Heimath. Dort ist der fruchtbare Boden, indem mein Herz die harte Rinde sprengt und in's Licht hinaufblüht.
Die Leute sagen: Was bist du traurig, sollt ich ver- gnügt sein? -- oder dies oder jenes? -- wie paßt das zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat seine Ursache, das Wasser wird nicht lustig dahin tanzen und singen, wenn sein Bett nicht dazu gemacht ist. So werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Lust der Grund dazu ist; ja ich habe Lust im Herzen, aber sie ist so groß so mächtig, daß sie sich nicht in's Lachen fü- gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor Tag, und ich zwischen den schlafenden Pflanzen Berg- auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäscht, und ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten ist der meine Füße wäscht, weil er will ich soll rein sein von Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn ich dann auf des Berges Spitze komme und übersehe alle Lande im ersten Strahl der Sonne dann fühl' ich diese mächtige Lust in meiner Brust sich ausdehnen, dann seufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank, daß sie mir in einem Bild erleuchte was der Reich- thum der Schmuck meines Lebens ist, denn was ich sehe was ich verstehe es ist alles nur Wiederhall meines Glückes.
Heimath. Dort iſt der fruchtbare Boden, indem mein Herz die harte Rinde ſprengt und in's Licht hinaufblüht.
Die Leute ſagen: Was biſt du traurig, ſollt ich ver- gnügt ſein? — oder dies oder jenes? — wie paßt das zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt. So werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in's Lachen fü- gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Berg- auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl' ich dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann ſeufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank, daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reich- thum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines Glückes.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0077"n="45"/>
Heimath. Dort iſt der fruchtbare Boden, indem mein<lb/>
Herz die harte Rinde ſprengt und in's Licht hinaufblüht.</p><lb/><p>Die Leute ſagen: Was biſt du traurig, ſollt ich ver-<lb/>
gnügt ſein? — oder dies oder jenes? — wie paßt das<lb/>
zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine<lb/>
Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und<lb/>ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt. So<lb/>
werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der<lb/>
Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie<lb/>
iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in's Lachen fü-<lb/>
gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor<lb/>
Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Berg-<lb/>
auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und<lb/>
ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der<lb/>
meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von<lb/>
Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn<lb/>
ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe<lb/>
alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl' ich<lb/>
dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann<lb/>ſeufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank,<lb/>
daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reich-<lb/>
thum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe<lb/>
was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines<lb/>
Glückes.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[45/0077]
Heimath. Dort iſt der fruchtbare Boden, indem mein
Herz die harte Rinde ſprengt und in's Licht hinaufblüht.
Die Leute ſagen: Was biſt du traurig, ſollt ich ver-
gnügt ſein? — oder dies oder jenes? — wie paßt das
zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine
Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und
ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt. So
werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der
Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie
iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in's Lachen fü-
gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor
Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Berg-
auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und
ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der
meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von
Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn
ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe
alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl' ich
dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann
ſeufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank,
daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reich-
thum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe
was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines
Glückes.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/77>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.