Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

-- ich sah nach dem Fenster, wo es hell war, -- ich
wär' so gern' dort gewesen! ich war auf mein fatales
Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter
und Prälaten schon mögen ihren Geist ausgehaucht ha-
ben, und ein Dutzend kleiner Meister vom Hammer,
alle emsig, pochten und pickten fest gebannt. Ach, wie
sehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. -- Kann
man so närrisch sein. -- Plötzlich hatte ich überwunden,
ich stand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin
ich gleich ein Held, es soll mir einer nah' kommen, --
ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn
Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloster
her noch herbeirief, sind auch keine Gesellschaft zum La-
chen, da der eine seinen eignen Kopf, der andre sein
Eingeweide im Arm trägt, und so weiter. Ich entließ
sie alle zum Fenster hinaus. Und du magischer Spie-
gel, in dem alles so zauberisch wieder scheint, was ich
erlebe, was war's denn, was mich beseligte? -- Nichts!
-- Tiefes Bewußtsein, Friede athmen, -- so stand ich
am Fenster und erwartete den anbrechenden Tag. --

Bettine.

— ich ſah nach dem Fenſter, wo es hell war, — ich
wär' ſo gern' dort geweſen! ich war auf mein fatales
Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter
und Prälaten ſchon mögen ihren Geiſt ausgehaucht ha-
ben, und ein Dutzend kleiner Meiſter vom Hammer,
alle emſig, pochten und pickten feſt gebannt. Ach, wie
ſehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. — Kann
man ſo närriſch ſein. — Plötzlich hatte ich überwunden,
ich ſtand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin
ich gleich ein Held, es ſoll mir einer nah' kommen, —
ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn
Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloſter
her noch herbeirief, ſind auch keine Geſellſchaft zum La-
chen, da der eine ſeinen eignen Kopf, der andre ſein
Eingeweide im Arm trägt, und ſo weiter. Ich entließ
ſie alle zum Fenſter hinaus. Und du magiſcher Spie-
gel, in dem alles ſo zauberiſch wieder ſcheint, was ich
erlebe, was war's denn, was mich beſeligte? — Nichts!
— Tiefes Bewußtſein, Friede athmen, — ſo ſtand ich
am Fenſter und erwartete den anbrechenden Tag. —

Bettine.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="263"/>
&#x2014; ich &#x017F;ah nach dem Fen&#x017F;ter, wo es hell war, &#x2014; ich<lb/>
wär' &#x017F;o gern' dort gewe&#x017F;en! ich war auf mein fatales<lb/>
Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter<lb/>
und Prälaten &#x017F;chon mögen ihren Gei&#x017F;t ausgehaucht ha-<lb/>
ben, und ein Dutzend kleiner Mei&#x017F;ter vom Hammer,<lb/>
alle em&#x017F;ig, pochten und pickten fe&#x017F;t gebannt. Ach, wie<lb/>
&#x017F;ehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. &#x2014; Kann<lb/>
man &#x017F;o närri&#x017F;ch &#x017F;ein. &#x2014; Plötzlich hatte ich überwunden,<lb/>
ich &#x017F;tand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin<lb/>
ich gleich ein Held, es &#x017F;oll mir einer nah' kommen, &#x2014;<lb/>
ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn<lb/>
Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Klo&#x017F;ter<lb/>
her noch herbeirief, &#x017F;ind auch keine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zum La-<lb/>
chen, da der eine &#x017F;einen eignen Kopf, der andre &#x017F;ein<lb/>
Eingeweide im Arm trägt, und &#x017F;o weiter. Ich entließ<lb/>
&#x017F;ie alle zum Fen&#x017F;ter hinaus. Und du magi&#x017F;cher Spie-<lb/>
gel, in dem alles &#x017F;o zauberi&#x017F;ch wieder &#x017F;cheint, was ich<lb/>
erlebe, was war's denn, was mich be&#x017F;eligte? &#x2014; Nichts!<lb/>
&#x2014; Tiefes Bewußt&#x017F;ein, Friede athmen, &#x2014; &#x017F;o &#x017F;tand ich<lb/>
am Fen&#x017F;ter und erwartete den anbrechenden Tag. &#x2014;</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0295] — ich ſah nach dem Fenſter, wo es hell war, — ich wär' ſo gern' dort geweſen! ich war auf mein fatales Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter und Prälaten ſchon mögen ihren Geiſt ausgehaucht ha- ben, und ein Dutzend kleiner Meiſter vom Hammer, alle emſig, pochten und pickten feſt gebannt. Ach, wie ſehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. — Kann man ſo närriſch ſein. — Plötzlich hatte ich überwunden, ich ſtand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin ich gleich ein Held, es ſoll mir einer nah' kommen, — ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloſter her noch herbeirief, ſind auch keine Geſellſchaft zum La- chen, da der eine ſeinen eignen Kopf, der andre ſein Eingeweide im Arm trägt, und ſo weiter. Ich entließ ſie alle zum Fenſter hinaus. Und du magiſcher Spie- gel, in dem alles ſo zauberiſch wieder ſcheint, was ich erlebe, was war's denn, was mich beſeligte? — Nichts! — Tiefes Bewußtſein, Friede athmen, — ſo ſtand ich am Fenſter und erwartete den anbrechenden Tag. — Bettine.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/295
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/295>, abgerufen am 21.11.2024.