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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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so mächtig, daß es unwiderstehliche Wollust war, sich
ihnen hinzugeben. Da hatt' ich allerlei wunderliche Ge-
danken, die schwerlich bei dem Verstand die Mauth pas-
sirt hätten; es war als läg' das Geheimniß der Schöp-
fung mir auf der Zunge. Der Ton, den ich lebendig
in mir fühlte, gab mir die Empfindung, wie durch die
Macht seiner Stimme Gott alles hervorgerufen, und
wie Musik diesen ewigen Willen der Liebe und der
Weisheit in jeder Brust wiederholt. -- Und ich war
beherrscht von Gefühlen, die von der Musik getragen,
durchdrungen, vermittelt, verändert, vermischt und geho-
ben wurden; ich war endlich so in mich versunken, daß
selbst die späte Nacht mich nicht vom Platz brachte.
Das Hofgeschwirr und die vielen Lichter, von deren
Wiederschein die Bäume in grünen Flammen brannten,
sah ich von oben herab verschwinden; endlich war alles
weg; kein Licht brannte mehr in den Häusern; ich war
allein in der kühlen himmlischen Ruhe der Nacht; ich
dachte an Dich! Ach hätten wir doch beisammen unter
jenen Bäumen gesessen, und bei dem Rauschen und
Plätschern der Wasser mit einander geschwätzt!


ſo mächtig, daß es unwiderſtehliche Wolluſt war, ſich
ihnen hinzugeben. Da hatt' ich allerlei wunderliche Ge-
danken, die ſchwerlich bei dem Verſtand die Mauth paſ-
ſirt hätten; es war als läg' das Geheimniß der Schöp-
fung mir auf der Zunge. Der Ton, den ich lebendig
in mir fühlte, gab mir die Empfindung, wie durch die
Macht ſeiner Stimme Gott alles hervorgerufen, und
wie Muſik dieſen ewigen Willen der Liebe und der
Weisheit in jeder Bruſt wiederholt. — Und ich war
beherrſcht von Gefühlen, die von der Muſik getragen,
durchdrungen, vermittelt, verändert, vermiſcht und geho-
ben wurden; ich war endlich ſo in mich verſunken, daß
ſelbſt die ſpäte Nacht mich nicht vom Platz brachte.
Das Hofgeſchwirr und die vielen Lichter, von deren
Wiederſchein die Bäume in grünen Flammen brannten,
ſah ich von oben herab verſchwinden; endlich war alles
weg; kein Licht brannte mehr in den Häuſern; ich war
allein in der kühlen himmliſchen Ruhe der Nacht; ich
dachte an Dich! Ach hätten wir doch beiſammen unter
jenen Bäumen geſeſſen, und bei dem Rauſchen und
Plätſchern der Waſſer mit einander geſchwätzt!


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[349/0381] ſo mächtig, daß es unwiderſtehliche Wolluſt war, ſich ihnen hinzugeben. Da hatt' ich allerlei wunderliche Ge- danken, die ſchwerlich bei dem Verſtand die Mauth paſ- ſirt hätten; es war als läg' das Geheimniß der Schöp- fung mir auf der Zunge. Der Ton, den ich lebendig in mir fühlte, gab mir die Empfindung, wie durch die Macht ſeiner Stimme Gott alles hervorgerufen, und wie Muſik dieſen ewigen Willen der Liebe und der Weisheit in jeder Bruſt wiederholt. — Und ich war beherrſcht von Gefühlen, die von der Muſik getragen, durchdrungen, vermittelt, verändert, vermiſcht und geho- ben wurden; ich war endlich ſo in mich verſunken, daß ſelbſt die ſpäte Nacht mich nicht vom Platz brachte. Das Hofgeſchwirr und die vielen Lichter, von deren Wiederſchein die Bäume in grünen Flammen brannten, ſah ich von oben herab verſchwinden; endlich war alles weg; kein Licht brannte mehr in den Häuſern; ich war allein in der kühlen himmliſchen Ruhe der Nacht; ich dachte an Dich! Ach hätten wir doch beiſammen unter jenen Bäumen geſeſſen, und bei dem Rauſchen und Plätſchern der Waſſer mit einander geſchwätzt!

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/381>, abgerufen am 23.11.2024.