mich; ich sagte: "Vos Adorateurs me suffoquent," sie lachte. -- Sie sagte, Goethe habe mit ihr von mir ge- sprochen; ich blieb gern sitzen, denn ich hätte gern ge- wußt, was er gesagt hat, und doch war mir's unrecht, denn ich wollt' lieber, er spräch' mit niemand von mir; und ich glaub's auch nicht, -- sie mag nur so gesagt haben; -- es kamen zuletzt so viele, die alle über mich hinaus mit ihr sprechen wollten, daß ich's gar nicht län- ger konnte aushalten; ich sagt' ihr: "Vos lauriers me pesent trop fort sur les epaules. Und ich stand auf und drängt' mich zwischen den Liebhabern durch; da kam der Sis- mondi, ihr Begleiter, und küßt' mir die Hand, und sagte, ich hätte viel Geist und sagt's den andern, und sie repetirten es wohl zwanzigmal, als wenn ich ein Prinz wär'; von denen findet man auch immer alles so gescheut, wenn es auch das gewöhnlichste wär'. -- Nachher hört' ich ihr zu, wie sie von Goethe sprach; sie sagte, sie habe erwartet, einen zweiten Werther zu finden, allein sie habe sich geirrt, so wohl sein Benehmen wie auch seine Figur passe nicht dazu, und sie bedauerte sehr, daß er ihn ganz verfehle; Fr. Rath, ich wurd' zornig über diese Reden, ("das war überflüssig," wird Sie sagen) ich wendt' mich an Schlegel, und sagt' ihm auf Deutsch: die Fr. Stael hat sich doppelt geirrt, einmal in der Er-
mich; ich ſagte: „Vos Adorateurs me suffoquent,” ſie lachte. — Sie ſagte, Goethe habe mit ihr von mir ge- ſprochen; ich blieb gern ſitzen, denn ich hätte gern ge- wußt, was er geſagt hat, und doch war mir's unrecht, denn ich wollt' lieber, er ſpräch' mit niemand von mir; und ich glaub's auch nicht, — ſie mag nur ſo geſagt haben; — es kamen zuletzt ſo viele, die alle über mich hinaus mit ihr ſprechen wollten, daß ich's gar nicht län- ger konnte aushalten; ich ſagt' ihr: „Vos lauriérs me pesent trop fort sur les épaules. Und ich ſtand auf und drängt' mich zwiſchen den Liebhabern durch; da kam der Sis- mondi, ihr Begleiter, und küßt' mir die Hand, und ſagte, ich hätte viel Geiſt und ſagt's den andern, und ſie repetirten es wohl zwanzigmal, als wenn ich ein Prinz wär'; von denen findet man auch immer alles ſo geſcheut, wenn es auch das gewöhnlichſte wär'. — Nachher hört' ich ihr zu, wie ſie von Goethe ſprach; ſie ſagte, ſie habe erwartet, einen zweiten Werther zu finden, allein ſie habe ſich geirrt, ſo wohl ſein Benehmen wie auch ſeine Figur paſſe nicht dazu, und ſie bedauerte ſehr, daß er ihn ganz verfehle; Fr. Rath, ich wurd' zornig über dieſe Reden, („das war überflüſſig,“ wird Sie ſagen) ich wendt' mich an Schlegel, und ſagt' ihm auf Deutſch: die Fr. Staël hat ſich doppelt geirrt, einmal in der Er-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0088"n="56"/>
mich; ich ſagte: <hirendition="#aq">„Vos Adorateurs me suffoquent,”</hi>ſie<lb/>
lachte. — Sie ſagte, Goethe habe mit ihr von mir ge-<lb/>ſprochen; ich blieb gern ſitzen, denn ich hätte gern ge-<lb/>
wußt, was er geſagt hat, und doch war mir's unrecht,<lb/>
denn ich wollt' lieber, er ſpräch' mit niemand von mir;<lb/>
und ich glaub's auch nicht, —ſie mag nur ſo geſagt<lb/>
haben; — es kamen zuletzt ſo viele, die alle über mich<lb/>
hinaus mit ihr ſprechen wollten, daß ich's gar nicht län-<lb/>
ger konnte aushalten; ich ſagt' ihr: <hirendition="#aq">„Vos lauriérs me<lb/>
pesent trop fort sur les épaules.</hi> Und ich ſtand auf und<lb/>
drängt' mich zwiſchen den Liebhabern durch; da kam der <hirendition="#aq">Sis-<lb/>
mondi,</hi> ihr Begleiter, und küßt' mir die Hand, und ſagte, ich<lb/>
hätte viel Geiſt und ſagt's den andern, und ſie repetirten es<lb/>
wohl zwanzigmal, als wenn ich ein Prinz wär'; von<lb/>
denen findet man auch immer alles ſo geſcheut, wenn<lb/>
es auch das gewöhnlichſte wär'. — Nachher hört' ich<lb/>
ihr zu, wie ſie von Goethe ſprach; ſie ſagte, ſie habe<lb/>
erwartet, einen zweiten Werther zu finden, allein ſie<lb/>
habe ſich geirrt, ſo wohl ſein Benehmen wie auch ſeine<lb/>
Figur paſſe nicht dazu, und ſie bedauerte ſehr, daß er<lb/>
ihn ganz verfehle; Fr. Rath, ich wurd' zornig über dieſe<lb/>
Reden, („das war überflüſſig,“ wird Sie ſagen) ich<lb/>
wendt' mich an Schlegel, und ſagt' ihm auf Deutſch:<lb/>
die Fr. Sta<hirendition="#aq">ë</hi>l hat ſich doppelt geirrt, einmal in der Er-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0088]
mich; ich ſagte: „Vos Adorateurs me suffoquent,” ſie
lachte. — Sie ſagte, Goethe habe mit ihr von mir ge-
ſprochen; ich blieb gern ſitzen, denn ich hätte gern ge-
wußt, was er geſagt hat, und doch war mir's unrecht,
denn ich wollt' lieber, er ſpräch' mit niemand von mir;
und ich glaub's auch nicht, — ſie mag nur ſo geſagt
haben; — es kamen zuletzt ſo viele, die alle über mich
hinaus mit ihr ſprechen wollten, daß ich's gar nicht län-
ger konnte aushalten; ich ſagt' ihr: „Vos lauriérs me
pesent trop fort sur les épaules. Und ich ſtand auf und
drängt' mich zwiſchen den Liebhabern durch; da kam der Sis-
mondi, ihr Begleiter, und küßt' mir die Hand, und ſagte, ich
hätte viel Geiſt und ſagt's den andern, und ſie repetirten es
wohl zwanzigmal, als wenn ich ein Prinz wär'; von
denen findet man auch immer alles ſo geſcheut, wenn
es auch das gewöhnlichſte wär'. — Nachher hört' ich
ihr zu, wie ſie von Goethe ſprach; ſie ſagte, ſie habe
erwartet, einen zweiten Werther zu finden, allein ſie
habe ſich geirrt, ſo wohl ſein Benehmen wie auch ſeine
Figur paſſe nicht dazu, und ſie bedauerte ſehr, daß er
ihn ganz verfehle; Fr. Rath, ich wurd' zornig über dieſe
Reden, („das war überflüſſig,“ wird Sie ſagen) ich
wendt' mich an Schlegel, und ſagt' ihm auf Deutſch:
die Fr. Staël hat ſich doppelt geirrt, einmal in der Er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/88>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.