewendet; er &#x017F;pielt die Leier, ein Lorbeerbaum<lb/>
hinter ihm, auf de&#x017F;&#x017F;en ausgebreiteten goldnen Zweigen<lb/>
Vögel &#x017F;itzen; Nymphen haben &#x017F;ich herbeige&#x017F;chlichen mit<lb/>
Rudern in der Hand, &#x017F;ie lau&#x017F;chen; dann &#x017F;ind noch al-<lb/>
lerlei Seethiere bis auf zwei Delphine, die auf beiden<lb/>
Seiten die Gruppe wie jen&#x017F;eits in einem &#x017F;anften Bogen<lb/>
ab&#x017F;chließen; &#x017F;ehr hüb&#x017F;ch i&#x017F;t ein kleiner Affe der &#x017F;ich einen<lb/>
Sonnen&#x017F;chirm von einem Blatt gemacht hat, zu Orpheus<lb/>
Füßen &#x017F;itzt und ihm zuhört. &#x2014; Das i&#x017F;t wie Sie leicht<lb/>
denken kann ein wunderbares Pracht&#x017F;tück; es i&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
reich und doch erhaben; und ich könnte ihr noch eine<lb/>
halbe Stunde über die Schönheit der einzelnen Figuren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0093] pen nach den fliehenden Nymphen, und ſo iſt ein bun- tes Gewirr von luſtiger, glitzernder Pracht über das ganze verbreitet; aus deſſen Mitte der Fels mit der Ve- nus emporſteigt; am einen Ende der Platte, wo ſonſt gewöhnlich die Handhabe iſt: ſitzt etwas erhaben gegen den Zuſchauer der berühmte Cyklop-Polyphem der die Ga- lathee in ſeinen Armen gefangen hält; er hat ein gro- ßes Aug' auf der Stirn, ſie ſieht ſchüchtern herab auf die Schafheerde die zu beiden Seiten gelagert iſt, wo- durch die Gruppe ſich in einen ſanften Bogen mit zwei Lämmern, welche an beiden Enden liegen und ſchlafen, abſchließt. Jenſeits ſitzt Orpheus, auch gegen die Zu- ſchauer gewendet; er ſpielt die Leier, ein Lorbeerbaum hinter ihm, auf deſſen ausgebreiteten goldnen Zweigen Vögel ſitzen; Nymphen haben ſich herbeigeſchlichen mit Rudern in der Hand, ſie lauſchen; dann ſind noch al- lerlei Seethiere bis auf zwei Delphine, die auf beiden Seiten die Gruppe wie jenſeits in einem ſanften Bogen abſchließen; ſehr hübſch iſt ein kleiner Affe der ſich einen Sonnenſchirm von einem Blatt gemacht hat, zu Orpheus Füßen ſitzt und ihm zuhört. — Das iſt wie Sie leicht denken kann ein wunderbares Prachtſtück; es iſt ſehr reich und doch erhaben; und ich könnte ihr noch eine halbe Stunde über die Schönheit der einzelnen Figuren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/93
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/93>, abgerufen am 17.05.2024.